Direkt zum Inhalt der Seite springen
Schönau, den 18.02.2016

Kommunalfreundlicher Entwurf zur Konzessionsneuvergabe

Gemeinsame Vorstellung mit dem Bürgermeister von Titisee-Neustadt

Bei einer Pressekonferenz stellten Dr. Michael Sladek von den EWS und der Bürgermeister der Stadt Titisee-Neustadt gemeinsam eine Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft zur Neufassung der §§ 46 ff. des Energiewirtschaftsgesetzes über die Vergabe von Netzkonzessionen sowie einen «kommunalfreundlichen Entwurf» zur Neufassung vor.

Grund für die Neufassung des Energiewirtschaftsgesetzes

Andreas Graf, Armin Hinterseh, Prof. Dr. Dominik Kupfer und Dr. Michael Sladek
V.l.n.r.: Andreas Graf (Geschäftsführer evtn), Armin Hinterseh (Bürgermeister Titisee-Neustadt), Prof. Dr. Dominik Kupfer (W2K) und Dr. Michael Sladek (EWS Schönau)

Bei der Neuvergabe von Konzessionen für Strom- und Gasnetze durch die Kommunen ist es aufgrund von Rechtsunsicherheiten praktisch zum Stillstand gekommen. Während über Jahrzehnte alleine die gewählten Vertreter der Kommunen über die Konzessionsvergaben entschieden hatten, verschärften Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt im Jahr 2010 – nach einer Rekommunalisierungswelle in den vorangegangenen Jahren – durch ihren «Leitfaden zur Vergabe von Strom- und Gasnetzkonzessionen» die Vorschriften für den Wettbewerb. Dies mit dem Ergebnis, dass es für die Kommunen praktisch unmöglich geworden ist, einen Konzessionswechsel gegen den Willen des bisherigen Netzbetreibers herbeizuführen, ohne vor einem Gericht zu landen. Mit der Begründung, einen diskriminierungsfreien Wettbewerb zu gewährleisten, wurde von Bundesnetzagentur und Bundeskartellamt am Parlament vorbei ein «kartellrechtliches Regime» geschaffen, das die jeweiligen Altkonzessionäre in den Kommunen bevorzugt und eine abweichende Konzessionsneuvergabe praktisch unmöglich macht. Zur Behebung dieser Missstände wurde im Koalitionsvertrag der die Bundesregierung tragenden Parteien festgeschrieben, durch eine Neufassung der §§ 46 ff. des Energiewirtschaftsgesetzes Rechtssicherheit zu schaffen. Zu diesem Zweck wurde im Dezember 2015 ein Referentenentwurf des Bundeswirtschafts-Ministeriums vorgelegt, der diese Forderung erfüllen soll.

Kritik am Referentenentwurf und neuer «kommunalfreundlicher Entwurf»

In seiner Stellungnahme zu diesem Referentenentwurf stellte Rechtsanwalt Prof. Dr. Dominik Kupfer fest: «Unbeschadet der Auswertung weiterer – durchaus positiv zu bewertender – Ansätze der Novellierung steht damit im Ergebnis bereits fest, dass der Entwurf zu kurz greift und das im Koalitionsvertrag gesetzte Ziel, Rechtssicherheit zu schaffen, klar und sicher verfehlt.» Vielmehr werde das durch das «kartellrechtliche Regime» verursachte Richterrecht fortgeschrieben und damit die gemeindliche Selbstverwaltung in dieser Frage weiter beschnitten.
 
Über die Kritik am vorliegenden Referentenentwurf hinaus legte Dr. Michael Sladek einen eigenen „kommunalfreundlichen Entwurf zur Neufassung der §§ 46 ff. EnWG“ vor. «Dieser neue Entwurf bestätigt die Rechtsanwendung, wie sie bis etwa 2010 gang und gäbe war, passt das Recht der Konzessionsvergabe an das neue Vergaberecht sowie an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes an», erläuterte Dr. Sladek bei der Präsentation.

Die Kernpunkte des «kommunalfreundlichen Entwurfs»

Die Kernpunkte des «kommunalfreundlichen Entwurfs» fasste Dr. Michael Sladek wie folgt zusammen. 

Spätestens alle 20 Jahre hat jede Gemeinde zu prüfen, wie der Betrieb ihres örtlichen Strom- und Gasversorgungsnetzes künftig ausgestaltet sein soll. Die Gemeinde hat zu entscheiden, ob 

  • sie den Netzbetrieb in die eigenen Hände nimmt,
  • ein Kooperationsunternehmen mit einem strategischen Partner-EVU gründen und konzessionieren möchte oder
  • ob sie ein drittes EVU mit dem Netzbetrieb betraut.

Diese Entscheidung hat die Gemeinde auch dann alle 20 Jahre zu treffen, wenn sie den Netzbetrieb selbst durchführt (Pflicht zur Reflexion und politischen Diskussion).

Entscheidet sich eine Gemeinde, den Netzbetrieb selbst durchzuführen, so hat sie diese Entscheidung und die maßgeblichen Gründe hierfür öffentlich bekannt zu machen. Die Gemeinde ist aber nicht verpflichtet, zuvor einen Wettbewerb um das Netz nach kartellrechtlich determinierten Kriterien durchzuführen. Es genügt eine rational begründete Entscheidung der Gemeinde nach vorheriger Bekanntmachung und Durchführung eines Interessensbekundungsverfahrens. Die Gemeinde hat das Recht zur direkten Erledigung des örtlichen Netzbetriebs.

Entscheidet sich die Gemeinde, gemeinsam mit einem oder mehreren Partner-EVU eine kommunale Beteiligungsgesellschaft zu gründen, so genügt es, wenn die Gemeinde die gesellschaftsrechtliche Beteiligung an der zu gründenden Gesellschaft ausschreibt. Die Konzession muss dann nicht gesondert ausgeschrieben werden. Dies entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs.

Entscheidet sich die Gemeinde, ein drittes EVU mit dem Netzbetrieb zu betrauen, schreibt sie die Konzession aus. Maßgeblich für die Ausschreibung sind – unter Beachtung weniger spezialgesetzlicher Regelungen im künftigen EnWG – die Vorgaben des neuen Vergaberechts (4. Teil des GWB und Konzessionsvergabeverordnung). Hierdurch kann auf ein ausgefeiltes und europarechtskonformes Rechtssystem zurückgegriffen werden.

Kommunalverfassungsbeschwerde der EWS Schönau

Möglich wurde dieser Gesetzesvorschlag erst durch das Engagement der EWS Schönau in der Energieversorgung Titisee-Neustadt (evtn). In dieser Kooperation hatte sich Dr. Sladek bei der Vorbereitung der in Karlsruhe anhängigen Kommunalverfassungsbeschwerde der Stadt intensiv mit diesen schwierigen Fragen auseinandergesetzt.

«Im Augenblick erfahren wir zwar vielfältige ideelle Unterstützung bei unserer Stellungnahme zum Referentenentwurf und zum ‹kommunalfreundlichen Entwurf›, in der Sache stehen aber EWS Schönau und die Stadt Titisee-Neustadt alleine da», bestätigte Dr. Michael Sladek. «Da derzeit viele deutsche Städte und Kommunen vor der aktuellen Frage stehen, wie sie sich bei einer anstehenden Neuvergabe ihrer Strom- oder Gasnetzkonzession verhalten sollen, ohne vor Gericht zu landen, erhoffen wir uns eine breite Unterstützung bei unserem Versuch, das kartellrechtliche Regime abzuschaffen und die Vergaberichtlinien für Energienetze wieder auf rechtssichere Füße zu stellen», betonte Dr. Michael Sladek bei der Pressekonferenz.

Der jetzt vorgelegte Entwurf sei zwar entstanden aus der intensiven Beschäftigung mit der grundsätzlichen Problematik, wie sie im Fall der Energieversorgung Titisee-Neustadt sichtbar geworden sei, aber er leiste einen konstruktiven Beitrag zur Lösung eines bundesweit bestehenden Problems, das zahlreiche Städte und Kommunen in ihrer Handlungsfähigkeit einschränke und sie hindere, für ihre Bürger eine verantwortliche Lösung der Energieversorgung der Zukunft zu verwirklichen, stellte Dr. Sladek klar. «Unsere Kommunalverfassungsbeschwerde sowie der ‹kommunalfreundliche Entwurf› sind Maßnahmen von verantwortungsbewussten Bürgern, die sich im Förderverein für umweltfreundliche Stromverteilung und Energieerzeugung e.V. (FuSS) in Schönau zusammengeschlossen haben, und die eine Verbesserung für alle Städte und Kommunen und somit für alle Bürger erreichen wollen», führte Dr. Michael Sladek aus.

Die «Stellungnahme zum Referentenentwurf» und den «kommunalfreundlichen Entwurf» zur Neufassung finden Sie unten stehend.

Dokumente zu dieser Pressemeldung

Kommunalfreundlicher Entwurf zur Neufassung der §§ 46 ff. EnWG

W2K Rechtsanwälte, Freiburg und Stuttgart

Vorgelegt von den Rechtsanwälten Prof. Dr. Dominik Kupfer und Dr. Holger Weiß.

Stellungnahme zum Referentenentwurf des BMWi

W2K Rechtsanwälte, Freiburg und Stuttgart

Vorgelegt von den Rechtsanwälten Prof. Dr. Dominik Kupfer und Dr. Holger Weiß.

Pressekontakt