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Nachhaltig telefonieren

Die WEtell-Gründer und EWS-Vorstand Alexander Sladek im Gespräch mit Petra Völzing

Das Freiburger Startup «WEtell» will den Mobilfunkmarkt mit einem Angebot erobern, das den Klimaschutz voranbringt. Die EWS unterstützen das Vorhaben als Kooperationspartner.

Die WEtell-Gründer Alma Spribille, Nico Tucher und Andreas Schmucker wollen den Mobilfunkmarkt in Deutschland verändern. 100 Prozent Erneuerbare Energien, so wenige Nutzerdaten speichern wie möglich, und dem Kunden in allen Bereichen fair und transparent gegenübertreten – ein Mobilfunkunternehmen mit dieser Ausrichtung gibt es bisher nicht. Unterstützung erhalten sie vom Freiburger Gründungszentrum «Grünhof», in dem sich die EWS als Unternehmenspartner engagieren.

Derzeit sind die Jungunternehmer noch in der Solarbranche beschäftigt, aber Anfang 2019 wollen sie mit ihrer Geschäftsidee für ein nachhaltiges Mobilfunkangebot den Sprung in den deutschen Markt wagen. Wichtig ist den dreien, mit ihrem unternehmerischen Handeln den gesellschaftlichen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit wirksam zu befördern. Am 15. Februar startet auf der Plattform «Startnext» eine Crowdfunding-Kampagne. Das Ziel: 1.000 Kundinnen und Kunden gewinnen.

 

Eine Frau im grünen Pullover und grünen Schal, im Aschnitt unscharf zwei ihr zuhörende Männer
Alma Spribille Foto: Bernd Schumacher

 

Frage an die WEtell-Gründer: Sie sind alle drei erfolgreich im Ausbau der Solarenergie unterwegs. Warum nun ihr Engagement in der wenig nachhaltigen Mobilfunkbranche?

Alma Spribille: Das hat sicherlich auch eine idealistische Komponente. Unsere Grundfrage lautet: Wie können wir dazu beitragen, Nachhaltigkeit in der Gesellschaft zu etablieren? In der Mobilfunkbranche gibt es sehr viel Handlungsbedarf, und wir sind bereit, ein geschäftliches Risiko einzugehen, wenn es die Chance gibt, etwas für die Nachhaltigkeit in der Gesellschaft zu erreichen.

Für so eine Aufgabe muss man sehr gut zusammenarbeiten können.

Nico Tucher: Wir kennen uns schon länger und haben uns gemeinsam am Fraunhofer- Institut für Solare Energiesysteme und bei den Ingenieuren ohne Grenzen in der Entwicklungszusammenarbeit engagiert. Das hat sehr gut funktioniert. Jetzt geht es uns darum, in einer neuen Branche, dem Mobilfunk, den notwendigen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit zu befördern und mit gemeinwohlorientiertem unternehmerischem Handeln auch im Wirtschaftsleben etwas zu verändern.

Wie sind Sie auf den Mobilfunk gekommen?

Ein Mann mit Brille schaut nach links, im Hintergrund ist unscharf die Frau mit dem grünen Pullover zu sehen.
Nico Tucher Foto: Bernd Schumacher

Nico Tucher: Wir wollten eine Geschäftsidee entwickeln, die sich auch wirklich trägt. Dafür braucht man eine Marktlücke. Nachhaltige Dienstleistungen gibt es mittlerweile in vielen Branchen, zum Beispiel Posteo als E-Mail-Provider, die GLS als ethische Bank oder die EWS als Ökostromanbieter. Ein Angebot für nachhaltigen Mobilfunk gibt es bislang nicht. Klimaschutz ist für die großen Mobilfunkanbieter kaum ein Thema, was eigentlich erstaunlich ist. Der Markt ist riesig – und entsprechend viel können wir hier potenziell bewegen.

Wie funktioniert denn das von Ihnen angebotene «Grünfunken»?

Alma Spribille: 40 Prozent des Stromverbrauchs für die Handynutzung entfällt auf die Herstellung des Endgeräts und das Laden. Für letzteres kann man Ökostrom nehmen, klar. Der größere Teil, 60 Prozent, wird durch die Nutzung der Infrastruktur des Funknetzbetreibers, das sind unter anderem die Funkmasten und die Server, verbraucht. Darauf hat der Kunde keinen Einfluss. Für unseren Mobilfunktarif werden wir das D1-Netz nutzen. Dieses wird zum Großteil mit Graustrom betrieben. Für WEtell-Kunden werden wir deswegen in Kooperation mit den EWS neue Photovoltaikanlagen in Deutschland bauen, um den verursachten Stromverbrauch durch das Telefonieren und Surfen beim Mobilfunkbetreiber auszugleichen. Diese Anlagen werden nicht über das EEG gefördert werden, so dass der erzeugte Strom vollständig dazu dient, konventionellen Strom aus dem Netz zu verdrängen.

Könnte man da nicht auch einfach Geld für Klimaschutzprojekte spenden und weiter konventionell telefonieren?

Andreas Schmucker: Uns geht es um Veränderung in der Mobilfunkbranche. Wir glauben mit einem erfolgreichen Angebot auch andere Unternehmen der Branche auf die Themen Nachhaltigkeit und Datenschutz zu stoßen. Wenn die großen Anbieter nachziehen, wird der Effekt fürs Klima groß. Diesen Wandel können wir mit Spenden, ansonsten aber einem «Weiter so» nicht erreichen – mit mündigen Kunden, die durch ihre Anbieterwahl zeigen, welche Werte ihnen wichtig sind, aber schon. Konkret bedeutet unser Kompensationskonzept, dass wir die externen Kosten, die der Netzbetrieb verursacht, dem Kunden in Rechnung stellen und in Form von Sonnenstrom für wirksamen Klimaschutz einsetzen. So tragen unsere Kunden aktiv zum Klimaschutz bei.

Alma Spribille: Indem wir mit Solarstrom aus realen Anlagen konventionellen Strom aus dem Netz verdrängen, bewirken wir auch eine ganz konkrete Veränderung Richtung Nachhaltigkeit. Natürlich möchten wir auch die Branche zum Umdenken bewegen. Wir arbeiten mit einem Netzanbinder zusammen. Dieses Unternehmen gewährleistet für uns den technischen Zugang zum D1-Netz. Übrigens plant jetzt auch der Netzanbinder unsertwegen zu Ökostrom wechseln. Das ist schon ein erster Erfolg.

Ein Mann im Streifennicki blickt freundlich zu einer Frau, die unscharf wie ihr Kollege im Vordergrund zu sehen sind.
Alexander Sladek Foto: Bernd Schumacher

Herr Sladek, warum unterstützen Sie als Energieversorger einen Mobilfunkanbieter?

Alexander Sladek: Grundsätzlich muss für einen wirksamen Klimaschutz die Nachhaltigkeit in alle Lebensbereiche getragen werden. Das gilt für den Energiebedarf genauso wie zum Beispiel für die Lebensmittelerzeugung oder die Textilindustrie. WEtell kann mit seinem Konzept in der Mobilfunkbranche nach unserer Auffassung einen wichtigen Beitrag leisten.

Was machen Sie konkret?

Alexander Sladek: Wir werden WEtell bei ihrem Kompensationskonzept unterstützen, indem wir als Projektierer die benötigten Photovoltaikanlagen realisieren. Für jede beim Telefonieren verbrauchte Kilowattstunde werden tatsächlich neue Anlagen gebaut, und darum geht es uns. Es handelt sich um eine Abstimmung mit den Füßen: Wenn sich möglichst viele Mobilfunkkunden in Bewegung setzen, kann wirklich etwas bewegt werden. Angedacht ist darüber hinaus, die Anlagen in eine Stiftung zu überführen, damit die Gemeinnützigkeit auch dauerhaft gewährleistet ist.

Für wirksamen Klimaschutz muss Nachhaltigkeit in alle Lebensbereiche getragen werden.

Alexander Sladek, EWS-Vorstand

Nico Tucher: Uns kommt es darauf an, im Wirtschaftsleben auch insgesamt etwas zu verändern. Deshalb sind wir auch Mitglied der Gemeinwohlökonomie geworden. Unternehmerisches Handeln und Engagement für Umwelt und Gesellschaft gehören für uns zusammen. Es geht uns nicht darum, hohe Gewinne zu erwirtschaften, sondern gemeinsam mit anderen einen Wandel anzustoßen. So denken auch die EWS.

Alexander Sladek: Es ist vollkommen klar, dass wir nur etwas verändern können, wenn wir gemeinsam agieren. Deswegen arbeiten wir schon lange in einem losen Netzwerk mit anderen Unternehmen zusammen, die dieselben übergeordneten Ziele haben, wie die GLS-Bank und Alnatura.

Nico Tucher: Mit Alnatura arbeiten wir ebenfalls zusammen. Sie werden uns im Bereich Marketing unterstützen. Mit der GLS-Bank planen wir die Finanzierung. So schließt sich der Kreis, der hoffentlich immer größer wird.

Die junge Frau im grünen Pullover seitzt auf einem Tisch, ein Mann stützt sich auf, der zweite sitzt. Im Vordergrund Computer und Smarphones
Die drei WEtell-Gründer: Alma Spribille, Andreas Schmucker, Nico Tucher (von links) Foto: Bernd Schumacher

Sie werben auch mit Datensparsamkeit. Was hat es damit auf sich?

Andreas Schmucker: Neben dem Umweltaspekt halten wir beim Mobilfunk – aber auch insgesamt – den Datenschutz für einen wichtigen Aspekt, der in Zeiten von Digitalisierung und Internet eine immer größere Relevanz bekommt. Das heißt, dass wir die Gesprächsdaten und das Internetverhalten unserer Kunden direkt nach dem Akzeptieren der Rechnung löschen und dass wir natürlich keine Daten unserer Kunden, auch nicht anonymisiert, für Werbezwecke auswerten und nutzen. WEtell wird der erste Mobilfunkanbieter sein, bei dem es keine Verknüpfung von Mobilfunknummer und Name bei einem großen Konzern geben wird, welcher eine Auswertung der Daten zum Zweck von beispielsweise personalisierter Werbung vornimmt.

Nico Tucher: In der Konsequenz heißt das auch, dass wir kein kommerzielles Tracking für unsere Website nutzen werden und auch keine Werbung auf Suchmaschinen oder in sozialen Netzwerken schalten. Wir nutzen Social Media, um uns sichtbar zu machen, aber wir bezahlen nicht für Leistungen dieser Konzerne.

Alma Spribille: Um so mehr sind wir auf die Unterstützung unseres Netzwerks angewiesen, das wir zurzeit eifrig ausbauen. Es ist für uns jetzt wichtig für eine große Öffentlichkeit sichtbar zu werden, deswegen suchen wir den Kontakt zu sehr vielen gleich gesinnten Unternehmen und Organisationen.

Der nächste Schritt ist Ihre Crowdfunding-Kampagne bei Startnext, die am 15. Februar startet?

Nico Tucher: Ja, das wird der erste Schritt sein, um uns im Markt zu etablieren. Unser erstes Ziel ist es, mit der Kampagne 1.000 Kunden zu gewinnen. Wir sehen aber in der Gesellschaft ein viel größeres Potenzial. In den vielen Gesprächen, die wir führen, ist spürbar, dass immer mehr Menschen einen echten Wandel zu Nachhaltigkeit und weniger wachstumsgetriebenen Wirtschaftsweisen wünschen. Um WEtell tragfähig zu machen, benötigen wir 40.000 Kunden innerhalb der nächsten drei Jahre. Ich bin sehr optimistisch, dass wir das gemeinsam mit unseren Partnern schaffen können.

 

Zwei junge Männer und eine junge Frau stehen vor einem Container, der in einer Halle aufgestellt worden ist.

WEtell

Seit Februar 2018 arbeiten die drei WEtell-Gründer gemeinsam am Aufbau eines nachhaltigen Mobilfunkangebots mit neuen Standards in den Bereichen Stromverbrauch, Datensicherheit und Fairness. Nico Tucher (32) und Alma Spribille (34) arbeiten zurzeit noch als Wissenschaftler an der Albert-Ludwig-Universität Freiburg und beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE. Andreas Schmucker (34) ist ebenfalls Ingenieur und selbstständiger Planer für große Solarprojekte weltweit. Alle drei haben ihre Arbeitszeiten reduziert, um jeweils circa 40 bis 50 Prozent für WEtell zu arbeiten.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website von WEtell.

 

20. Dezember 2018 | Energiewende-Magazin