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Aus Altpapier wird Biogas

Ein Bericht von Petra Völzing

Die EWS beziehen das Biogas für ihre Kunden von einer Papierfabrik. Gewonnen wird das Gas aus organischen Stoffen, die beim Papierrecycling anfallen.

Wer die Papierfabrik des Unternehmens Palm in Wörth ganz erkunden will, muss schon einige Kilometer zurücklegen. Das Fabrikgelände direkt am Rhein ist riesig. Auf dem Areal befindet sich neben der Anlage zur Papierherstellung ein Wellpappenwerk, in dem das frisch produzierte Wellpappenrohpapier direkt weiterverarbeitet wird. Daneben gibt es noch ein werkeigenes Kraftwerk, Anlagen für die Prozesswasseraufbereitung – und die Reaktoren, in denen Biogas gewonnen wird.

Eine Maschine so groß wie ein Wohnblock

Das Herz der Industrieanlage ist die Papiermaschine. Mit über 300 Meter Länge und 15 Metern Höhe hat sie die Ausmaße eines stattlichen Wohnblocks und füllt eine riesige, klinisch reine Halle. Dazu kommt ein Altpapierlager, in dem riesige Mengen Altpapier in verschiedenen Qualitäten Platz finden. Laster um Laster bringen fortwährend Nachschub, denn die Papierproduktion läuft sieben Tage die Woche rund um die Uhr. Die Maschine produziert über zehn Meter breite Papierbahnen. Die riesigen Rollen werden über ein vollständig automatisiertes Papierlager an die Kunden ausgeliefert.

Zur Papierherstellung wird ausschließlich Altpapier verwendet, das zunächst von allen Fremdstoffen wie beispielsweise Kunststoffe und Büroklammern gereinigt wird. Das geschieht in mehreren Schritten mithilfe von Drucksortierern und Zentrifugalschleudern, die das unterschiedliche Gewicht von Faser und Fremdstoffen zur Trennung der Materialien nutzen. Am Ende bleibt nur noch die reine Papierfaser übrig. Diese wird mit Wasser zu einer pumpfähigen Stoffsuspension aufbereitet und dann an der Papiermaschine mit Hilfe von zusätzlichem Wasser zwischen zwei umlaufende Siebe gepumpt. Zuletzt wird das Papier gepresst und getrocknet.

 

In einer riesigen Lagerhalle lagern Ballen von gespresstem Altpapier.
Rund um die Uhr wird in der Lagerhalle Altpapier angeliefert. Foto: Bernd Schumacher
In einem großen Betonbehältern lagern Papierschnipsel.
Für die Wiederverwertung wird der Recyclingrohstoff zerkleinert. Foto: Bernd Schumacher
Zwei Männer in gelben Warnwesten vor einer riesigen Industrieanlage.
Die Papiermaschine füllt eine große Fabrikhalle. Vorne im Bild Philipp Erdmann von Palm (links) mit EWS-Vorstand Alexander Sladek Foto: Bernd Schumacher
Eine Maschine mit große Walzen.
Der aus dem Recyclingpapier gewonnene, aufbereitete Papierbrei wird auf breite Bänder aufgesprüht. Foto: Bernd Schumacher
Walzanlage
Die Rohwellpappe durchläuft die Maschine und wird in mehreren Prozessschritten getrocknet. Foto: Bernd Schumacher
Große Papprollen von oben fotografiert.
Auf riesigen Rollen wird das fertige Wellpappenrohpapier gelagert. Foto: Bernd Schumacher

Aus Stärke wird Biogas

In diesem letzten Press- und Trockenschritt wird Prozesswasser abgeschieden, das zum größten Teil in einem geschlossenen Kreislauf zur Papierherstellung wiederverwendet wird. Ein geringer Volumenanteil des Prozesswassers wird ausgeschleust und der Produktionswasserreinigungsanlage zugeführt.

Beim Auspressen und Trocknen gelangt in der Papiermaschine die sogenannte «organische Fracht» in das Prozesswasser. Diese besteht im Wesentlichen aus gelösten Stärken und leicht abbaubaren organischen Säuren, wie beispielsweise Essig- und Milchsäure. Aus dieser organischen Fracht entsteht in den über 20 Meter hohen Reaktoren durch anaerobe, also sauerstofffreie Vergärung in einem mehrstufigen Prozess im geschlossenen Kreislauf hochwertiges Rohbiogas, das bereits einen hohen Methananteil aufweist. «So werden circa 83 Prozent der organischen Fracht abgebaut», erklärt Werksleiter Jürgen Kosse.

Das Rohbiogas wird im Anschluss zu Erdgasqualität aufbereitet und an einer Übergabestation direkt hinter dem Fabrikgelände in das öffentliche Erdgasnetz eingespeist. Die Papierfabrik Palm produziert auf diese Weise rund 50 Gigawattstunden Biogas pro Jahr.

Biogas: effizient und klimaneutral

Biogas ist ein effizienter und klimaneutraler Energieträger, denn es wird aus organischen Substanzen gewonnen, die zuvor CO2 aus der Luft an sich gebunden haben. Das ist bei Erdgas auch der Fall, dieses hat sich allerdings über Millionen von Jahren unter der Erde angesammelt und bringt durch das massenhafte Verbrennen in kurzer Zeit den CO2-Haushalt der Atmosphäre immer mehr aus dem Gleichgewicht.

Das Biogas aus Recyclingprozessen hat darüber hinaus noch weitere Vorteile: «Wir haben uns für das Biogas der Papierfabrik Palm entschieden, weil für die Produktion weder Ackerflächen für den Anbau von Energiepflanzen in umweltschädlichen Monokulturen verbraucht werden noch Stoffe aus der Massentierhaltung Verwendung finden», sagt EWS-Vorstand Alexander Sladek. Die EWS legen Wert darauf, dass die Produktentscheidungen auch in der Konsequenz im besten Sinne nachhaltig und ökologisch sind.

Im Vordergrund ein begrüntes Dach, im Hintergrund zwei große Tanks.
In den Reaktoren wird das Rohbiogas gewonnen. Foto: Bernd Schumacher
Die umzäunte Anlage mit verschiedenen Gastanks und Rohren.
Hier wird das Rohgas aufbereitet, sodass es direkt in das öffentliche Erdgasnetz eingespeist werden kann. Foto: Bernd Schumacher
Weites Gelände, rechts die Fabrikhallen, links das Kraftwerk mit 2 großen Schornsteinen.
Auf dem weitläufigen Gelände befindet sich neben der Fabrik auch das betriebseigene Kraftwerk. Foto: Bernd Schumacher

Ressourcenschonende Papierherstellung

Die Papierherstellung ist ein energieintensiver Prozess, deshalb haben Fragen der Energiebeschaffung und die Steigerung der Energieeffizienz bei Palm einen hohen Stellenwert. Die Biogasherstellung ist nur ein Schritt innerhalb des Produktionsprozesses, in dem gleichzeitig das Prozesswasser aufbereitet wird. Das für die Papierherstellung benötigte Wasser stammt zum allergrößten Teil aus einem geschlossenen Wasserkreislauf mit integrierter Wasseraufbereitung. Nur ein geringer Teil Frischwasser muss zugeführt werden.

Philipp Erdmann ist in der Palm-Gruppe für alle Fragen der Energiewirtschaft zuständig. «Die Steigerung der Energieeffizienz», so Erdmann, «spielt für uns als energieintensives Unternehmen eine entscheidende Rolle». Palm betreibt an allen fünf Papierfabrikstandorten auch eigene Kraftwerke nach dem Prinzip der Kraft-Wärme-Kopplung. Hier werden die für den Produktionsprozess benötigten Strom- und Dampfmengen nach dem neuesten Stand der Technik so effizient als möglich produziert. Das Kraftwerk in Wörth am Rhein zum Beispiel besteht aus einer großen Gasturbine, einem Reststoffkessel und einer Dampfturbine.

Aus Reststoffen entsteht Wärme und Strom

Für die Wärmegewinnung werden zudem die Reststoffe aus der Produktion in einem Reststoffkessel thermisch verwertet. Parallel dazu ist auch eine Dampfturbine im Einsatz. Rund 100 Megawatt der insgesamt 280 Megawatt Feuerungswärmeleistung stammen derzeit aus den Reststoffen, Tendenz steigend. «Wir erreichen mit unserem Kraftwerk insgesamt einen Nutzungsgrad von 88 Prozent», sagt Philipp Erdmann, «zudem arbeiten wir fortwährend daran, unsere Anlagen und die Prozesse weiterzuentwickeln.» Dafür wird natürlich nicht nur das Kraftwerk in den Blick genommen, sondern es werden alle Prozessschritte kontinuierlich auf Verbesserungsmöglichkeiten hinterfragt. Angedacht ist in dieser Hinsicht auch ein Dampfspeicher, um die Flexibilität in der Produktion weiter zu verbessern.

Auch das Lastmanagement gehört zu Erdmanns Verantwortungsbereich. «Wir reduzieren Lastspitzen gezielt und tragen damit auch zur Stabilität des öffentlichen Netzes bei», sagt er. Lastspitzen reduziert das Unternehmen, indem die Prozesse so organisiert sind, dass der Strombedarf für die Produktion möglichst gleichmäßig über die Zeit verteilt wird.

Mit der neuen Biogasanlage wird Palm dem eigenen Anspruch, ressourcenschonend und nach neuesten Erkenntnissen zu produzieren, nun auf eindrucksvolle Weise gerecht.

 

LKW-Einfahrt zur Fabrik

Papierfabrik Palm

Das Unternehmen Palm mit Hauptsitz im schwäbischen Aalen wurde 1872 von Adolf Palm gegründet und ist bis heute in Familienbesitz. Palm betreibt in Europa fünf Papierfabriken, 26 Wellpappenwerke und zwei Recyclingunternehmen und beschäftigt insgesamt 4.000 Mitarbeiter, davon 400 am Standort in Wörth. Dort werden pro Jahr rund 650.000 Tonnen Wellpappenrohpapier produziert, das in ganz Europa gefragt ist.

06. November 2018 | Energiewende-Magazin