Wärmenetze – ein Schlüssel zur Energiewende
Ein Ausblick von Daniel Weiß
Die «Wärmewende» ist das Herz der Energiewende, Wärmenetze vernetzen intelligent verschiedenste Energiequellen und sorgen für bedarfsgerechte Wärme.
Erneuerbare Energien feiern riesige Erfolge bei der Stromerzeugung. Sie deckten im Jahr 2015 stolze 32,6 % des deutschen Bruttostromverbrauchs ab. In den letzten 15 Jahren hat sich die Stromerzeugung aus Erneuerbaren mehr als verzehnfacht – eine Entwicklung, die Energieexperten damals als Wunschtraum abtaten. Die Energiewende ist jedoch viel mehr als die Erzeugung von Erneuerbarem Strom zu steigern: Denn 55 % des Primärenergieverbrauchs wird für die Wärmeerzeugung in Form von Raumheizung, Warmwasser und Prozessenergie für die Industrie benötigt. Der Anteil der Erneuerbaren an der Wärmeversorgung ist mit 13,2 % deutlich geringer als bei der Stromversorgung. Die große Herausforderung der Energiewende ist daher nicht nur der Strommarkt, ein entscheidender Faktor für das Gelingen der Energiewende ist auch der Wärmemarkt.
Tortendiagramm: Anteile am Primärenergieverbrauch in Deutschland im Jahr 2015, Werte der Größe nach absteigend geordnet,
Wärme, 55%,
Mechanische Energie, 37%,
Beleuchtung, 3,4%,
Informationstechnik und Kommunikation, 2,3%,
Kälteerzeugung, 2,1%
Restlicher Verbrauch, 0,2%
Wärmespeicherung: zehn- bis 80-mal günstiger als Stromspeicherung
Wärme lässt sich effizient, kostengünstig und mit einem höheren Wirkungsgrad als Strom speichern. Die Speicherung von Strom ist um den Faktor zehn bis 80 teurer als die Speicherung von Wärme. Mit der Verknüpfung von Strom- und Wärmenetzen durch Blockheizkraftwerke, Wärmepumpen und auch Elektroboilern können die Erzeugungs- und Lastspitzen im Stromnetz effektiv und kostengünstig ausgeglichen werden.
Im Wärmemarkt steckt viel Effizienzpotenzial
Der Wärmemarkt ist der größte Energieverbraucher, bietet aber auch gleichzeitig die größten Effizienzpotenziale. In keinem anderen Bereich lassen sich durch technische Innovationen – also durch neue Dämmstoffe, intelligente Regeltechnik und moderne Anlagen – mehr Einspareffekte erzielen als bei der Wärme. Doch trotz aller Einsparpotenziale lässt sich der Wärmebedarf nicht auf null senken. Denn auch mit modernster Technik wird das «normale» Haus oder der Industriebetrieb einen gewissen Wärmedarf aufweisen. Dieser lässt sich aber gerade in Wärmenetzen effizient und nachhaltig decken.
Wärmenetze als Energiedrehscheibe
Energiewende bedeutet nicht einfach, fossile gegen erneuerbare Energieträger auszutauschen. Neben der Energieeinsparung ist es wichtig, alle verfügbaren Energiequellen zu nutzen und intelligent zu verknüpfen. Denn auch die Gewinnung von erneuerbaren Energieträgern ist aufwendig – und jede Kilowattstunde, die gar nicht erst bereitgestellt werden muss, ist für die Energiewende wertvoll. Eine große Herausforderung besteht auch darin, dass die Verfügbarkeit von Erneuerbaren wie Solarstrahlung oder Wind und viele bisher ungenutzte Wärmequellen wie die Industrieabwärme, stark schwanken und nicht immer zu Zeiten des höchsten Verbrauchs zur Verfügung stehen.
Gerade hier können Wärmenetze ihre Stärken ausspielen: In ein Wärmenetz lässt sich Wärme aus den verschiedensten Quellen einspeisen: Solarenergie, Holzenergie, Abwärme aus Industriebetrieben und Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen oder auch aus Wärmepumpen. Das Besondere dabei: Die Wärmeerzeugung kann immer mit der aktuell sinnvollsten und emissionsärmsten Energiequelle erfolgen, da im Wärmenetz immer mehrere verschiedene Wärmeerzeuger gemeinsam genutzt werden. Dieses Potenzial kann schon alleine aus Kostengründen bei einer Heizanlage für ein einzelnes Gebäude nicht realisiert werden. Ein Wärmenetz bietet daher Flexibilität, immer den «besten» Wärmeerzeuger einzusetzen.
Heute stehen Wärmenetze am Anfang einer vielversprechenden technischen Entwicklungsphase. Die Regeltechnik, die Dämmung und die Speichertechnologien werden ständig weiterentwickelt und haben in den letzten Jahren enorme Fortschritte erzielt. Moderne Wärmenetze werden für die Energiewende eine wachsende Bedeutung haben: Sie schaffen Lösungen für den größten Anteil des deutschen Primärenergiebedarfs, sind dabei hocheffizient und zugleich kostengünstig – und sie können Wärme aus verschiedensten Quellen einsammeln, speichern und diese bedarfsgerecht und mit geringsten Verlusten an die angeschlossenen Kunden verteilen.
Dr. Daniel Weiß, 1974 in Schopfheim geboren, studierte Agrarwissenschaften in Weihenstephan. Er arbeitete nach der Ausbildung im Bereich der Regionalentwicklung, zu Themen wie Qualitätssicherung bei Lebensmitteln und regionalen Wertschöpfungsketten und begann 2005 mit den ersten Nahwärmeprojekten in Zell im Wiesental. Seit 2005 ist er Geschäftsführer der EWS Energie GmbH (Vorläufer HBG mbH) und verantwortet dort die Bereiche Nahwärme, Blockheizkraftwerke und Mieterstrom. Bisher setzten er und sein Team Nahwärme-Projekte in acht Gemeinden rund um Schönau um. Neben dem Auf- und Ausbau von Nahwärmenetzen erstellt die EWS Energie GmbH energetische Quartierskonzepte und bringt ihre Kompetenz als Partner in Betreibergesellschaften oder als Ingenieursdienstleister ein.