Seit mehr als 27 Jahren gibt es das EWS-Förderprogramm. Weil sich die Welt verändert und die Energiewende an Fahrt gewinnt, hat sich auch das Förderprogramm mit den Jahren immer wieder verändert und weiterentwickelt, um zu gewährleisten, dass mit dem Geld unserer Kund:innen Klimaschutz und Energiewende bestmöglich vorangebracht werden.
Jetzt ist für uns wieder so ein Zeitpunkt gekommen, an dem wir uns gefragt haben: Ist unser Förderprogramm noch zeitgemäß und was sollten wir ändern, damit es in der heutigen Zeit die bestmögliche Wirkung entfaltet?
Christian, was gab den Ausschlag dafür, das EWS-Förderprogramm in diesem Jahr grundsätzlich zu überdenken und auf neue Füße zu stellen?

Leiter des EWS-Förderprogramms
Es gibt mehrere Gründe. Zum einen muss man sagen, dass die Energiewende in den letzten Jahren deutlich weiter vorangeschritten ist. Insbesondere die Photovoltaik erreichte in den vergangenen Jahren regelmäßig die gesteckten Ausbauziele und ist zu einem Standard geworden. Da ist aber noch etwas anderes, was jetzt immer deutlicher zutage tritt: Mit der neuen Regierung tritt der Klimaschutz in den Hintergrund. Alice Weidel spricht vom Abreißen von Windrädern und der neue Kanzler äußert sich ebenfalls negativ über Windräder. Das trifft auf immer mehr Beifall bei Menschen, die Klimaschutz ablehnen, weil sie denken: da kann ich nicht mitmachen, das ist eine elitäre Angelegenheit von «denen da oben» beziehungsweise von der Vorgängerregierung.
Was können wir dem entgegensetzen?
Wir müssen uns bewusst machen, dass auch wir uns in genau diesem Umfeld bewegen. Wir wollen ja nicht nur etwas für den einen Teil der gespalteten Gesellschaft tun. Wir arbeiten mit dem Geld unserer Kund:innen und sind verpflichtet, es sorgfältig und vor allem wirksam einzusetzen, nicht nach dem Gießkannenprinzip. Deshalb und in Anbetracht des gesellschaftlichen Klimas haben wir entschieden, drei zentrale Prinzipien stärker in unserer Arbeit zu verwirklichen: Solidarität, Gemeinschaft und Engagement.
Welche Veränderungen leitest du aus dieser Entscheidung ab?
Es gab eine Phase der Energiewende, da ging es um Technik. Es war nötig, mit aller Macht Erneuerbare Energien auszubauen, in die Breite zu gehen, um zeigen zu können: Es funktioniert, wir können unsere Stromversorgung mit Erneuerbaren sicherstellen. Vor diesem Hintergrund sind die mehr als 10.000 Rebellenkraftwerke zu verstehen, die wir seit dem Beginn des Förderprogramms gefördert haben. Das war gut und wichtig. Wir sind aber zu dem Schluss gekommen, dass wir heute deutlicher auf die soziale Seite der Energiewende einwirken müssen.
Video: Christian Scharnberg spricht über das EWS-Förderprogramm

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Was bedeutet das genau?
Ich mache es an einem Beispiel deutlich: Wir haben im letzten Jahr einen Verein in der Lausitz gefördert, der heißt «Ostsachsen wechselt». Der macht etwas, das wir damals auch in Schönau gemacht haben. Die Mitglieder reden mit ihren Nachbarn, und zwar über die Energiewende und darüber, zu einem ökologischen Stromanbieter zu wechseln.
Warum ist das so besonders? Weil dort in vielen Gegenden Sorbisch gesprochen wird. Auf Sorbisch gibt es so gut wie keine Informationen zur Energiewende und trotzdem viele Interessierte. Hier können wir mit kleinen Beträgen sehr viel bewirken, sowohl für die Energiewende als auch für das Zusammenleben der Menschen.
Dieses Beispiel zeigt, welche Akteur:innen wir gerne fördern möchten. Bis vor Kurzem haben wir teure Projekte von Forschungsinstituten oder großen Hilfsorganisationen gefördert. Wir wurden von Fundraisern gefragt, was sie tun müssen, um von uns Geld zu bekommen. Wir fragen uns aber, was bewirkt ganz konkret etwas für Energiewende und Klimaschutz? Wie unterstützen wir Personen dabei, selbst Veränderung zu bewirken? Deshalb fördern wir seit diesem Jahr Aktivismus. Entgegen dem ehrenamtlichen Engagement klassischen Stils, wie z. B. in Vereinen, bilden jetzt einzelne einfach eine Initiative.
Die wollen etwas, haben eine gute Idee und probieren die aus. Das sind einfach Privatleute, die nicht erst einen Verein gründen, bevor sie loslegen. Solche Gruppen haben es sehr schwer, an Fördergelder zu kommen. Aber bei uns haben sie jetzt eine Chance, auch ohne Gemeinnützigkeitstempel. Die EWS haben ja genauso angefangen.
Gemeinschaftlich heißt für uns: Menschen finden sich mit einer gemeinsamen Idee aus freien Stücken zusammen, zum Beispiel, um ein nachhaltiges Lebenskonzept umsetzen zu können.
Welche Änderungen nehmt ihr noch vor?
Auch bei der Anlagenförderung setzen wir verstärkt auf die drei Prinzipien: Solidarität, Gemeinschaft und Engagement. Wir haben lange überlegt und haben einen Weg gefunden, wie wir dies umsetzen können. Wir beenden die Förderung von Individual-PV und von Individual-Speichern, dafür werden wir gemeinschaftlich genutzte Erzeugungs- und Speicheranlagen fördern. Dafür gibt es mehrere Gründe: Das Modell der Individualförderung stammt aus einer Zeit, in der das Ansinnen, sich eine PV-Anlage aufs Dach zu bauen, noch sehr hürdenreich und auch teuer war. Das ist heute nicht mehr so. Solaranlagen gehören heute zum Standard.
Außerdem haben zwei Drittel unserer Kund:innen gar kein eigenes Haus mit einem Dach für eine PV-Anlage oder einen Keller für einen Speicher. Die können von den «Sonnencents» nicht profitieren und fördern die Häuslebesitzer:innen mit. Bei gemeinschaftlich genutzten Anlagen sieht das anders aus. Gemeinschaftlich heißt für uns: Menschen finden sich mit einer gemeinsamen Idee aus freien Stücken zusammen, zum Beispiel, um ein nachhaltiges Lebenskonzept umsetzen zu können. Wir hatten bei der Entwicklung der Idee einen Schwarzwaldbauernhof vor Augen, in dem sich ein integratives Wohnprojekt zusammenfindet. Wenn so eine Gemeinschaft PV und Speicher bauen möchte, um den Strom vor Ort selbst zu verbrauchen, dann fördern wir das mit Beträgen, die wirklich etwas möglich machen.
Ich weiß, dass durch diese Entscheidung einige Menschen keine Förderung mehr erhalten. Ich hoffe aber sehr, dass es für unsere Kund:innen nachvollziehbar ist, warum wir diesen Schritt gegangen sind. Was es in diesen Zeiten braucht, ist mehr Solidarität, mehr Gemeinschaft und mehr Engagement. Dies möchten wir unterstützen und wer weiß – vielleicht auch für den einen oder die andere Inspiration liefern, ein solches Projekt selbst zu starten.