Die Regionalwert AG und die EWS sind in ganz unterschiedlichen Branchen, der Landwirtschaft und der Energiewirtschaft, tätig – beide aber mit vergleichbaren Ansätzen: Aus lokalen Initiativen entstanden, suchen die Unternehmen nach Wegen, die Wirtschaft auf regionaler Ebene solidarisch zu gestalten.
Jetzt haben die Regionalwert AG und die EWS Elektrizitätswerke Schönau eG eine Kooperation vereinbart, um im ersten Schritt die in der Regionalwert AG zusammengeschlossenen Betriebe, Unternehmen und Personen mit nachhaltig erzeugter Energie zu versorgen. Weitere Formen der Zusammenarbeit, etwa die Erzeugung von Ökostrom in landwirtschaftlichen Betrieben, könnten bald schon folgen.
Mit Lars Kundt, der die Geschäftsstelle der Regionalwert Freiburg-Südbaden leitet, und Regionalwert AG-Vorstand Peter Jürges sprachen wir über Inhalte und Ziele der Partnerschaft und über Chancen und Herausforderungen, die sich der regionalen ökologischen Landwirtschaft in einem globalisierten Lebensmittelmarkt bieten und stellen.
Interview
Im Namen des Unternehmens – Regionalwert AG – stecken eine Idee und ein Konzept. Warum regional, warum Wert und vor allem: Warum Aktiengesellschaft?
Peter Jürges: Als Regionalwert 2006 als Bürgeraktiengesellschaft gegründet wurde, war sicherlich auch eine Portion Provokation und der Wunsch nach Irritation im Spiel. Denn Christian Hiß, der Initiator und Gründer der Regionalwert AG, wollte und will damit ja gerade die Strukturen durchbrechen, für die Aktiengesellschaften und die Börse stehen: ein Handel von Lebensmitteln und anderen Waren auf unsichtbaren Märkten durch anonymisierte Händler. Mit der Idee der Regionalwert AG hat Christian Hiß ein Angebot für Bürger:innen geschaffen, in Form eines Aktienkaufs aktiv Verantwortung für ihre Region und die Lebensmittelversorgung vor Ort zu übernehmen – also eigentlich das Gegenteil dessen, was im Allgemeinen von Aktiengesellschaften erwartet wird.
Lars Kundt: Wir schaffen Werte für die Region. Das Prinzip ist, dass unsere Aktionär:innen mit ihrem Kapitaleinsatz eine Verbindung zwischen Stadt und Land schaffen – und damit auch zwischen Konsument:innen und Erzeuger:innen. Für viele Menschen in der Stadt ist die Landwirtschaft ja weit weg. Im Supermarkt oder im Restaurant ist nur noch das fertige Produkt erkennbar. Über die Art und Weise der Erzeugung, über Aufwand und Ertrag erfahren wir nichts. Das ändern wir mit der Regionalwert AG.
Ein Unternehmen also als Netzwerk?
Kundt: Mehr als das. Wir verstehen die Regionalwert AG Freiburg-Südbaden zwar als Angebot an alle, aktiv zu werden und Verantwortung für die Region zu übernehmen und damit das bestehende Netzwerk zu erweitern. Dazu rechnen wir jedoch auch Forschungsprojekte, mit denen wir die ökologisch-soziale Landwirtschaft voranbringen wollen.
Beispielsweise geht es darum, wie die bisher nicht honorierten Leistungen der biologischen, aber auch der gesamten Landwirtschaft wie Artenschutz, Trinkwasserschutz, Klimaschutz oder Bodenschutz mit einem Wert bemessen werden können. Wir setzen uns also dafür ein, dass Landwirtinnen und Landwirte für ihre Mehr-Arbeit für Mensch und Natur entlohnt werden, damit die nicht-industrielle Landwirtschaft eine Zukunft haben kann.
Jürges: Es geht dabei darum, die ökologischen, sozialen und regionalökonomischen Leistungen von Unternehmen zu messen und zu bewerten. Die Forschungsergebnisse haben nicht zuletzt zur Gründung einer eigenen Regionalwert Leistungen GmbH geführt, in der eine Regionalwert-Leistungsrechnung entwickelt wurde, mit der landwirtschaftliche Betriebe die Leistungen für unser Gemeinwohl berechnen können. Der Bezug von Strom aus regionalen regenerativen Quellen eines Betriebes wird übrigens auch anhand von Kennzahlen in der Leistungsrechnung erfasst und bewertet.
Und diese Leistungen sollen künftig auch vergütet werden. Ist das realistisch?
Jürges: Eine Vergütung auf Basis von Nachhaltigkeitsleistungen ist möglich. Das konnten wir in Pilotprojekten mit Verarbeitungsfirmen und Kommunen zeigen. Nun kommt es darauf an, dass ein solches Prinzip auch politisch umgesetzt wird. Wir fordern daher, dass es bei der Vergabe von öffentlichen Mitteln berücksichtigt wird, indem die Nachhaltigkeitsleistungen als Regionalwert-Prämie bezahlt werden.
Ökologisches und nachhaltiges Wirtschaften verbindet die Regionalwert AG und die EWS. Wie sieht die künftige Kooperation aus?
Jürges: Zunächst geht es ganz konkret darum, dass die EWS den etwa hundert kleinen und größeren Unternehmen, die Mitglied der Regionalwert AG sind, Ökostrom zu eigens auf die Betriebe zugeschnittenen Tarifen anbieten. Das können dynamische Tarife für Unternehmen mit hohem Energiebedarf sein, die vielleicht noch eigene PV-Anlagen auf dem Dach haben. Oder es können individuelle Angebote für Kleinbetriebe sein, die kaum mehr Strom verbrauchen als ein Privathaushalt.
Kundt: Wir sehen aber noch weit mehr Anknüpfungspunkte. Landwirtschaft und Energiewirtschaft sind nicht mehr wie früher zwei eher getrennte Wirtschaftszweige, mit den erneuerbaren Energien bietet sich eine enge Verknüpfung bei der Erzeugung von klassischen landwirtschaftlichen Produkten und von Ökostrom an. Das begann ja schon vor Jahren mit den Photovoltaikanlagen auf Hof- und Scheunendächern. Inzwischen ist auch die Agri-PV, also die Produktion von Energie und landwirtschaftlichen Produkten auf ein und demselben Feld, deutlich auf dem Vormarsch.
«Die EWS und die Regionalwert AG haben dieselben Ziele, sie arbeiten für regionale Versorgungssicherheit. Wir wollen jedenfalls im Gespräch bleiben und weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit entdecken.»
Einen ersten Schritt dahin haben die EWS dabei gerade getan: In unserem Solarpark in Fröhnd grasen nicht nur Schafe, sondern produzieren Bienen auch noch Solarpark-Honig. Der Imker hat gerade die ersten Gläser abgefüllt. Stellen Sie sich so die Kooperation von Energie- und Landwirtschaft vor?
Jürges: Als erster Schritt ist das schon nicht schlecht. Für eine extensivere Flächennutzung, wie sie ja auch in der biologischen Landwirtschaft nicht unüblich ist, bieten sich Solar- und Windparks sicherlich an. Umgekehrt könnten auch die EWS vielleicht den Platz nutzen, den ihnen landwirtschaftliche Betriebe zur Verfügung stellen – für die Energieerzeugung oder für Energiespeicher. Beide Unternehmen, die EWS und die Regionalwert AG, haben dieselben Ziele: Sie arbeiten für regionale Versorgungssicherheit. Wir wollen jedenfalls im Gespräch bleiben und weitere Möglichkeiten der Zusammenarbeit entdecken.