Mitstreiter:innen

Wir haben einen besonderen Film unterstützt: «Vergiss Meyn nicht» erinnert an den im Hambacher Wald verunglückten Dokumentarfilmer Steffen Meyn.

Hambi lebt

Am Anfang ist Stille. Die Kamera fängt einen Blick vom Waldboden ein, ganz langsam schwenkt sie über die Baumwipfel, die in den klaren blauen Himmel ragen. Ein Bild der Harmonie und der Ruhe. Doch die ist trügerisch. Langsam mischen sich Störgeräusche in die atmosphärische Musik, man hört aufgeregte Stimmen, Schreien, Weinen. Dann beugt sich ein Polizist ins Bild und greift nach der Linse. 

Große Fragen

Diese Bilder sind die letzten, die die 360º-Helmkamera von Steffen Meyn eingefangen hat – und die ersten im Film «Vergiss Meyn nicht». Im September 2018 kam der 27-jährige Filmstudent bei der Räumung des Hambacher Forsts ums Leben, als er von einer Hängebrücke abstürzte. Steffen Meyn war nicht in erster Linie Aktivist, vielmehr verstand er sich als Dokumentarfilmer und wollte das Leben im besetzten Wald abbilden. Dafür nahm er am Alltag der Besetzer:innen teil, schlief in Baumhäusern und führte Interviews. Seine Freunde Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl und Jens Mühlhoff haben sich seines Materials angenommen. Nach mehreren Jahren Arbeit kommt nun «Vergiss Meyn nicht» in die Kinos.

«Steffens Tod war ein Tod in aller Öffentlichkeit. Viele Menschen haben sich danach um die Deutungshoheit gestritten,» erklärt Co-Regisseurin Fragale im Gespräch mit den EWS. Ihr Anliegen sei es gewesen, ihre eigene Perspektive einzubringen, und natürlich – der Titel verrät es – die Erinnerung an ihren Freund und Kommilitonen hochzuhalten. 

Der Film wirft große Fragen auf – nach der Verhältnismäßigkeit von Protestmitteln, der Legitimation von Gewalt, nach roten Linien, aber auch nach unserem Zusammenleben allgemein. Einfache Antworten bietet er nicht.

Utopie im Wald

Sein Blick bleibt ganz nah an den Aktivisti im Hambacher Forst: Neben dem Material, das Steffen Meyn zwischen 2017 und 2018 in den Camps im Hambi gedreht hat, zeigt er Interviews mit ehemaligen Besetzer:innen, die ihre Zeit im Hambi reflektieren. Auf Interviews mit Polizeikräften, die bei der Räumung dabei waren, hat das Regie-Team beispielsweise bewusst verzichtet, wie Regisseurin Fabiana Fragale bei der Premiere in Berlin erklärt. «Wir wollten keinen Antagonisten gegenüberstellen, diese Herangehensweise haben bereits andere Dokus über den Hambi verfolgt. Der Gegner ist in unserem Film gewissermaßen der Zuschauer selbst, der sich mit vielen Fragen konfrontiert sieht. Etwa: Wie hätte ich gehandelt? Wo sind für mich die roten Linien? Wo liegen meine Sympathien?»

Mit seinem fokussierten Blick auf die Aktiven vermittelt er eine Innenperspektive in aktivistische Gruppen, wie man sie sonst selten zu sehen bekommt. Natürlich werdem auch im Film nur kurze Ausschnitte eingefangen, und natürlich hat auch Steffen Meyn durch sein Filmen die Situation beeinflusst. Aber im Zusammenspiel mit den Interviewsequenzen kommt das Publikum dem Leben im Hambi sehr nah. Wut, Hoffnung, Euphorie, Resignation – in «Vergiss Meyn nicht» werden die Erfahrungen der Aktivisti förmlich greifbar. Und er zeigt eine andere Art des Zusammenlebens, eine Art gelebte Utopie. 

Eine Bewegung, viele Ansätze

Über gemeinsame Kontakte kam eine Verbindung zwischen dem Verleiher W-Filme und den EWS zustande. Überzeugt von diesem einzigartigen filmischen Material stiegen die EWS als Unterstützer ein. Energiereferentin Eva Stegen erklärte bei der Premiere in Freiburg, warum: «Die Klimaschutzbewegung ist wie ein bunter Blumenstrauß. Es gibt viele Arten von Hebeln, um die verkrusteten Strukturen der Energiewirtschaft aufzubrechen. Wir von den EWS machen das nach den Spielregeln des Marktes. Die Bilder aus dem Hambacher Wald zeigen quasi das andere Ende des Spektrums. Und dazwischen ist ganz viel Platz, für jeden von uns.»

«Vergiss Meyn nicht» ist eine eindrucksvolle Kinoerfahrung geworden, die Stoff für viele angeregte Diskussionen bietet. So viel kann man nach den Premierevorführungen auf jeden Fall festhalten, denn egal ob in Berlin, Köln, Hamburg oder Freiburg – überall entsponnen sich nach den Vorführungen tiefgründige Gespräche mit dem Filmteam.

Die Geschichte der Waldbesetzung im Hambi ist es wert, erzählt zu werden und im Gedächtnis zu bleiben. Darum haben wir diesen Film auch gerne unterstützt und wünschen dem sympathischen Regie-Trio viele Zuschauer.

Kinotermine auf www.wfilm.de 

Mehr im Energiewende-Magazin

Im Energiewende-Magazin lesen Sie ein ausführliches Interview mit Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl und Jens Mühlhoff über die Entstehung des Films und die Intention des Regie-Trios.

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Eigene Filmvorführung organisieren?

Wenn kein Kino in eurer Nähe den Film zeigt, besteht für Gruppen, Organisationen und Vereine die Möglichkeit, selbst eine Vorführung zu organisieren. Der Verleiher W-Film unterstützt euch bei der Kontaktaufnahme zu einem Kino in eurer Stadt und bei der Organisation. Dabei entstehen euch keine Kosten. Die Gäste kaufen ihre Tickets regulär über das Kino. Bis April 2024 müssen die Vorstellungen in einem Kino stattfinden. Danach kann der Film auch in anderen Räumlichkeiten präsentiert werden. Die Vorführung lässt sich gut mit Vorträgen, einem Diskussionspanel oder Expert:innen-Gespräch ergänzen – über Klimagerechtigkeit, Aktivismus, Naturschutz, Energiewende und mit vielen weiteren Fragen. 

Ansprechpartner: Malte Laibacher / dispo@wfilm.de /  +49 221 2221991 

Titelfoto: Regisseur:innen Kilian Kuhlendahl, Fabiana Fragale und Jens Mühlhoff, Foto: Juliane Guder