Mit der Bildung der neuen Regierungskoalition aus CDU/CSU und SPD steht Deutschland vor entscheidenden klima- und energiepolitischen Weichenstellungen. Die Stärkung des Klima- und Transformationsfonds (KTF) durch die alte Bundesregierung war ein richtiger Schritt, um mehr Investitionen in den Klimaschutz zu ermöglichen. Nun gilt es, die Investitionen in sinnvolle Maßnahmen zu lenken und die richtigen Anreize für Klimaschutzinvestitionen zu setzen.
Doch schaut man in den Koalitionsvertrag, gibt es neben einigen positiven Vereinbarungen auch viele Leerstellen. Ganz deutlich wird dies bei der Klimapolitik. Während sich die Koalitionspartner:innen zwar grundsätzlich zu den Klimazielen bekennen, kommt das Wort «Klimakrise» nicht einmal darin vor. Es fehlt an einer konsistenten und langfristigen Klimaschutz-Strategie. Beispielsweise soll das Klimaziel 2040 durch Anrechnung ausländischer CO₂-Minderungen abgeschwächt werden. Auch erste personelle Maßnahmen dämpfen unsere Erwartungen: So wurde unter anderem der Posten der Klimabeauftragten gestrichen. Künftig soll die CO₂-Bepreisung das zentrale Leitinstrument für Klimaschutz sein.
Ab 2027 ist der Übergang des nationalen CO₂-Preises für Verkehr und Wärme zu einem europaweiten Emissionshandel in diesen Bereichen geplant. Die Einnahmen daraus sollen teilweise an die Verbraucher:innen und die Wirtschaft zurückgegeben werden – beispielsweise durch eine Entlastung beim Strompreis. Dagegen ist die Einführung eines schon lange von uns geforderten Klimageldes im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. Immerhin bekennt sich die Bundesregierung eindeutig dazu, einkommensarme Haushalte zur Teilhabe am Klimaschutz zu befähigen, lässt Details dazu aber noch offen.
Koalition bekennt sich zur Energiewende
Die Koalition bekennt sich zum weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien, für die sie einen sicheren Investitionsrahmen ankündigt. Bürgerenergie und Energy Sharing sollen gestärkt sowie der Smart Meter Rollout beschleunigt werden. Doch auch diese Ankündigungen bleiben vage, wie sie konkret umgesetzt werden sollen. Ausdrücklich begrüßen wir, dass Flächenpachten für EEG-geförderte Anlagen begrenzt und die Energieeffizienz durch steuerliche Anreize und Marktsignale als wichtiger Faktor für die Klimaziele gefördert werden sollen.
Zudem ist ein fließender Übergang vom nationalen zum EU-Emissionshandel für Wärme und Verkehr geplant, um Preissprünge zu vermeiden. Die Reduktion der Stromnebenkosten wiederum soll die Akzeptanz der Energiewende steigern und Anreize für emissionsarme Technologien schaffen, bindet aber auch Investitionsmittel. Ganz konkret sollen die Strompreise um mindestens 5 ct/kWh gesenkt werden. Das beinhaltet eine Absenkung der Stromsteuer auf das EU-Mindestmaß, die Deckelung der Netzentgelte, die Einführung von Industriestrompreisen sowie die Abschaffung der Gasspeicherumlage. Positiv zu bewerten ist, dass Fördermaßnahmen für Gebäude und Wärmenetze, insbesondere die Aufstockung der Bundesförderung für effiziente Wärmenetze, verstärkt werden sollen.
Auch eine Wiederinbetriebnahme der Atomenergie ist nicht vorgesehen – jedoch soll die Forschung im Bereich Fusionskraftwerke fortgeführt werden.
«Die neue Bundesregierung muss jetzt liefern: Ohne Planungssicherheit für Wärmewende, klare Anreize für Flexibilität und ein echtes Gesetz für Bürgerenergie wird die Energiewende ausgebremst – dezentral, mutig und fair ist der vielversprechendste Weg nach vorn.»
EWS stellen Impulspapier vor
Doch über allen vereinbarten Maßnahmen im Koalitionsvertrag schwebt der Finanzierungsvorbehalt. Dies führt zum einen zu einer stärkeren Position des Bundesfinanzministers Lars Klingbeil (SPD) und schafft zugleich Unsicherheit darüber, welche Maßnahmen wirklich umgesetzt werden. Zudem bleibt die konkrete Ausgestaltung der Energiepolitik noch weitgehend im Dunkeln.
Wir fordern, den eingeschlagenen Weg konsequent weiterzugehen und stehen bereit, in die Zukunft Deutschlands zu investieren. Dafür bedarf es aber klarer Signale der Politik, dass die Energiewende nicht ausgebremst, sondern beschleunigt wird. Mit unserem Impulspapier geben wir der neuen Regierung einen klaren Fahrplan an die Hand, wie die Energiewende bürgernah, dezentral und erfolgreich gestaltet werden kann.
Zusammenfassung der zentralen Aussagen des EWS-Impulspapiers:
- Verlässlichkeit für Wärmewende schaffen:
Der weitere Einsatz von Erdgas in der Wärmeversorgung ist ein Irrweg. Bereits in einer 2021 in unserem Auftrag durchgeführten Studie des Forums Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) haben wir dargelegt, warum fossiles Erdgas keine Zukunft in der Wärmeversorgung haben sollte. Die Zukunft gehört stattdessen innovativen Wärmekonzepten wie Wärmepumpen und dekarbonisierten Wärmenetzen. Die angekündigte Abschaffung des Heizungsgesetzes hat erhebliche Verunsicherung verursacht. Wir fordern daher eine schnelle Klarstellung zum neuen Gebäudeenergiegesetz, das mit der europäischen EPBD konform sein muss. Für den Erfolg der Wärmewende sind verlässliche und auskömmliche Förderprogramme wie BEG und BEW entscheidend. Auch sollte ein bundesweites Bürgschaftsprogramm für Wärmeprojekte eingeführt werden, um kleinen und mittelständischen Akteur:innen die Akquise von Fremdkapital für diese Projekte zu erleichtern. Hier sollte der im Koalitionsvertrag angekündigte Investitionsfonds für Energieinfrastruktur genutzt werden, um insbesondere langfristig finanzierte Wärmenetzprojekte zu unterstützen.
- EE-Ausbau effizient vorantreiben:
Die Potenziale der Bürgerenergie für einen schnelleren Ausbau erneuerbarer Energien müssen stärker genutzt, dezentrale und partizipative Konzepte wie PV-Mieterstrom und Energy Sharing mit niedrigen Einstiegshürden weiterentwickelt und die Europäische-Energien-Richtlinie (RED III) fristgerecht umgesetzt werden. Auch sollte die Fördersystematik planbar entlang der EU-Vorgaben bis Mitte 2027 auf ein System mit Rückzahlungsmechanismus umgestellt werden, ohne kleinere Akteur:innen durch übermäßige Komplexität zu benachteiligen. Hürden für Direktvermarktung und PPAs sind dabei abzubauen, bevor die reguläre Förderung entfällt.
- Energieeffizienz als Leitprinzip verankern:
Wir sehen in der Energieeffizienz einen wichtigen Baustein der Energiewende. Diese entlastet Unternehmen und Verbraucher:innen gleichermaßen. Allerdings reichen die bisherigen Fortschritte nicht aus, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Die Bundesregierung sollte die Energieeffizienz als strategische Priorität begreifen, ambitionierte Rahmenbedingungen schaffen sowie gezielte Anreize und Förderbedingungen für Investitionen in Effizienztechnologien setzen. Ein konkreter Vorschlag ist die Einführung einer steuerlichen Investitionsprämie für Energieeffizienzmaßnahmen, die im Rahmen von zertifizierten Energiemanagementsystemen, Energieaudits oder individuellen Sanierungsfahrplänen identifiziert wurden.
- Marktsignale für Flexibilität verbessern:
Der aktuelle Strommarkt stößt an strukturelle Grenzen. Ein reformiertes Design muss Flexibilität belohnen, Versorgungssicherheit absichern und den Ausbau Erneuerbarer ermöglichen. Zentral ist die Stärkung lokaler Marktpreissignale. Als ersten Schritt fordern wir die Einführung statisch-zeitvariabler Netzentgelte, die in vielen europäischen Ländern bereits etabliert sind. Langfristig sind vollständig dynamische Netzentgelte nötig, wofür zeitnah eine Umsetzungs-Roadmap entwickelt werden sollte. Außerdem fordern wir eine Anpassung der deutschen Strompreiszone, um einen effizienteren Preiszonenzuschnitt in Deutschland zu realisieren. Zudem lehnen wir die Absicht der neuen Bundesregierung ab, die Versorgungssicherheit mit der Ausschreibung von Gaskraftwerken mit einer Gesamtkapazität von 20 GW zu garantieren. Denn damit drohen fossile Überkapazitäten sowie die Reduzierung von Anreizen für die Flexibilisierung und dezentralen Lösungen. Damit verbunden sind wir entschieden gegen die Einführung eines zentralen Kapazitätsmarkts mit staatlicher Planung sowie Mengen- und Technologievorgaben.
- Bürgerenergie und effiziente Netze stärken:
Bürgerenergie spielt eine tragende Rolle in der Energiewende – etwa 40 Prozent der Erneuerbaren-Anlagen in Deutschland sind in Bürger:innenhand. Zudem bestätigt eine von uns in Auftrag gegebene Studie, dass Energy Sharing bei richtiger Ausgestaltung zur Entlastung des Stromnetzes beitragen kann, indem es Anreize für netzdienliches Verhalten schafft. Besonders effektiv ist dies, wenn lokale Erzeugung und Verbrauch anteilig abgebildet werden, ein enger Lokalitätsbezug besteht und kleine und mittlere Unternehmen sowie reine Verbraucher:innen teilnehmen können.
Jetzt liegt der Ball im Feld der neuen Bundesregierung – wir hoffen sehr, dass diese unsere Handlungsempfehlungen ernsthaft prüft und die Energiewende mutig vorantreibt.
Titelbild: EWS-Solarpark Fröhnd | Fotograf: Bernd Schumacher