Reisegruppe auf Brücke
Veranstaltung

Reizvolle Umgebung und viele gute Ideen: Die erste taz-Reise nach Südbaden machte die Energiewende greifbar – klar, dass sie auch durch Schönau führen musste.

Energiewende vor Ort erleben

Die taz-Reisen, ein Angebot der Berliner tageszeitung, die in Kooperation mit ihren Korrespondent:innen vor Ort themenspezifische Bildungsreisen anbietet, führten im Mai erstmalig in den Schwarzwald. Fachjournalist Bernward Janzing führte in die Energie-geladene Geschichte der Region ein. Er erklärte, warum es folgerichtig war, dass sich aus dem Widerstand gegen das AKW Wyhl und weiteren Nuklear- und Großindustrie-Projekten eine positive Kraft entwickeln konnte: Eine Bewegung für etwas Anderes, für die Erneuerbaren Energien. Der Wunsch nach energetischer Selbstbestimmung brachte in unterschiedlichen Energiesektoren bemerkenswerte Projekte hervor, deren Strahlkraft über die Region hinausreicht.
 

Freiburg Vauban: Wenig Auto, viel Solarstrom

Auf dem Freiburger Gelände einer ehemaligen Kaserne setzten sich Bürger:innen für sozioökologisches Bauen und sanfte Mobilität ein und machten ihren Stadtteil Vauban zum Vorzeigequartier. Die Gäste erlebten, wie kreativ gestaltete Gärten vor Reihenhäusern reihenweise aus der Reihe tanzen. Und wie Kinder – ohne die ständige Bedrohung durch Autos – furchtlos durch ihren Kiez stromern. Wer anfing, nach Solaranlagen Ausschau zu halten, fand sich bald in einem begehbaren Balkonsolar-Wimmelbild wieder.

Die Gebäude des Freiburger Öko-Architekten Rolf Disch inspirierten ebenso wie das berühmteste «Plus-Energie-Haus» Freiburgs, das Rathaus im Stühlinger, ein Neubau mit höchsten Umwelt- und Energiestandards. Im Genossenschaftlichen Restaurant Adelhaus gab‘s nicht nur Leckeres aus der Region, auch über die Institution des Bürgerklimarats wurde angeregt und lebhaft diskutiert.

Bei der «Biogas-Oma»

In Freiamt bekamen die Gäste einen nachhaltigen Eindruck davon, wie politische Farbenlehre auf regionaler Ebene buchstäblich verblasst und sich eine eigene Dynamik, hin zu mehr als 100 Prozent erneuerbaren Stromquellen entwickeln kann – wenn sich nur die richtigen Persönlichkeiten als Akteure und Fürsprecher:innen guter Projekte hervortun. Investoren und andere Heuschrecken beißen sich in so einem Umfeld nur die Zähne aus.

Ein besonderes Highlight in Freiamt war die Besichtigung einer Biogasanlage. Inge Reinbold, die sich mit den Worten vorstellte: «Ich bin hier am Hof die Oma», beeindruckte durch hochkompetente technische und ökonomische Ausführungen und durch ihr feuriges Temperament. Die BSE-Krise, der Sohn mit Elektriker-Ausbildung, der Zusammenhalt in der Familie und die wohlgesonnene Nachbarschaft mit Wärmebedarf waren einige der Ingredienzien, die das gute Nährsubstrat für eine ausbaufähige Biogasanlage bildeten.

Die olfaktorische Krönung ist, dass der Gärvorgang üble Gerüche aus der Gülle entfernt. Mit der eigenen Nase konnten sich die taz-Reisenden davon überzeugen, dass die vergorene, dünne Gülle, die auf die umliegenden Felder ausgebracht wird, deutlich besser riecht als direkt ausgebrachte Gülle. Deren Odeur machte früher einen weiteren Waschgang für die frisch aufgehängte Wäsche nötig und führte jede Waschmaschinen-Spartaste ad absurdum. Ein weiterer Grund zur Freude für die Nachbarn.

Im Biomarkt Waage in Emmendingen erlebten die Gäste mit allen Sinnen den guten Geschmack Südbadens. Der Pioniergeist von Menschen, die sich schon in den 1980er Jahren auf den Weg gemacht hatten, mit Saisonalem und Regionalem die heimische Wertschöpfungskette aufzubauen, bringt gute Früchte hervor – kulinarisch, ökonomisch und ökologisch.

Dem Schönauer Gefühl auf der Spur

Weiter ging die Tour in den Südschwarzwald, nach Schönau, wo sich infolge der Katastrophe von Tschernobyl eine Elterninitiative auf den Weg gemacht hat, die Energiewirtschaft aufzumischen – mit unübersehbarem Erfolg. Fragten damals noch die Großkopferten der Branche: «Wo soll das hinführen, wenn aus Atomkraftgegnern plötzlich Stromversoger werden?», so liefern die Elektrizitätswerke Schönau heute die selbstbewusste Antwort: zu einem der erfolgreichsten Ökoenergieversorger des Landes.

Vorstand Sebastian Sladek plauderte beim Abendessen aus dem Nähkästchen – schließlich hat er seine Kindheit und Jugend am Epizentrum der Energierevolution verbracht, am großen runden Tisch im Elternhaus, an dem Ideen ausgeheckt, Schlachtpläne geschmiedet und Erfolge gefeiert wurden.

Beim Zug um die Häuser in Schönau, zu den Original-Schauplätzen des «Schönauer Gefühls» konnten die Gäste ein Gespür dafür entwickeln, was es bedeutet, wenn eine kleine Stadt buchstäblich unter Strom steht, weil um die Zukunft der Energieversorgung gerungen wird. Eva Stegen gab Hintergrundinformationen und einige amüsante Anekdoten zum Besten.

Wind und Wasser

Beim Ausflug zum EWS-Windpark auf dem Rohrenkopf galt es, Vorurteile zu überWINDen. Was hat es auf sich mit all den schrecklichen Dingen, die – glaubt man der Panikmache organisierter Windkraftgegner – durch Windräder ausgelöst werden? Erträgt man den Lärm nur mit Ohrenschützern oder sind angenehme Gespräche in Zimmerlautstärke die Regel? Taumelt man krampfgebeugt und vom Infraschall geschunden aus dem Windpark oder sind Verbrenner-PKW und Motorräder ein wesentlich größeres Problem, nicht nur im gesamten Schallspektrum? Beim Kaffeekränzchen mit Windrad-View probierten sich die Gäste verzückt quer durch die Köstlichkeiten, die der Gersbacher Mühlenwirt zu bieten hat.

Die Wasserkraft war Thema bei einer Wanderung entlang des Flüsschens Wiese. Die traditionelle Bürstenherstellung im Wiesental geht auf die Potenziale der Wasserkraft zurück. Eines der Wasserkraftwerke am Weg konnten die Gäste von innen besichtigen. Betreiber Herbert Kaiser, ein umtriebiger Ex-Lehrer im Unruhestand, berichtete von seinen Scharmützeln mit diversen Genehmigungsbehörden, von Amtsschimmel, Behörden-Willkür und bauernschlauer Gegenwehr, die mitunter überraschende Erfolge hervorbrachte.

Wiederholung im Oktober

Die Resonanz der taz-Reisenden war erfreulich offen und nahezu durchgehend positiv. Es gab wertvolle Anregungen und so sind alle Beteiligten überzeugt: Beider nächsten taz-Reise nach Schönau/Freiburg im Oktober wird’s mindestens genauso schön.