#KlimagerechtigkeitJetzt

Wenn Menschen im Zuge der Klimakrise unter anderem wegen ihrer Herkunft und Ethnizität diskriminiert werden, basiert dies auf rassistischen Mechanismen und Strukturen.

Was bedeutet Klimarassismus?

Wenn wir über Klimagerechtigkeit sprechen, dann gehört dazu auch die Auseinandersetzung mit dem Klimarassismus. Maßgeblich geprägt wurde der Begriff durch die Soziologen Prof. Dr. Matthias Quent, Christoph Richter und Axel Salheiser mit ihrem Buch «Klimarassismus: Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende». In diesem beschäftigen sie sich ausführlich und lesenswert mit dem Zusammenhang zwischen Klimakrise, Rassismus und rechter Politik. Demnach blockieren rechte Parteien und Netzwerke einen effektiven Klimaschutz und erschweren die sozial-ökologische Transformation.

Klimarassismus ist strukturell bedingt

Auf das Verhältnis zwischen Globalem Norden und Globalem Süden bezogen beschreibt der Klimarassismus laut den Autoren «auf struktureller Ebene die Externalisierung der ökologischen Kosten des industriellen Wohlstands des mehrheitlich weißen Westens auf Kosten mehrheitlich nicht weißer Regionen und Menschen» sowie «die ideologischen und strategischen Hintergründe der Antworten der Rechten auf die Folgen des Klimawandels und auf Forderungen nach Klimagerechtigkeit». Der Klimarassismus ist «zugleich eine Struktur und ein Mechanismus, der diese Strukturen reproduziert und legitimiert.» (S. 27)

In diesem Zusammenhang wird auch von Klimaapartheid gesprochen. Denn vor allem Weiße haben «zum Vorteil ihrer Eigeninteressen, für Macht, Profit und Privilegien Strukturen geschaffen, die Black, Indigenous und People of Color benachteiligen.» (S. 60) Das heißt jedoch nicht, dass wir alle Rassist:innen sind – wir sind aber in die beschriebenen rassistischen Strukturen verstrickt. Gelingt es uns, die Mechanismen des Klimarassismus zu verstehen und offenzulegen, können wir diese auch durchbrechen.

«Wenn Europa den Großteil des Weltterritoriums kolonisierte und noch heute sich die Ressourcen des globalen Südens zu eigen macht, mit welchem Recht können Europäer:innen darüber entscheiden, ob sie Menschen auf der Flucht vor Kriegen, Armut und Umweltkatastrophen Schutz bieten?»

María do Mar Castro Varela (2018): «Das Leiden der Anderen betrachten». Flucht, Solidarität und Postkoloniale Soziale Arbeit, in: Bröse, Johanna/Faas, Stefan/Stauber, Barbara (Hrsg.): Flucht. Herausforderungen für die soziale Arbeit, S. 13)

Historische Wurzeln liegen auch im Kolonialismus

Die globalen Ungleichheiten und damit verbunden der Klimarassismus basieren auf weit zurückliegende Entscheidungen, die ihre Wurzeln auch im Kolonialismus haben. Dieser hat eine lange Geschichte der Ausbeutung von natürlichen Ressourcen und Menschen in ehemaligen Kolonien wie in Afrika zu Gunsten der Industrien des Globalen Nordens.

Die in den kolonisierten Gebieten lebenden Menschen wurden häufig ihrer Rechte beraubt und mussten in ärmlichen Verhältnissen leben, während ihre Nachfahren heutzutage am stärksten unter den Auswirkungen der Klimakrise leiden, obwohl sie am wenigsten dazu beigetragen haben. Das heißt also, dass der Klimarassismus die Ungleichheiten und Herrschaftsverhältnisse reproduziert, die während des Kolonialismus geschaffen wurden.

Ein Teufelskreis, der durchbrochen werden muss!

Die Bildungsreferentin Nene Opoku ist im Rahmen unserer Kampagne zur Klimagerechtigkeit im Webinar Eine Einführung aus rassismuskritischer Perspektive auf unser koloniales Erbe eingegangen. Sie forderte unter anderem eine gesellschaftliche Transformation, die (neo-)koloniale, kapitalistische und sexistische (Natur-)Verhältnisse überwindet sowie nicht-westliche Kosmologien anerkennt und berücksichtigt. Dabei präsentierte sie auch weiterführende Literatur zum Thema. Außerdem sprach die Sozialwissenschaftlerin Imeh Ituen in einem Interview mit uns über Energiekolonialismus, der vor allem auch Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung beinhaltet.

Rechte Akteure befeuern Klimarassismus

Laut den Autoren des eingangs vorgestellten Buches zum Klimarassismus leugnen Rechtspopulist:innen und Rechtsextremist:innen den Klimawandel bzw. dessen dramatische Auswirkungen, um ihre eigene rassistische Agenda voranzutreiben und Minderheiten zu diskriminieren. Dabei werde eine nationalistische Politik propagiert, die auf Hass, Abschottung und Ausgrenzung basiert. Die dahinterstehenden Ideologien würden nicht nur Fortschritte beim Umwelt- und Klimaschutz bedrohen, sondern auch die liberale Demokratie und die soziale Gerechtigkeit unterminieren. Vor allem rechte Gruppen nehmen die Klimakrise als Bedrohung für die eigene Identität und Lebensweise sowie für ihre Privilegien war, der sie mit rassistischen und nationalistischen Narrativen begegnen. Damit verbunden nehmen sie insbesondere Migrant:innen und Geflüchtete ins Visier und versuchen, im Sinne ihrer Ideen mit gezielten Desinformationskampagnen und Verschwörungserzählungen die öffentliche Meinung zu beeinflussen sowie den gesellschaftlichen Diskurs zu verändern.

Dabei ist laut den Autoren zwischen zwei Strömungen zu unterscheiden: die radikale Rechte auf der einen sowie unterschiedliche Ausprägungen des Rechtslibertarismus und Neoliberalismus auf der anderen Seite. In Deutschland dominiere die rechtspopulistische Deutung und Stilisierung des Kampfes der «einfachen» Leute gegen die «korrupten Eliten». Wörtlich heißt es dazu: «Im völkischen Flügel der radikalen Rechten wird der Umweltschutz, in Teilen gar der Ökofaschismus, gegen die liberale, «verkommene» westliche Welt in Stellung gebracht.» (S. 30)

Hier kommen auch rechtsextreme Parteien wie die AfD ins Spiel, die versuchen, das Rad der Zeit zurückzudrehen: So vertritt die AfD nicht nur klimaskeptische Positionen, sondern hat auch enge Verbindungen zu Klimaleugner:innen wie dem Europäischen Institut für Klima & Energie (EIKE e.V.). Zudem fallen Funktionäre und Mitglieder der Partei immer wieder auch mit klimarassistischen Äußerungen auf, wie der thüringische AfD-Landesvorsitzende und Rechtsextremist Björn Höcke. So wurde beispielsweise 2015 ein Mitschnitt aus einer Rede von ihm veröffentlicht, in der er unter anderem gesagt haben soll: «Die Länder Afrikas, sie brauchen die deutsche Grenze, sie brauchen die europäische Grenze, um zu einer ökologisch nachhaltigen Bevölkerungspolitik zu finden.»

Die Rolle der sozialen Medien

Die sozialen Netzwerke spielen eine große Rolle bei der Verbreitung rechter Ideologie und Verschwörungsnarrative mit klimarassistischem Charakter. Sie dienen verstärkt rechtspopulistischen und -extremen Akteur:innen dazu, ein größeres Publikum zu erreichen und sich miteinander zu vernetzen. Das geht auch aus dieser Studievon Christoph Richter, Fabian Klinker und Axel Salheiser vom Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (IDZ) hervor, in der die Klimadiskurse auf Social-Media-Plattformen näher unter die Lupe genommen wurden.

Zitat: «Die Relevanz klimaskeptischer Diskurse zeigt die hohe Anschlussfähigkeit und Attraktivität zu impfkritischen, verschwörungsideologischen, corona-maßnahmenkritischen und rechtslibertären bis zu rechtsextremen Gruppen und Personen auf Messenger- und Social-Media-Diensten auf.» Im Mittelpunkt steht die Verbreitung von Verschwörungserzählungen und Desinformation, die die menschengemachte Klimakrise leugnen oder relativieren – genauso wie das damit verbundene Schicksal von Menschen aus dem Globalen Süden und die daraus entstehende Klimaflucht und Migration in Länder des Globalen Nordens. Dabei werden auch immer wieder nationale Interessen betont und internationale Klimaabkommen unter dem Vorwand abgelehnt, dass diese die Souveränität nationaler Regierungen bedrohen würden.

Zudem werden Klimaschutzmaßnahmen als Gefahr für Wohlstand und nationale Identität dargestellt. Damit verbunden wird versucht, die Klimabewegung und deren Vertreter:innen zu diskreditieren. Das geht bis zum systematischen Rufmord an Klimaforscherinnen. Summa summarum zielen die klimarassistischen Kampagnen darauf ab, die öffentliche Meinung zu beeinflussen, Ängste zu schüren und die Bemühungen für mehr Klimaschutz zu unterminieren. Wie dominant beispielsweise die AfD gegenüber anderen Parteien in sozialen Medien wie TikTok oder YouTube präsent ist, wird hier gut aufgezeigt.

«Sollen uns die Rechten eben Ökosozialismus vorwerfen, denn für Milliarden Menschen könnte eine demokratische, menschenrechtskonforme, sozial gerechte und nachhaltige Gesellschaft die Rettung sein. So kann es gelingen, den Druck für eine ökologische und soziale Wende zu erhöhen.»

Buch: «Klimarassismus: Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende», S. 243-244

Klimagerechtigkeit als Mittel gegen Klimarassismuss

In ihrem Buch fordern Matthias Quent, Christoph Richter und Axel Salheiser dazu auf, den Abwehrreaktionen privilegierter Teile der Bevölkerung gegen Gerechtigkeitsbewegungen und der damit verbundenen Gefahr eines Aufflammens des Faschismus mit globaler Solidarität und einer breiten demokratischen Bündnispolitik zu begegnen, die sich für Klimagerechtigkeit stark macht: «Dazu ist es im progressiven Lager nötig, Abgrenzungen zwischen unterschiedlichen sozialen und kulturellen Gruppen zu überwinden, die sich auch in Lebensstil, Alltagsgewohnheiten und Sprache ausdrücken.» Dazu gehöre, möglichst viele Menschen in die Debatte miteinzubeziehen, also beispielsweise auch diejenigen einzuladen, «die gern Auto fahren, nicht wissen, was der Begriff Intersektionalität bedeutet oder (noch) nicht gendern. Klimagerechtigkeit muss ein zentrales Thema der öffentlichen Bildung werden.» (S. 244)

Es geht einerseits darum, in der Bevölkerung das Bewusstsein für Klimarassismus zu schärfen und dessen zerstörerischer Wirkung durch Aufklärung und Sensibilisierung entgegenzuwirken. Zugleich bedarf es einer breiten Solidarisierung mit von Klimarassismus betroffenen Menschen und die Einbeziehung ihrer Interessen bei der Bewältigung der Klimakrise. Flankiert werden muss dies mit politischen Maßnahmen, die darauf abzielen, strukturelle Ungleichheiten und Diskriminierung verbunden mit der Klimakrise zu bekämpfen – durch die Schaffung von Klimagerechtigkeit. Dazu wollen wir auch mit unserer Kampagne beitragen!

Im folgenden Video spricht Matthias Quent über das von ihm mitveröffentlichte Buch «Klimarassismus: Der Kampf der Rechten gegen die ökologische Wende»:

Video

Bildnachweise

Titelbild:

 

Klimagerechtigkeit jetzt!

Der Kampf gegen die Klimakrise ist untrennbar mit dem Kampf für soziale Gerechtigkeit verbunden. Wir wollen gemeinsam erfahren, wie wir die Klimakrise sozial und gerecht eindämmen können. Zehn Wochen haben wir uns in einem wöchentlichen Newsletter mit unterschiedlichen Schwerpunktthemen dem Thema genähert. Alle Inhalte können Sie jederzeit nachlesen, -sehen und -hören. 

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