Klimaschutz

Klimaschutz im Kleingarten – mittels Pyrolyse können Pflanzenreste verkohlt und ihr Kohlenstoff dauerhaft im Boden gebunden werden.

Pflanzenkohle selber herstellen

Eine Flamme lodert hell in den Berliner Abendhimmel, ein paar Menschen stehen drumherum – doch was auf den ersten Blick aussieht wie ein gemütliches Lagerfeuer, ist in Wirklichkeit eine Lehrstunde, die bei den versammelten Gartenfreunden auf großes Interesse stößt. Tomas Kilousek, Bildungsreferent bei der deutschen Schreberjugend, wirft noch ein paar Scheite in die Flamme, und danach etwas Grünschnitt. Er richtet ein Infrarotmessgerät auf das Feuer und erklärt: «Jetzt herrschen da drin so 400 Grad. Das heißt: was hier verbrennt, sind die Holzgase. Darum raucht dieses Feuer auch nicht so wie das normale Lagerfeuer. Zurück bleibt die Pflanzenkohle, und die besteht zu über neunzig Prozent aus Kohlenstoff.» 

Der Verein will den Menschen mit dem Herstellen von Pflanzenkohle eine uralte Kulturtechnik wieder nahebringen. In Zeiten der Klimakrise bekommt diese eine neue Aktualität – denn in Pflanzenkohle lässt sich viel Kohlenstoff binden. Wenn pflanzliches Material verrottet, gibt es den darin enthaltenen Kohlenstoff als CO2 wieder ab, nebst anderen Treibhausgasen. Nicht so, wenn das Pflanzenmaterial pyrolysiert und in die Erde eingebracht wird – dann bleibt der Kohlenstoff über Jahrhunderte gebunden. Nicht umsonst ist Pflanzenkohle bereits hoch im Kurs, um CO2-Ausgleichszertifikate anzubieten. 

 

Zwei Hände präsentieren eine Handvoll Pflanzenkohle, im Hintergrund ein Weinberg

Mehr im Energiewende-Magazin

Pflanzenkohle könnte langfristig CO2 im Boden binden – mit positiven Effekten für die Landwirtschaft. Zertifikate sollen dabei für den Durchbruch sorgen. Ein Bericht von Sebastian Drescher.

Artikel lesen

 

So wird's gemacht

Es braucht jedoch gar keine industriellen Produktionsanlagen, um Pflanzenkohle herzustellen, sondern nur eine besondere Feuerstelle, einen Pyrolyse-Ofen. Dieser ist auch als Kon-Tiki bekannt, benannt nach einem südamerikanischen Feuergott. Das Funktionsprinzip: Anders als bei einer Feuerschale liegt das Brennmaterial in einem geschlossenen Trichter, in den kein Sauerstoff hinkommt. Die Hitze des Startfeuers lässt zuerst die enthaltene Feuchtigkeit als Wasserdampf verdunsten. Bei 100 bis 300 Grad entweichen dann die im Holz gebundenen Gase und verbrennen. Die Flamme über dem Brennmaterial verhindert, dass Sauerstoff hinkommt und das Holz zur Asche verbrennt. Darum spricht man bei der Pyrolyse auch von einer unvollständigen Verbrennung.

«Hier sieht man, dass der Ast weiß wird und Asche entsteht – das wollen wir nicht.» Der Stoß mit den Ästen ist jetzt verfeuert, Zeit zum Ablöschen. Tomas dreht den Wasserhahn auf, der über einen Gartenschlauch mit dem Kon-Tiki verbunden ist. Zischend füllt sich die Brennkammer von unten mit Wasser, das Feuer erlischt. Zurück bleibt eine handwarme Suppe, in der die verkohlten Holzstücke schwimmen. Er fischt eine Handvoll Stückchen heraus und zeigt: «Was ich hier habe, ist so rein, dass ich das theoretisch essen könnte – als Aktivkohle.» Vor allem aber handelt es sich bei der entstandenen Pflanzenkohle um ein begehrtes Produkt, das sich gerade bei Bio-Gärtner:innen immer höherer Beliebtheit erfreut.

Terra Preta – schwarzes Gold für Gartenfreunde 

Pflanzenkohle ist das Geheimnis der legendären «Terra Preta» (portugiesisch für «schwarze Erde»), die im Amazonasgebiet schon vor 500 Jahren eingesetzt wurde, um die an sich nährstoffarmen tropischen Böden bewirtschaften zu können. Während die Kohle selbst nicht unmittelbar als Dünger fungiert, hat sie durch ihre poröse Struktur physikalische Eigenschaften, die sie ideal zur Veredelung der Böden machen. Sie kann mit Nährstoffen «aufgeladen» werden – dies geschieht, wenn sie dem Kompost beigemischt wird. Empfohlen wird hier ein Verhältnis von 1:10. Vor dem Einbringen sollten die größeren Stücke mit dem Spaten etwas zerkleinert werden. Die lockere, poröse Struktur verbessert die Durchlüftung des Komposts und unterstützt somit den Komposierungsprozess. Mit ihrer großen Oberfläche bietet sie vielen Boden-Mikroorganismen, die fürs Pflanzenwachstum wichtig sind, einen Lebensraum, vergleichbar mit einem Korallenriff.

Zudem wirkt sie wie ein Schwamm. Diese Saugfähigkeit bindet Treibhausgase, die beim Verrotten entstehen und verhindert, dass Nährstoffe ausgewaschen werden. Laut einer Metastudie verringert die Beigabe von Pflanzenkohle die Stickstoffverluste um 30 Prozent und die Emissionen von Lachgas um 66 Prozent. 

Nach etwa einem Jahr wird der fertige Pflanzenkohle-Kompost dann abermals im Verhältnis 1:10 in den Boden eingearbeitet. Die in der Kohle gespeicherten Nährstoffe wirken wie ein Booster für die Pflanzen und steigern den Ertrag nachweislich. Zudem speichert sie auch Wasser und hält den Boden länger feucht.

Win-Win-Win-Situation im Kleingarten 

Wenn man einmal von Pflanzenkohle gehört hat, versteht man gut, warum die Schreberjugend dieses Wissen verbreiten will. Gerade für Kleingartenanlagen und -vereine können hier mehrere Vorteile miteinander verbunden werden: 

  • Aktiv Klimaschutz betreiben: Mit dem Herstellen von Pflanzenkohle können Sie COnicht nur vermeiden, sondern sogar aktiv aus der Atmosphäre holen. Ein Kilogramm Pflanzenkohle bindet den Kohlenstoff von bis zu drei Kilogramm CO2
  • Grünschnitt verwerten und Geld sparen: Der im Garten reichlich anfallende Gehölzschnitt wird üblicherweise in Wertstoffanlagen gebracht, wo dessen Abnahme bezahlt wird. Würde er stattdessen zu Pflanzenkohle umgewandelt, kann dieses Geld gespart werden. Und obendrein die beim Transport entstehenden Emissionen.
  • Gemeinschaft bilden: Pyrolyse-Öfen sind nicht ganz billig in der Anschaffung. Aber in einer Gemeinschaft ist dies eine sinnvolle Investition in ein gemeinsames Projekt. Die Mitglieder können so zusammenfinden, sich austauschen und gemeinsam Selbstwirksamkeit erleben.
  • Ökologisch gärtnern: Die genannten Ertragssteigerungen erfreuen nicht nur das Gärtnerherz. Auch Kunstdünger wird so überflüssig gemacht. Fortgeschrittene können sogar die beim Löschen anfallende Lauge nutzen, etwa zur Schädlingsbekämpfung.

Die im Garten anfallende Biomasse verbleibt also vor Ort und unterstützt beim neuen Pflanzenwachstum. Ein schöner Gedanke, wie Tomas Kilousek findet: «Es wird viel über Kreislaufwirtschaft gesprochen. Hier betreiben wir sie ganz konkret.»

Weiterführende Links:

 

Titelfoto/Foto des Beets: Adobe Stock