Eingefärbtes Foto des deutschen Bundestags
Veranstaltung

«Hallo Bundestag, wir müssen reden!» Beim Tag der Klimademokratie stellten sich Bundestagsabgeordnete den Fragen der Bürger:innen.

So war's beim Tag der Klimademokratie

Demokratie heißt: miteinander im Gespräch sein. In Zeiten, in denen die politische Debatte mehr und mehr zu Grabenkämpfen auf dem Schlachtfeld der sozialen Medien verkommt, ist es wichtig, immer wieder daran zu erinnern, dass Politik über das Suchen von Gemeinsamkeiten funktioniert und nicht über die Pflege von Feindbildern.

Auch die EWS konnten nur entstehen, weil eine Bürgerinitiative hartnäckig für ihre Idee geworben hat und schlussendlich zwei Mal in demokratischen Abstimmungen bestätigt wurde – der Rest ist Geschichte. Von daher war es für uns eine Herzensangelegenheit, diese fundamentaldemokratische Initiative zu unterstützen. 

Lobbyismus für alle

Die Idee des Tags der Klimademokratie: Menschen aus ganz Deutschland halten Videokonferenzen mit gewählten Abgeordneten des Bundestags ab und adressieren ihre Forderungen, Wünsche, Sorgen, Hoffnungen und Anregungen im direkten Gespräch. Denn anders als es oft an den echten und virtuellen Stammtischen der Republik geäußert wird, haben die Volksvertreter:innen in aller Regel durchaus ein Interesse zum direkten Draht zur Bevölkerung.

Ein engagiertes Aktionsbündnis von German Zero, der Bürgerlobby Klimaschutz und Together For Future hatte monatelang mit den Abgeordneten aller demokratischen Fraktionen im Deutschen Bundestag Termine organisiert. Am Ende fanden sich 54 MdB, die sich die Zeit für eine oder auch mehrere Stunden nahmen, so dass Interessierte aus 67 Gesprächsterminen wählen konnten.

Was ist der Plan für fossilfrei und fair?

Nach einem sehr erfolgreichen ersten Durchgang 2023 war für das Organisationsteam klar, dass es sich lohnt, dieses Veranstaltungsformat zu wiederholen. Der Tag der Klimademokratie 2024 stand unter dem Motto «Was ist der Plan für #FossilfreiUndFair?» Damit wurde herausgestellt, dass Klimaschutz nur über soziale Gerechtigkeit zu erreichen ist und darum zusammengehört – was auch wir ja in diesem Jahr schon ausgiebig behandelt haben.

Die Schirmherrschaft hatten Katrin Göring-Eckardt(Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages) und TV-Arzt Eckart von Hirschhausen inne, der in seinem Eröffnungsstatement die Möglichkeit hervorhob, mit bürgerschaftlichem Lobbying einen besonders wirksamen Hebel für Klimaschutz in der Hand zu haben.

«Der Jutebeutel wird die Welt nicht retten. Aber jute Politik.»

Eckart von Hirschhausen, Stiftung «Gesunde Erde – Gesunde Menschen»

Nach dem Eröffnungsteil ging es dann in die Gespräche. Damit alle Interessierten ihre Frage stellen konnten, war die Zahl der Teilnehmenden auf 15 beschränkt. Jede Sitzung wurde von einer ehrenamtlichen Kraft aus dem Organisationsteam moderiert. 

Ein Blick auf die Terminliste zeigt, dass vor allem Abgeordnete der SPD und von Bündnis 90/Die Grünen sich Zeit genommen hatten. Die Termine der Unionsabgeordneten waren weniger zahlreich, dafür als erstes ausgebucht. Für die FDP ließen sich in diesem Jahr leider keine Vertreter:innen finden, diese waren durch den parallel stattfindenden Parteitag verhindert. 

Spiegelbild der pluralen Gesellschaft

Ich habe selbst drei Gespräche mitgemacht, mit Abgeordneten von SPD, CDU und Bündnis 90/Die Grünen, und habe drei sehr unterschiedliche Runden erlebt. Von energiepolitischen Fachfragen bis hin zur Grundsatzdiskussion über Kapitalismus und Degrowth war eine große Bandbreite an Anliegen vertreten. Was jedoch alle Gespräche einte: ein freundlicher, sachlicher und wertschätzender Ton, der trotz allem Frust bezüglich des Vorankommens im Klimaschutz stets gewahrt wurde. Im Gegenzug gaben die Abgeordneten Einblicke in die politische Entscheidungsfindung, in die Zusammenarbeit der Koalition, in den Unterschied zwischen Maximalforderung und Kompromisslösung. 

Besonders spannend fand ich den Austausch mit dem CDU-Abgeordneten Thomas Heilmann, der durch seinen Eilantrag beim Bundesverfassungsgericht gegen die Änderung des Klimaschutzgesetzes erneut viel mediales Aufsehen erregt hat, nachdem er bereits im Sommer 2023 gegen das Heizungsgesetz der Ampel gerichtlich vorgegangen war. In die entsprechend hoch nachgefragte Runde schaltete sich auch der Schauspieler und Umweltaktivist Hannes Jaenicke. Heilmann, Mitbegründer des parteinahen Vereins Klimaunion, präsentierte sich als überzeugter Mitstreiter für Klimaschutz, der nur andere Lösungen sinnvoller findet als die jetzige Regierung. Bei einigen Fragen musste er aber zugeben, dass er in Sachen Klimaambitionen oder politischem Umgangston nicht die Mehrheit der Partei vertritt. «Dann müssen Sie alle in die CDU eintreten und mich unterstützen», warb er.

Was bleibt? 

So unterschiedlich wie die Vorstellung der Teilnehmenden fallen wohl auch die Resümees des Tages aus. Viele lobten die konstruktive Gesprächsatmosphäre und den offenen Austausch. Auch die Bundestagsabgeordneten selbst freuten sich über die guten Fragen von überdurchschnittlich informierten und engagierten Bürger:innen. Sie boten teilweise sogar an, den Austausch fortzuführen.

Andere Teilnehmer:innen zeigten sich hingegen enttäuscht zu sehen, dass sich die Politik nur im selbstgesteckten Rahmen bewegen kann oder will und klimapolitische Fortschritte darum nicht in dem Tempo geschehen, das angesichts der Klimakrise eigentlich nötig wäre.

«Zu glauben, dass man genau mit dem System, das zu dieser unfassbar menschenverachtenden Situation geführt hat, das Problem auch wieder lösen könne, ist Realitätsverweigerung. Es macht mir Mut, mich in den zivilen Ungehorsam zu begeben, zu dem ich keine Alternative mehr sehe,» so das Fazit eines Teilnehmers.

Die da oben?

Mein Fazit zum Tag der Klimademokratie: Das Klischee von «denen da oben, die doch nur machen, was sie wollen», sich bereichern und das gemeine Volk ausbeuten – das ist einfach Denkfaulheit. Wer selbst einmal mit Bundestagsabgeordneten ins Gespräch gekommen ist, wird es nicht mehr vertreten können. Die meisten Volksvertreter:innen sehen sich als genau das, und darum suchen sie das Gespräch. Es gibt Wahlkreisbüros, es gibt E-Mail-Adressen, es gibt Sprechstunden. Es gibt für uns Bürger:innen die Möglichkeit, unsere Forderungen zu äußern, darum sollten wir das tun, und zwar nicht nur an einem Tag im Jahr. Oder wie Dilara Evci von der Bürgerlobby Klimaschutz es ausdrückt: 

«Jede Minute, die sich ein Abgeordneter für uns nimmt, ist eine, in der er nicht mit fossilen Lobbyisten spricht.»

Der Tag der Klimademokratie war ein Erfolg, den wir als EWS gerne fördern. Wenn Sie dieses wichtige Projekt auch finanziell unterstützen wollen, dann spenden Sie jetzt hier etwas oder im Shop "Klimademokratie unterstützen". Vielen Dank!