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Schönau, den 11.12.2014

Titisee-Neustadt ruft Bundesverfassungsgericht an

Rechte von Gemeinden werden bei Stromnetzvergaben beschnitten

Die EWS begrüßen die Beschwerde der Stadt Titisee-Neustadt beim Bundesverfassungsgericht. Die Kommunalverfassungs­beschwerde hat das Ziel, Gemeinden bei der Vergabe von Strom- und Wassernetzen in die Lage zu versetzen, von ihrem Recht, die Angele­genheiten der örtlichen Gemeinschaft selbst zu regeln, wieder Gebrauch machen zu können.

Der Hintergrund

Bis 2010 konnten die demokratisch gewählten Gemeinderäte über Konzessionsvergaben frei entscheiden; heute wird durch eine Verordnung des Bundeskartellamts dieses verfassungsrechtliche gemeindliche Fundamentalrecht außer Kraft gesetzt.

Die Stadt Titisee-Neustadt ist davon unmittelbar betroffen. Die Gemeinde hatte im Vorfeld der Neuvergabe der Stromnetz-Konzession die Energieversorgung Titisee-Neustadt (evtn) gegründet, an der die EWS mit 30 % und die lokale Bürgergenossenschaft PRO VITA mit 10 % beteiligt sind. Die evtn gewann 2011 das Konzessionsverfahren und hat – nach dem Kauf der Versorgungsanlagen vom Altkonzessionär – am 01.05.2012 den Netzbetrieb und die Versorgung der Gemeinde aufgenommen. Das Bundeskartellamt leitete aber im gleichen Jahr ein Verfahren gegen die Konzessionsvergabe ein, weil die Kriterien «zu kommunalfreundlich» gewesen seien. Das Kartellamt will so die Gemeinde zur Rückabwicklung des Stromnetzkaufs und zu einem neuen Vergabeverfahren zwingen – was weitreichende wirtschaftliche Folgen für die Gemeinde und ihre Bürgerinnen und Bürger hat.

Auswahlkriterien bevorzugen Energiekonzerne

Dabei beruft sich das Bundeskartellamt auf seinen eigenen Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gasnetzkonzessionen. «Dieser Leitfaden», so Dr. Michael Sladek, Vorstand der Netzkauf EWS eG, «ist am Gesetzgeber vorbei entstanden und gibt Auswahlkriterien vor, die den Altkonzessionär – und damit meistens die großen vier Energiekonzerne – klar bevorzugen. So dürfen Kriterien wie Bürgerbeteiligung, Bürgernähe, ökologische Energieversorgung, Schaffung von Arbeitsplätzen oder regionale Wertschöpfung bei der Konzessionsvergabe nicht berücksichtigt werden, obgleich gerade diese für die Gemeinde von zentraler Bedeutung sind. In der Vergabepraxis ist durch dieses ‹kartellrechtliche Regime› jede echte Rekommunalisierung verhindert worden, weil die Altkonzessionäre, sprich Konzerne, weiter beteiligt sind und faktisch das Sagen haben! Das zeigen alle Konzessionsvergaben der letzten zwei Jahre in Deutschland.»

Die Kommunalverfassungsbeschwerde der Stadt Titisee-Neustadt soll nun prüfen, ob behördliche Verfügungen, die am Gesetzgeber vorbei entstanden sind, grundgesetzlich verbriefte Rechte der Gemeinden faktisch außer Kraft setzen können. 

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