Reaktorkatastrophe von Fukushima
Energiepolitik

Fünf ehemalige japanische Premierminister richten einen starken Appell an die EU-Kommission: Atomkraft gefährdet die Zukunft!

«Atomkraft kann ein Land ruinieren»

In einem offenen Brief haben sich die ehemaligen japanischen Premiers Junichiro Koizumi, Morihiro Hosokawa, Naoto Kan, Yukio Hatoyama und Tomiichi Murayama an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gewandt und mit eindringlichen Worten davor gewarnt, Atomkraft als «nachhaltige Energieversorgung» in die EU-Taxonomie aufzunehmen. Als ehemalige Regierungschefs einer Nation, die lange Zeit stark auf Atomkraft gesetzt hat und von mehreren historischen Atomkatastrophen betroffen war, hat ihr Wort ein besonderes Gewicht und sollte deutlich stärker Gehör finden, als es das bislang getan hat.

Wir dokumentieren den Brief im Wortlaut.

Hier finden Sie das englischsprachige Original.
Deutsche Übersetzung von Dr. Eva Stegen.

Offener Brief an Frau Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission

Eine dekarbonisierte und atomkraftfreie Gesellschaft ist möglich

Schließen Sie Atomkraft aus der EU-Taxonomie aus

Als ehemalige Premierminister Japans waren wir schockiert, als wir erfuhren, dass die Europäische Kommission plant, die Atomenergie in die EU-Taxonomie aufzunehmen, welche die Investitionen in Projekte zur Bekämpfung des Klimawandels und andere nachhaltige Projekte erleichtern soll. Nach den Ereignissen in Three Mile Island in den USA und in Tschernobyl in der ehemaligen Sowjetunion hat die Katastrophe im TEPCO-Atomkraftwerk von Fukushima Daiichi zu einem hohen Preis bewiesen, dass die Atomkraft nicht «sicher» ist. Darüber hinaus ist das, was wir in den letzten zehn Jahren in Fukushima erlebt haben, eine unbeschreibliche Tragödie und eine Verseuchung von noch nie dagewesenem Ausmaß. Hunderttausende von Menschen waren gezwungen, ihre Häuser zu verlassen, und riesige landwirtschaftliche Flächen wurden verseucht. Noch immer wird radioaktives Wasser erzeugt, das die Speicherkapazität bei weitem übersteigt, viele Kinder leiden an Schilddrüsenkrebs, und große Teile der Ressourcen und des Wohlstands des Landes sind verloren gegangen. Wir möchten nicht, dass die europäischen Länder denselben Fehler begehen.

Die Förderung der Atomkraft kann ein Land ruinieren. Ebenso wie eine Politik, die den Klimawandel ignoriert, bedroht die Förderung der Atomenergie das Überleben und die Existenz künftiger Generationen. Die Nachwirkungen der Katastrophe im TEPCO-Atomkraftwerk Fukushima Daiichi haben verschiedene Untersuchungen und Studien sowie Expertenmeinungen innerhalb und außerhalb Japans deutlich gemacht, dass die Atomkraft weder sicher, noch sauber, noch wirtschaftlich ist. Wir sind davon überzeugt, dass der einzige Weg zu einer wirklich nachhaltigen Welt darin besteht, erneuerbare Energien zu fördern, die es unseren Gesellschaften ermöglichen, gleichzeitig von der Atomenergie wegzukommen und den CO₂-Ausstoß zu verringern.

«Sollte die EU Investitionen in die Atomkraft unterstützen, stünde dies im Widerspruch zum Wesen des europäischen Green Deals.»

Offener Brief an die EU-Kommisssion

Die Aufnahme der Atomkraft in die EU-Taxonomie würde bedeuten, der Welt zu vermitteln, dass die Atomkraft zur Schaffung einer «nachhaltigen Gesellschaft» beiträgt, während in Wirklichkeit die unvermeidlichen radioaktiven Abfälle und das unvermeidliche Risiko schwerer Unfälle das Überleben der globalen Umwelt und der menschlichen Spezies insgesamt bedrohen. Sollte die EU Investitionen in die Atomkraft unterstützen, stünde dies im Widerspruch zum Wesen des europäischen Green Deals, für den geworben wird, und würde ein gewaltiges und unumkehrbares Erbe für die Zukunft der EU und der Welt hinterlassen.

Nach Beginn der Katastrophe im TEPCO-Kernkraftwerk Fukushima Daiichi war die Entscheidung der deutschen Regierung Merkel, aus der Atomkraft auszusteigen, bemerkenswert. Wir begrüßen diese Entscheidung. Wir hoffen aufrichtig, dass die europäischen Staats- und Regierungschefs erneut eine mutige Entscheidung treffen werden, um eine nachhaltige Zukunft für die Menschheit zu schaffen.

Lassen Sie uns noch einmal betonen, dass eine dekarbonisierte Welt ohne Atomkraft möglich ist.

Der 87., 88. und 89. Premierminister von Japan Junichiro Koizumi
Der 79. Premierminister von Japan Morihiro Hosokawa
Der 94. Premierminister von Japan Naoto Kan
Der 93. Premierminister von Japan Yukio Hatoyama
Der 81. Premierminister von Japan Tomiichi Murayama

Japan und die EWS

Die EWS pflegen schon seit Langem einen regen Austausch mit der Anti-Atom-Szene auf der ganzen Welt. Durch die Reaktorkatastrophe von Fukushima wurde die Verbindung nach Japan noch einmal gestärkt. 2014 wurden drei japanische Aktivist:innen als erste nichteuropäische Preisträger:innen mit dem Preis des Schönauer Stromrebellen geehrt. 

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