Wien: Eine Stadt kühlt grün
Ein Bericht von Sonja Bettel
Die zunehmende Hitze macht immer mehr Städtern zu schaffen. Begrünte Gebäude sorgen nachhaltig für Abhilfe, wie Beispiele aus Wien belegen.
Wenn die Tage von Bernhard Scharf fünfundzwanzig Stunden hätten, würde er vermutlich eine sechsundzwanzigste dazu haben wollen, um das städtische Mikroklima noch widerstandsfähiger gegen die Folgen der Erderwärmung machen zu können. Was ihn antreibt, ist die Tatsache, dass in Städten wie Wien die Sommer immer heißer und unerträglicher werden. «Wir müssen Städte transformieren – von grauen Hitzeinseln zu grünen Oasen», lautet sein Credo. Und das ist seiner Ansicht nach nur mit «Grüner Infrastruktur» möglich – also mit Pflanzen auf Fassaden und Dächern.
Aus biologischer Sicht ist die Stadt eine Wüste – heiß, trocken, windig und verschmutzt.
Auch die Wiener Stadtverwaltung weiß um die Gefährdung durch Hitze und bemüht sich seit vielen Jahren um eine klimaresiliente Stadtentwicklung. Die österreichische Hauptstadt ist flächenmäßig bereits zu 50 Prozent «grün»: Neben Parks, bepflanzten Innenhöfen, Straßenbäumen und Blumenrabatten sorgen vor allem der Wienerwald und der Lainzer Tiergarten, die Donau-Auen, der Prater sowie landwirtschaftliche Flächen am Stadtrand für frische Luft und Abkühlung. Davon profitieren allerdings eher die Außenbezirke Wiens. In der historischen Inneren Stadt ist die Bebauung zumeist dicht, die Straßen sind teils eng – und auch in Bezirken wie Mariahilf, Neubau oder Josefstadt gibt es nur wenig Platz für Parks und Straßenbäume. Im Jahr 2019 hat das tschechische Start-up «Ecoten Urban Comfort» im Auftrag der Stadt Wien die Hitzegefahren untersucht und mehrere Hitzeinseln identifiziert, die aufgrund enger Bebauung, Bevölkerungsdichte, geringer Vegetation und fehlender Frischluftschneisen zu einer erhöhten Belastung der Bewohner führen können.
Zudem erlebt Wien seit einigen Jahren einen starken Zuzug, weshalb ehemalige Güterbahnhöfe, Äcker und Gärtnereien mit Wohnhäusern bebaut werden. «Um den Grünanteil auf einem gleichen Level zu halten, müssen nun die Gebäude bepflanzt werden», sagt Bernhard Steger, Leiter der für die Stadtteilplanung Innen-Südwest zuständigen Magistratsabteilung. Die Stadtverwaltung arbeitet nach Kräften daran, die Stadt grüner zu machen: Bei Neubauten mit Flachdach ist eine Begrünung des Daches vorgeschrieben, bei jeder Änderung eines Flächenwidmungs- und Bebauungsplans auch die der Fassade von Gebäuden bis maximal 26 Meter Höhe. Bereits seit 2003 wird die Begrünung von bestehenden Dächern von der Stadt gefördert, seit 2008 auch die von straßenseitigen Fassaden.
Forschen für die Transformation der Stadt
Doch wie muss eine Gebäudebegrünung gestaltet sein, um die bestmögliche Wirkung für das städtische Klima und die Lebensqualität zu erzielen? Bernhard Scharf und seine Kollegen haben auf der Dachterrasse direkt vor ihren Arbeitsplätzen an der Universität für Bodenkultur Wien (BOKU) eine kleine Versuchsoase aufgebaut: eine Pergola, überdacht mit halbtransparenten Photovoltaik-Panels, an der rundherum Kletterpflanzen, Weintrauben, Gräser, Kräuter und Wildblumen wachsen. Ohne diese Beschattung und Begrünung wäre der Aufenthalt auf der gepflasterten Terrasse an heißen Tagen kaum auszuhalten. Auch die Studierenden sitzen gerne unter der Pergola. «Hoffentlich werden die Weintrauben vor Beginn des Wintersemesters reif, damit sie uns die nicht wegessen», sagt der Forscher lachend.
Bernhard Scharf hat an der Universität für Bodenkultur Wien Landschaftsplanung studiert und engagiert sich seit zwei Jahrzehnten für die Begrünung des urbanen Raums. 2012 wurde er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Ingenieurbiologie und Landschaftsbau der BOKU, zwei Jahre später gründete er gemeinsam mit dortigen Kollegen das Spin-off-Unternehmen «Green4Cities». Die Gruppe erforscht, plant und optimiert seither Gebäudebegrünungen und versucht, deren Bedeutung für die Transformation der Städte auch international zu vermitteln.
Städtische Hitze – ein globales Problem
Weltweit zieht es immer mehr Menschen in die Städte, weil diese mehr Jobs, eine fortgeschrittene Infrastruktur, schnelle Verkehrsverbindungen, eine bessere gesundheitliche Versorgung und mehr Sozialkontakte bieten. Schon jetzt leben 55 Prozent der Weltbevölkerung in städtischen Gebieten, bis 2050 wird der Anteil auf 68 Prozent ansteigen, schätzen die Vereinten Nationen.
Städte verbrauchen im Verhältnis zur Anzahl ihrer Bewohner verhältnismäßig wenig Boden, die kürzeren Wege und ein größeres Angebot öffentlicher Verkehrsmittel reduzieren zudem den ökologischen Fußabdruck. Doch der viele Beton und Asphalt, der Mangel an Grünräumen und die rasche Ableitung von Niederschlagswasser führen dort zu einer wesentlich stärkeren Erhitzung als im ländlichen Raum – und diese Hitze kann tatsächlich lebensgefährlich werden: Allein in Österreich gab es 2018 laut der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit 550 Todesopfer, die sich auf Hitze zurückführen lassen, im Jahr 2019 waren es 198. Ein Drittel aller österreichischen Hitzetoten entfalle auf die Hauptstadt, stellte der Demograf Roman Hoffmann von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Zuge des Forschungsprojekts «Climate, Health and Population» fest. Und diese Lage spitzt sich weiter zu: «Wien wird im Jahr 2050 Bedingungen haben, wie wir sie heute in weit südlicheren Städten vorfinden», prognostiziert Hoffmann.
Klimaanlagen verschlimmern das Problem nur.
Auch global drohen Städten im Zuge des Klimawandels häufigere und extremere Hitzewellen als bisher angenommen. Das haben Forscher der «University of Illinois» und des «National Center for Atmospheric Research» in den USA mit einem neuen Klimamodellierungsansatz herausgefunden. Die durchschnittliche Erwärmung in Städten könnte demnach bis Ende des 21. Jahrhunderts um bis zu 4,4 Grad Celsius betragen, wäre also weit entfernt vom Pariser Klimaziel von 1,5 Grad.
Mit Technik allein werden wir das nicht in den Griff bekommen. «Klimaanlagen verschlimmern das Problem nur, weil sie den Raum kühlen, aber dabei Hitze hinausblasen – und sie verbrauchen eine Menge Strom», warnt Bernhard Scharf. Die Geräte sorgen außerdem für gefährliche Lastspitzen bei den Stromnetzen. Bei Neubauten ist es zwar möglich, durch Dämmung der Gebäudehülle, bauliche Beschattung oder Wärmepumpen die Innentemperatur zu verringern, doch all das benötigt Rohstoffe und Energie für die Herstellung und den Betrieb. Bei bestehenden Gebäuden sind diese Möglichkeiten außerdem beschränkt.
«Nur Pflanzen besitzen das Potenzial, Bauwerke zu Elementen unseres Lebensraums ohne negative Auswirkungen zu machen», ist Bernhard Scharf überzeugt. Denn Pflanzen sind ein biologisches Wunder: Aus einem kleinen Samenkorn oder Kern entsteht mithilfe von Sonne, Wasser, Nährstoffen und Kohlendioxid ein grünes Gewächs, das groß und kräftig wie ein Baum werden oder an einem mehrstöckigen Haus über Hunderte Quadratmeter bis zum Dach hochklettern kann. Alleine steht Scharf mit seinem Enthusiasmus schon lange nicht mehr: Selbst der Bericht des Weltklimarats (IPCC) von 2018 sieht in Grüner Infrastruktur einen «Schlüsselbereich gegen die städtische Hitze».
Eine grüne Hülle für die Wiener Müllabfuhr
Den Beweis dafür lieferten Bernhard Scharf und seine Kollegin Vera Enzi gemeinsam mit zwei österreichischen Firmen bei einem Pilotprojekt der Wiener Magistratsabteilung 48 für Müllabfuhr, Recycling und Straßenreinigung: Der Nachkriegsbau am zehnspurigen Margaretengürtel sah nicht nur trostlos aus, sondern war auch aus thermischer Sicht katastrophal. Um hier Abhilfe zu schaffen, umhüllte man das Haus regelrecht mit Pflanzen: So wurden auf einer Fassadenfläche von 850 Quadratmetern Tröge montiert, mit Substrat befüllt und mit rund 17.000 trockenheitsresistenten Stauden, Gräsern und Kräutern bepflanzt, die nun in bunten Farben blühen. Je nach Wetterlage werden die Pflanzen mehrmals pro Woche über Tropfschläuche bewässert.
Nach der Fertigstellung dokumentierte man ein Jahr lang die Lufttemperatur und Luftfeuchte vor, an und hinter der Fassade, außerdem die Substratfeuchte, die Strahlungsbilanz, den Wasserhaushalt, die bauphysikalische Wirkung sowie den Biomasseaufbau der Pflanzen. Die Werte wurden anschließend mit denen vor der Begrünung verglichen. Das Ergebnis: Der winterliche Wärmeverlust des Gebäudes reduzierte sich durch die grüne Fassade um bis zu 50 Prozent. Die sommerliche Verdunstungsleistung entspricht jener von vier hundertjährigen Buchen, die Kühlleistung der von 45 Klimaanlagen mit je 3.000 Watt bei acht Stunden Betriebsdauer täglich. Die Wirkung ist mehr als beachtlich: Die Oberflächentemperatur des Gebäudes ist an sonnigen Tagen um bis zu 20 Grad niedriger als jene der ursprünglichen Putzfassade.
Wege zur grünen Stadt
Solche Erfolgsgeschichten sind nicht nur wichtig, um die Investitions- und Wartungskosten einer Fassadenbegrünung rechtfertigen zu können. Das Forscherteam von Green4Cities will mit den erfassten Daten auch zu wissenschaftlich fundierten Aussagen kommen, welche Pflanzen, Substrate, Montage- und Bewässerungssysteme am besten für eine Bauwerksbegrünung geeignet sind. Dafür wurde unter anderem der digitale Werkzeugkasten «GreenPass» entwickelt, mit dem man die Begrünung einzelner Gebäude oder ganzer Quartiere und ihre Leistung für das Mikroklima simulieren und zertifizieren kann.
Unsere Vision besteht darin, Planer weltweit zu unterstützen, damit sie bessere Entscheidungen treffen können.
Praktisch eingesetzt wurde das GreenPass-Zertifikat auch für den Bau eines Möbelhauses neben dem Wiener Westbahnhof. Die Architektengruppe «Querkraft» aus Wien, die mit dem nachhaltigen, begrünten Österreich-Pavillon für die Expo 2021 in Dubai bereits für Aufsehen sorgte, entwarf das Möbelhaus als überdimensionales Regal. Vor die Fassade und auf die rund 2.000 Quadratmeter große, öffentlich zugängliche Dachterrasse wurden 160 Bäume in Blumentöpfe gestellt. Die Zertifizierung habe ergeben, dass die Bäume die Lufttemperatur an einem Hitzetag um bis zu 1,5 Grad Celsius abkühlten, erzählt der Querkraft-Architekt Jakob Dunkl. Von den Besuchern werde die Temperatur sogar um zwölf Grad kühler empfunden.
In Bernhard Scharfs Doktorarbeit «Plants in Cities: Effects of Green Infrastructure on Urban Energy and Water Balance» von 2020 lässt sich nachlesen, warum Pflanzen auf Dächern und an Fassaden so wichtig dafür sind, unsere Städte lebenswert zu erhalten: Sie absorbieren 80 Prozent der einstrahlenden Sonnenenergie, während eine nackte Fassade diese reflektiert und damit auch umstehende Gebäude aufheizt. Eine wesentliche Rolle spielen begrünte Bauwerke auch für den städtischen Wasserhaushalt: Im Zuge des Klimawandels gibt es heftigere Niederschläge und längere Trockenperioden. Wo viel Boden versiegelt ist, also betoniert oder asphaltiert, fließt das Wasser rasch ab, überlastet die Kläranlagen und verursacht Hochwasser in Bächen und Flüssen. «Die Versorgung der Pflanzen mit Regenwasser ist entscheidend für die Verbesserung des städtischen Klimas», betont Bernhard Scharf. Idealerweise sollte bei einer Bauwerksbegrünung eine Speichermöglichkeit für Niederschlagswasser eingebaut werden, statt diese mit frischem Trinkwasser bewässern zu müssen.
Cooler Schatten für «Wiener Wasser»
Apropos Trinkwasser: Weil die Begrünung des Hauses der MA 48 so gut gelungen ist, wollte wenige Jahre später auch die Magistratsabteilung 31 «Wiener Wasser» eine grüne Fassade für ihr aus den 1960er-Jahren stammendes Amtsgebäude. Für Gerhard Huber vom Architekturkollektiv «Rataplan – Architektur ZT» war das die Initialzündung für eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Bauwerksbegrünung. Seit mehr als 30 Jahren arbeiten er und seine Kollegen im urbanen Raum und erwecken historische Bausubstanz mit sensiblen Um- und Zubauten zu neuem Leben. Seit acht Jahren gehört auch Vertikalbegrünung dazu – als clevere architektonische Antwort auf die Folgen des Klimawandels.
Die Angst all unserer Auftraggeber vor einer Fassadenbegrünung erwies sich im Nachhinein als unbegründet.
Um zu zeigen, wie vielfältig solche Vertikalbegrünungen ausgeführt werden können, breitet Gerhard Huber auf dem großen Besprechungstisch im Büro Fotos und Skizzen aus, die Rataplan in den vergangenen Jahren geplant hat. Wenn Interessierte zu ihm kommen, erzähle er zuerst einmal, was man alles zu berücksichtigen habe: die bestehende Fassadengestaltung, die Statik, die Konstruktion von Pflanztrögen oder Klettergerüsten, die Be- und Entwässerung, den Denkmalschutz, Baugenehmigungen, Brandschutz, Nachbarschaft, Haftung, gärtnerische Pflege und so weiter. Im ersten Moment klingt das abschreckend, doch Gerhard Huber weiß zu beruhigen: « Die ursprüngliche Angst all unserer Auftraggeber vor einer Fassadenbegrünung erwies sich im Nachhinein als unbegründet. Es passiert nichts.»
Hitzeschutz, der ganz von selbst emporrankt
Das Einfachste sei, wenn man Selbstklimmer, also Kletterpflanzen wie Wilder Wein, die sich auch ohne Ranksystem an der Fassade festhalten, direkt in den Boden setzen kann. Das kostet nicht viel, man kann sie selbst bewässern und zurechtschneiden. «Efeu verwenden wir nicht, der wächst gerne in Mauerritzen und ins Dach hinein», sagt Huber. Auch bei Chinesischem Blauregen müsse man aufpassen, weil die Pflanze sehr kräftige Stämme entwickle, die Rankseile aus der Verankerung reißen können. Daher benötige Blauregen eine massive Konstruktion.
Die praktische Umsetzung einer Begrünung zeigen Gerhard Huber und seine Kollegin Susanne Höhndorf vor dem Haus von «Wiener Wasser»: Aus statischen Gründen hat man die Rankgerüste nicht tragend an die Fassade geschraubt, sondern angelehnt. Daran wurden Pflanztröge und seitliche Rankgerüste montiert, an denen verschiedenfarbig blühende Pflanzen hochklettern und das Büro beschatten. «Die Begrünung soll nicht nur von der Straße aus schön aussehen, sondern auch beim Blick aus dem Fenster», erklären die beiden. Dass auch das örtliche Mikroklima von der 800 Quadratmeter großen Grünfassade profitiert, beweisen Untersuchungen der Universität für Bodenkultur und des Forschungsbereichs Bauphysik der Technischen Universität Wien: Die Fassade erbringt rund 50.000 Kilowattstunden Kühlleistung, reduziert Lärm um zwei bis fünf Dezibel, bindet bis zu sechs Gramm Staub pro Quadratmeter, speichert jährlich 2,3 Kilogramm CO2 pro Quadratmeter und produziert 1,7 Kilogramm Sauerstoff pro Quadratmeter. Die höchsten Innentemperaturen des Gebäudes konnten um rund drei Grad Celsius gegenüber früher verringert werden. Auch die Fauna schätzt die neue Flora: «Einmal haben sich im dritten Stock Enten in einem Pflanztrog niedergelassen», erzählt der Architekt erfreut.
Neuer Lebensraum auf dem Dach
Enten wurden bei einem anderen Projekt von Rataplan, dem Bürohaus des Wohnbauunternehmens Sozialbau AG, zwar noch nicht gesichtet, dafür aber Amseln und Rotschwänzchen. Auch die Menschen fühlen sich hier wohl: «Es ist schön, dass wir ins Grüne schauen und ins Freie gehen können, das verbessert die Arbeitsqualität sehr», freut sich die Buchhalterin Barbara Speiser. Seit März 2021 arbeitet sie im neuen Dachgeschossbüro im dicht bebauten 7. Wiener Bezirk. Wenn sie von ihrem Computer aufschaut, sieht sie vor der Glasfassade vier Reihen Pflanzen vor einem weiten Himmel. Die Fassadenbegrünung vor dem Dachaufbau beschattet das Büro, mindert den Kühlbedarf und verbessert das Mikroklima. Barbara Speiser öffnet die Tür zur Dachterrasse, um uns den Blick über die Stadt zu zeigen. Ein Idyll tut sich auf: Zwischen rosa blühendem Hauswurz, Felsensteinkraut, Sonnenröschen und Thymian tummeln sich Hummeln und Schmetterlinge.
Grünes Paradies – nicht nur für die Vögel
Um die Akzeptanz für mehr Begrünung muss sich auch der Wiener Bauträger Hans Jörg Ulreich keine Gedanken machen. In Wiener Bezirk Ottakring, einem besonders hitzevulnerablen Gebiet, hat er das in die Jahre gekommene Gründerzeithaus «Zu den drei Herzen» saniert, ausgebaut und die Fassaden und den Hof begrünt. Neben dem Weg wächst Bambus, über mehrere Stockwerke klettern Blauregen, Wilder Wein und Efeu über Mauern und Balkongitter. Jiří Kolář, der mit seiner Lebensgefährtin Gertrud Karner eine Dachgeschossmaisonette im Hinterhaus bewohnt, ist glücklich: «Wenn ich im Sommer nach Hause komme, ist es im Hof etwa vier bis fünf Grad kühler als auf der Straße.» Die beiden haben zusätzlich ihre Balkone üppig mit Kräutern, Lilien, Sonnenhut und Hortensien bepflanzt, sogar ein kleiner Ahornbaum gedeiht in einem Topf. Das grüne Paradies findet bei der Vogelwelt großen Anklang: Amseln, Meisen, Sperlinge, Krähen, ein Turmfalke und eine Schar Distelfinken waren bereits zu Besuch. Dass die geflügelten Gäste mit Körnern versorgt werden, aber keine Tischmanieren haben, freut leider auch die Waldmäuse, die sich unter dem Holzboden die Reste holen. Doch davon lässt sich das Paar die Freude an ihrer Oase mitten in der Stadt nicht nehmen, denn die positiven Effekte überwiegen eindeutig.
Pflanzen schaffen eben nicht nur ein gutes Klima, sondern bieten echte Inseln der Entspannung für gestresste Stadtbewohner. «In der Freizeit gehen die Leute ja auch lieber in den Wienerwald, als daheim ihre Klimaanlage anzuschauen», scherzt der leidenschaftliche Gebäudebegrüner Bernhard Scharf und fügt hinzu: «Warum bauen wir also unsere Städte nicht entsprechend?»
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