Fabian Grischkat vor silbernem Hintergrund
#KlimagerechtigkeitJetzt

Der Kampf gegen die Klimakrise und der für die Rechte queerer Menschen haben viel gemeinsam, erklärt Fabian Grischkat, der sich beiden Themen widmet.

Klimakrise und queeren Aktivismus zusammendenken

Titelfoto: Markus Haner

Fabian Grischkat ist Moderator, Influencer und Aktivist aus Berlin. In den sozialen Netzwerken informiert der 22-Jährige täglich über relevante Meldungen aus den Bereichen Klimaschutz und Rechte für LGBTQIA+. 2021 nannte die VOGUE ihn als eine von acht Personen, «die unsere Gesellschaft gerade verändern». Auf Instagram folgen ihm aktuell 133.000 Menschen.

Wir freuen uns also sehr, dass er Zeit für ein Interview gefunden hat, um uns zu erklären, warum Klimaschutz, Geschlechtergerechtigkeit und Queer-Rechte zusammengehören. Und noch mehr, dass er im Rahmen unserer Kampagne am 7. Februar ein Webinar geben wird!

Interview

Warum ist Vielfalt wichtig für Klimagerechtigkeit?

Fabian Grischkat: Mir kommt da sofort ein Spruch in den Kopf, den ich letztes Jahr während des CSDs in Wien auf einem Plakat gelesen habe: «There is no Pride on a dead planet». Queere Bewegungen stehen in gewisser Weise in einem Abhängigkeitsverhältnis zur Klimagerechtigkeitsbewegung, und umgekehrt.

Die Klimakrise ist eine Krise der Gerechtigkeit und eine ethisch-politische Herausforderung. Klimagerechtigkeit bedeutet also, die Klimakrise als Frage sozialer Gerechtigkeit zu verstehen. Und zur sozialen Gerechtigkeit zählt eben auch die Gleichheit und der Schutz aller Geschlechter, Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen. Wer also hinter der Forderung einer klimagerechten Welt steht, muss zwangsläufig die Vielfalt der Menschen achten. 

Du bist Journalist, Influencer und Aktivist – kannst du für die, die dich noch nicht kennen, beschreiben, was das bedeutet? 

Seit ein paar Monaten verwende ich vermehrt den Begriff des «Newsfluencers», denn ich denke, dass er meine tägliche Arbeit recht gut zusammenfasst. Mein Ziel ist es, Nachrichten und oftmals komplexe Zusammenhänge so zu präsentieren, dass sie ein möglichst junges Publikum erreichen. Die Generation Z konsumiert ihre Nachrichten aber nicht mehr primär über Zeitungen am Kiosk oder die Tagesschau im Fernsehen. Die ersten Berührungspunkte mit einer Meldung finden in der Regel digital in Sozialen Netzwerken statt. Hier bediene ich mich der verschiedenen Werkzeuge und Mechaniken der Plattformen. Die Redaktion bin ich.

Mir ist in meiner Arbeit aber auch Haltung wichtig. Rudolf Augstein erkannte bereits im letzten Jahrhundert, dass Journalismus ohne Haltung nur minder funktioniert. Da ich mich abseits dieser Arbeit auch regelmäßig an Protesten beteilige und eng mit NGOs und Verbänden zusammenarbeite, werde ich häufig als Aktivist bezeichnet, verwende den Begriff aber selbst recht selten.

«Wer hinter der Forderung einer klimagerechten Welt steht, muss zwangsläufig die Vielfalt der Menschen achten.» 

Fabian Grischkat

 

Du verbindest den Kampf für die Rechte queerer Menschen mit dem Kampf gegen die Klimakrise. Warum sind queere Menschen im Hinblick auf die Klimakrise besonders zu schützen?

Queere Menschen sind statistisch betrachtet stärker von den Folgen der Klimakrise betroffen. Queere Menschen werden weltweit bei der Job- und Wohnungssuche diskriminiert. Sie erleben häufiger soziale Benachteiligung und sind einem höheren Risiko ausgesetzt, obdachlos zu werden. All das hat zur Folge, dass queere Menschen stärker von Naturkatastrophen, Temperaturanstiegen und Luftverschmutzung betroffen sind. Deswegen müssen wir die Klimakrise und queeren Aktivismus zusammendenken. 

Wer oder was inspiriert dich?

Puh, die Frage fällt mir nicht leicht zu beantworten. Ich hatte nie ein konkretes Vorbild, auch wenn ich mich schon sehr früh für Marsha P. Johnson, Audre Lorde oder David Bowie begeistern konnte. Diese Woche hat mich meine Oma inspiriert. Sie hat mit einer Pride-Flagge gegen das Erstarken der Faschisten in Deutschland demonstriert. Ich habe meiner Oma viel zu verdanken und sie beeindruckt mich immer wieder. 

«Queere Menschen sind statistisch betrachtet stärker von den Folgen der Klimakrise betroffen.»

Fabian Grischkat

Diese Verbindung ist in Deutschland (noch) nicht selbstverständlich. Woran könnte das liegen und gibt es andere Länder und Kulturen, in denen das anders ist?

Zum einen möchte ich betonen, dass auch in Deutschland immer mehr Menschen und Organisationen die Verknüpfungen beider Kämpfe erkennen. Mit Greenpeace besuchte ich bereits vor zwei Jahren das Human Rights Filmfestival. Auf unserem gemeinsamen Banner standen die Worte «Fight Climate Change. Protect Queer Rights.» Auch vor dieser Aktion setzte sich Greenpeace bereits für die Rechte und den Schutz queerer Menschen ein.

Zum andern lässt sich diese Diskrepanz vor allem durch die starken Unterschiede realpolitischer und geologischer Verhältnisse erklären. MAPA-Staaten (MAPA = Most Affected People and Areas) erleben seit Jahren die Folgen der Klimakrise in einem deutlich stärkeren Ausmaß, als es der Globale Norden tut. Dies hat gravierende Auswirkungen auf die jeweiligen Volkswirtschaften und treibt innenpolitische Konflikte an. Häufig führt das zu einer Abwärtsentwicklung der Menschenrechte. Die Zusammenhänge, die für Menschen in Deutschland oft theoretisch scheinen, sind in diesen Ländern seit Jahren Realität.

 

Neben Auftritten als Speaker oder Gastbeiträgen findest du sehr viel auf Social Media statt. Wie können Instagram und TikTok dazu beitragen, dass die Klimakrise bekämpft wird? Welchen Beitrag leisten Initiativen wie unsere Kampagne?

Soziale Netzwerke wie Instagram oder TikTok sind zu einem festen Bestandteil im Leben der meisten jungen Menschen geworden. Ich möchte dort stattfinden, wo ich Menschen erreichen kann. Manchmal ist das eine Bühne, ab und an eine Zeitung, meistens jedoch der digitale Raum. Eine Bewegung wie Fridays For Future hätte sich ohne die Möglichkeiten dieser Plattformen niemals so schnell vernetzen können. Soziale Netzwerke können ein Gemeinschaftsgefühl erzeugen. Während des Lockdowns in der COVID-19-Pandemie waren sie die Rettung vieler politischer Bewegungen. Sie ermöglichen aber auch einen niedrigschwelligen Zugang. Es ist mit einem deutlich geringeren Aufwand verbunden, ein kurzes Video auf TikTok zu schauen, als einer Rede auf einer Demonstration zu lauschen. Über beide Wege kann die selbe Information geteilt werden. Je mehr wir in Sozialen Netzwerken über die Klimakrise berichten, desto eher wird das Thema von breiten Teilen der Gesellschaft wahr- und ernstgenommen. Die Brücke zwischen Offline- und Online-Angeboten ist 2024 für Akteure im Bereich des Klimaschutzes überwiegend zu einer Selbstverständlichkeit geworden.

Von der rechten Seite weht momentan ein Wind, der sowohl die Rechte queerer Menschen beschneiden, als auch den Klimaschutz nahezu abschaffen möchte. Wie gehst du damit um? 

Bis in die 70er Jahre war der Natur- und Umweltschutz nicht grundsätzlich progressiv. Viele der Akteure kamen aus einer rechtskonservativen und völkischen Heimatschutztradition. Auch heute gibt es «braune Ökos». Im Gegensatz zu konkreten Umweltschutzmaßnahmen sind Klimaschutzmaßnahmen häufig deutlich schwieriger zu greifen. Klima ist global und in Teilen abstrakt. Der Wunsch nach Klimagerechtigkeit ist nicht vereinbar mit völkischen Weltbildern. Deshalb lehnen breite Teile der Neuen Rechten konsequenten Klimaschutz ab und säen Zweifel am Einfluss des Menschen auf den Klimawandel. Das stellt, gerade in Anbetracht der rasanten Entwicklung der Klimakrise, eine große Gefahr dar.

Um die Bereitschaft für konsequenten Klimaschutz (93 Prozent der Europäer:innen sind der Ansicht, dass der Klimawandel ein ernstes Problem für die Welt ist) in der Bevölkerung nicht zu verlieren, müssen wir der organisierten Klimaleugnerszene den Nährboden entziehen. Gleiches gilt für die Errungenschaften queerer Menschen. Das Geheimrezept lautet hier: verständliche Wissenschaftskommunikation, Faktenchecks und die Partizipation der Bevölkerung in Klima- und Umweltschutz-Entscheidungen. 

«Hinter allen Meilensteinen des klimagerechten Wandels stehen Menschen, die sich zusammengeschlossen und nicht aufgegeben haben.»

Fabian Grischkat

Was gibt dir Hoffnung, dass wir den gesellschaftlichen Wandel hin zu einer klimagerechteren Gesellschaft noch schaffen können?

Trotz vieler Negativrekorde, wie z. B. dem Hitzerekord für das wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung, gab es 2023 auch viele positive Nachrichten für den Klimaschutz: Batterien für E-Autos werden immer günstiger, Investitionen in erneuerbare Energien erreichten weltweit einen Höchststand und bei der Hälfte aller Länder nimmt bereits jetzt schon die Förderung fossiler Energien ab. In Montana haben Jugendliche eine Klimaklage für sich entschieden und die EU-Entwaldungsverordnung wurde auf den Weg gebracht. 

Ich könnte hier noch weitere Beispiele nennen. Sie alle zeigen, dass klimagerechter Wandel möglich ist. Hinter diesen Meilensteinen stehen Menschen, die sich zusammengeschlossen und nicht aufgegeben haben. Alleine kämpft man erfolglos gegen Windmühlen, doch gemeinsam können wir in Rekordzeit einen ganzen Windpark errichten. Auch in diesem Jahr möchte meine Oma am globalen Klimastreik teilnehmen. Ihr und den künftigen Generationen sind wir es schuldig, für eine lebenswerte Zukunft zu kämpfen.

Fabian Grischkat
Foto: Markus Haner

Webinar mit Fabian Grischkat am 7. Februar

Fabian Grischkat erläutert in diesem Online-Seminar aus politischer und persönlicher Sicht, was Klimagerechtigkeit mit den Rechten für LGBTQIA+ zu tun hat – und warum dieses Thema deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient hat.

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