#WirSparenDas

Der Suffizienz-Gedanke gewinnt gesellschaftlich und politisch immer mehr an Bedeutung. Erfahrt hier, was es mit dem Begriff auf sich hat!

Suffizienz: Weniger ist mehr!

Als ein erster gedanklicher Schritt in Richtung Suffizienz kann der 1972 vom «Club of Rome» herausgegebene Bericht«Grenzen des Wachstums» angesehen werden, der auf den Ergebnissen eines Forschungsprojekts des Ökonomen Dennis Meadows und der Umweltwissenschaftlerin Donella Meadows basiert. Darin wurden die begrenzten Ressourcen unseres Planeten besonders hervorgehoben.

Doch was ist überhaupt mit Suffizienz gemeint? Auf eine allgemeine Formel gebracht steht Suffizienz für «das richtige Maß». Der Begriff thematisiert, welche persönlichen, sozialen und politischen Bedingungen einer Orientierung an maßvollem Verbrauch im Weg stehen und wie sich diese Hemmnisse überwinden lassen. Dahinter steckt auch eine gewisse Haltung zum Leben und zum Konsum, die derzeit nicht als selbstverständlich angesehen wird, aber auch eine Bereicherung sein kann. Dafür braucht es das reflektierte Bewusstsein, dass ein «Weniger» auch ein «Mehr» bedeuten kann – dies mündet im besten Fall in Verhaltensänderungen. 

Die Bereitschaft, Gewohnheiten zu verändern, kann zu unverhofften Erkenntnissen führen: Mit gezielten Veränderungen der Maßnahmen ist ein Wandel möglich, der den Horizont erweitert. Die Bereitschaft zur Verhaltensänderung benötigt auch die Einsicht, dass echter Wandel bei jedem Einzelnen und nicht nur «im Außen» (zum Beispiel in der Politik) zu verankern ist.

Auf politischer Ebene sind Suffizienz-Inhalte weniger beliebt, da die konkreten Maßnahmen als mit Widerständen behaftet eingeschätzt werden, wenn u. a. konsumkritische Inhalte transportiert und politische Ziele wie ein massives Wirtschaftswachstum hinterfragt werden.

Zu den Kernelementen der Suffizienz gehören Entschleunigung, Entflechtung (= regionalere Strukturen), Entrümpelung (= Ballast abwerfen) und eine stark begrenzte Kommerzialisierung. Dabei erstreckt sich diese auf verschiedene Themenbereiche:

  • Ressourcensuffizienz
    Verzicht auf oder Reduktion von bestimmte(n) Materialien bei der Produktion und Vermeidung von Abfällen.
     
  • Energiesuffizienz
    Darunter wird vor allem die nachhaltige Begrenzung des Energiebedarfs verstanden. Strategien und Instrumente zur Erreichung dieses Zieles sind nicht zuletzt auf der systemischen oder kulturellen Ebene zu finden, je nach Perspektive aber auch auf der technischen Ebene.
     
  • Mobilitätsbereich
    Suffizienz ist hier häufig als Verkehrsvermeidung und als Schaffung der «Stadt der kurzen Wege» zu verstehen.
     

Die Entwicklung des Begriffes der Suffizienz

Verbunden mit dem historischen Aufkommen des Begriffes der Suffizienz erscheint für etliche Akteure auf diesem Gebiet das Buch «Small is beautiful»von Ernst Friedrich Schumacher am bedeutungsvollsten. Wolfgang Sachs, der im deutschsprachigen Raum 1993 erstmals den Begriff der Suffizienz einbrachte, definierte diesen wie folgt:

«Einer naturverträglichen Gesellschaft kann man in der Tat nur auf zwei Beinen näherkommen: durch eine intelligente Rationalisierung der Mittel wie durch eine kluge Beschränkung der Ziele. Mit anderen Worten: die 'Effizienzrevolution' bleibt richtungsblind, wenn sie nicht von einer 'Suffizienzrevolution' begleitet wird.»

(Aus: Die vier E's: Merkposten für einen
maßvollen Wirtschaftsstil. In: Politische
Ökologie. Nr. 33, 1993, S. 69–72.)

Den Begriff der Suffizienz mit konkreten Inhalten bzw. Maßnahmen zu füllen, galt in den neunziger Jahren als Herausforderung. Im deutschsprachigen Raum wurde die Debatte nicht zuletzt durch die vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und Misereor beim Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH beauftragte Studie «Zukunftsfähiges Deutschland» (1996; siehe hier, hier und hier) intensiv weitergeführt: Darin wurde der Begriff Suffizienz als eine der Säulen für ein zukunftsfähiges Deutschland angesprochen. Großthemen wie «globale Gerechtigkeit» und «ökologischer Wandel» wurden thematisch zusammengeführt.

Außerdem wurde auch versucht, den Begriff Suffizienz in Richtung «Business-Case» (= Suffizienzstrategie als richtungssichere Ressourcenstrategie) umzumodeln. Siehe dazu die Veröffentlichung von Manfred Linz: „Suffizienz als politische Praxis“ (2015).

Zu Beginn des 21. Jahrhunderts kam schließlich die sogenannte Degrowth- bzw. Postwachstumsbewegung auf, die neue Formen des Wirtschaftens in den Fokus nahm. Das Ziel: eine sozial-ökologische Transformation der Produktions- und Lebensweise zum Wohle aller. Die Vertreter:innen dieser Bewegung verbinden Suffizienz verstärkt mit Wachstumskritik und versuchen, Suffizienz vom Verzichtsstigma zu lösen, halten aber «grünes Wachstum» bzw. «qualitatives Wachstum» für nicht zielführend.

Die Überflussgesellschaft wird als prägendes gesellschaftliches Element angesehen. Dazu hat der Oekom-Verlag hier empfehlenswerte Buchtitelveröffentlicht.

Konkrete Maßnahmenvorschläge und Kampagnen

Sehr aktiv beim Eintreten für mehr Suffizienz ist die «Deutsche Umweltstiftung» (DUS). So hat diese beispielsweise im Jahr 2019 die Kampagne #KAUFNIXgestartet. Diese richtet sich gegen das Mantra des Wirtschaftswachstums und will beispielhaftes Engagement sowie konkrete Tipps für individuelle Handlungsmöglichkeiten gegen unbedachten Konsum aufzeigen. Vor kurzem wurde ein lesenswertes Interview mit Prof. Dr. Ingo Hammzum Thema Konsum und Glück veröffentlicht. Dieser hält die Selbstwirksamkeitserfahrung für sehr essenziell.

Ebenfalls von der DUS stammt der bundesweite Schulwettbewerb „Einfach machen – Die Suffizienzdetektive“. Schüler:innen der Klassen 5-10 sollen sich dabei mit dem Thema Suffizienz beschäftigen und eine Verbindung zu ihrem Alltag herstellen. Dazu entwickeln diese im Klassenverband eigene Ideen und präsentieren diese per Video.

Im Jahr 2020 hat das Umweltbundesamt einen Abschlussbericht veröffentlicht, welche Potenziale neben der Effizienzsteigerung oder dem Ausbau der erneuerbaren Energien bei Maßnahmen mit Verhaltensänderungen liegen. Das Ergebnis: Suffizienzmaßnahmen leisten einen wichtigen Beitrag zur absoluten Reduktion des Energieverbrauchs und zum Erreichen der Klimaschutzziele. Diese müssten aber systematischer als bis dato in die Energiepolitik integriert werden, um ihr volles Potenzial ausschöpfen zu können.

Dagegen geht es in einer wissenschaftlichen Veröffentlichungaus dem Jahr 2021 um konkrete Maßnahmen wie beispielsweise «low energy demand» (LED). Aus Sicht der Autor:innen ist eine Änderung der Gewohnheiten von zentraler Bedeutung (z.B. weniger Fleischkonsum). Diese benötige politische Unterstützung. Im Kern gehe es nicht um Verbote, sondern um die «Ermöglichung des guten Lebens». Die Autor:innen schlagen unter anderem Verlagerungsmaßnahmen vor, die einerseits für den Verkehr hinsichtlich einer Verlagerung auf das Gehen, Radfahren und die gemeinsame Nutzung von Mobilitätsangeboten und andererseits für die Ernährung bezüglich einer Umstellung auf eine flexitarische, vegetarische oder vegane Ernährungsweise von besonderer Relevanz seien. Diese Optionen würden physische Infrastrukturen und Wahlmöglichkeiten erfordern, die kohlenstoffarme Entscheidungen unterstützen, wie zum Beispiel sichere und bequeme Verkehrskorridore und wünschenswerte und erschwingliche fleischfreie Menüoptionen. Dazu gehöre, dass die Endverbraucher:innen diese Entscheidungen treffen, sowohl individuell als auch gesellschaftlich.

Im Zuge des verbrecherischen russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine ist zudem das Thema «Energiesuffizienz» verstärkt in den Fokus gerückt. So haben sich 75 Wissenschaftler:innen und Vertreter:innen der Zivilgesellschaft unter der Koordination von Corinna Fischer vom Öko-Institut zusammengeschlossen und die mögliche Rolle der Energiesuffizienz in einem Argumentationspapierbeleuchtet. Die Autor:innen zeigen auf, welche zentralen Ansätze in den Bereichen Verkehr, Wärme(-versorgung), öffentliche Gebäude, Industrie, Landwirtschaft und Digitalisierung zur Verfügung stehen und welche potenziellen Vorteile sie mit sich bringen, auch jenseits der Energieeinsparung.

Sie argumentieren, dass viele Energiesuffizienz-Maßnahmen, wie das Tempolimit, die Reduktion nächtlicher Beleuchtung oder die leichte Absenkung der Raumtemperatur in Gebäuden keine oder nur sehr geringe Investitionen und kaum infrastrukturelle Voraussetzungen erfordern. Diese ließen sich sofort und kostengünstig umsetzen. Als positive Nebeneffekte sehen sie, dass z. B. das Fahrradfahren oder das Essen von mehr pflanzlichen Produkten gesund seien und weniger und langsamer Auto fahren die Verkehrssicherheit fördere.

Und ganz frisch ist eine Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung(IÖW) unter dem Titel „Mit Suffizienz zur Energiewende“. Diese hinterfragt, wie Energiegenossenschaften Suffizienz in Haushalten fördern können - also genau das, was wir als Energiegenossenschaft gerade mit unserer #WirSparenDas-Kampagne tun! Im Fazit der Studie heißt es unter anderem, dass Energiegenossenschaften als partizipative und gemeinwohlorientierte Akteure prädestiniert für den gemeinschaftlichen Einsatz für umweltfreundliche Energieversorgung, Klimaschutz und einen lebenswerten Planeten sind.

Praktische Tipps bezüglich Suffizienz im Alltag hat die BUNDjugend hier formuliert. Und Frauke Wiese, Leiterin der Nachwuchsforschungsgruppe «Energie-Suffizienz» an der Europa-Universität Flensburg, hat in diesem lesenswerten Greenpeace-Interviewzum «Earth Overshoot Day» gute Empfehlungen für unser Konsumverhalten gegeben.

EWS als Projektpartner bei Energiesuffizienz-Projekt

Unter der Leitung von Dr. Benjamin Best vom Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie gGmbH wird derzeit das Projekt «Die Rolle von Energie-Suffizienz in Energiewende und Gesellschaft» umgesetzt, bei dem die EWS als Praxispartner aktiv sind. Auf der Projekt-Website werden wissenschaftliche Forschungsergebnisse zum Thema veröffentlicht.

Dr. Benjamin Best hält das Energiesparen für das Gebot der Stunde, um uns unabhängig von russischen Energieträgern zu machen. Zudem unterstreicht er:

«Es gibt viele suffizienzpolitische Maßnahmen, die die Lebensqualität für viele Menschen steigern können. Eine autoarme Innenstadt ist sicherer und kann viele vorzeitige Todesfälle aufgrund von Unfallvermeidung und Schadstoffbelastungen verhindern. Ein erleichterter Umzug in gemeinschaftliches Wohnen kann, insbesondere für ältere Menschen, das Gefühl von Einsamkeit reduzieren.»

Dr. Benjamin Best

Er fordert, dass sich unsere Produktions- und Konsumlogiken radikal ändern müssen - hin zu haltbar, langlebig, reparierbar. Es brauche Rahmenbedingungen, die eine absolute Reduktion der Energienachfrage ermöglichen. Die klimafreundliche und ressourcenschonende Verhaltensweise müsse die attraktivere sein. In diesem Sinne: Weniger ist mehr!

Studien und Veröffentlichungen

 

#WirSparenDas

Lassen Sie uns gemeinsam Energie sparen, das Klima schützen – und Solidarität leben! Wir können der aktuellen Energiekrise – und auch künftigen – nur dann aus dem Weg gehen, wenn wir den Verbrauch fossiler Energien so schnell wie möglich reduzieren und gemeinsam, wo immer es geht, Energie einsparen. Wir wollen das mit Ihnen gemeinsam angehen!

Die Kampagne ist beendet.
Vielen Dank an alle Teilnehmenden!

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