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Alfred Ritter – Öko im Quadrat

Ein Porträt von Susanne Stiefel

Elektroauto- und Solarpionier, Kakao-Revoluzzer und Motorradfahrer: Der Schokokönig Alfred Ritter schätzt Risikobereitschaft und Mut zu Neuem.

Die Dachfenster am Museum Ritter teilen die Sonnenstrahlen in bunte Quadrate und spiegeln farbenfrohe  Flecken auf die Besucherbank. Auf dem Dach des Verwaltungsgebäudes glitzern die Solarzellen. Drinnen sitzt Alfred Ritter, Schokoladenkönig und preisgekrönter Ökomanager, guckt durch seine runde Brille und sagt: «Schuld waren die Haselnüsse».

So bedächtig, wie er seine Worte setzt, mag das harmlos klingen, es war 1986 jedoch bitterer Ernst im Waldenbucher Schokoparadies. Nach der ukrainischen Nuklearkatastrophe waren die Nüsse aus der Türkei verstrahlt, bei Ritter Sport packte man anstelle von Becquerel-Nüssen Mandeln in die Schokolade – und der Enkel des Unternehmensgründers wurde zum Strom-Revoluzzer. Tschernobyl war Alfred Ritters persönliche Energiewende.

Taten statt Worte

Eine derart unbeherrschbare Technologie muss weg, sagte sich der Unternehmer, machen wir die Atomenergie wirtschaftlich überflüssig. Er setzte sich mit Ingenieuren zusammen, stellte zunächst fest, dass der Heizungsmarkt unterentwickelt war, stieg ein ins Geschäft, «frisch, fröhlich, frei, das war schon eine tolle Zeit». Zwei Jahre nach Tschernobyl gründete Alfred Ritter die Firma Paradigma. Er wollte nichts weniger als die Welt verändern. Oder zumindest die Heizungsindustrie unter ein anderes, energiesparendes Paradigma stellen. «Das Wort war noch frei, das war toll», sagt er lächelnd – der Markenname war geboren.

2000 kam das Unternehmen Ritter Solar dazu, das solarthermische Großanlagen produziert. Außerdem ist Ritter Gesellschafter der Firma Thermo-Hanf, die natürliche Dämmstoffe anbietet. Der Energiewender packte an und machte auch vor der Schokolade nicht halt. Der Mann ist öko im Quadrat. Mit leisem Humor macht er Ernst mit der Nachhaltigkeit.

Portrait von Alfred Ritter
Foto: Marc Eckardt

Selber etwas auf die Beine stellen, nicht sagen, die anderen sollen etwas tun.

Alfred Ritter

Doch zum Öko-Missionar fühlt Alfred Ritter sich nicht berufen. Da sitzt er im Waldenbucher Konferenzzimmer, bunte Krawatte, volle Mähne, zurückhaltende Freundlichkeit, einer, der seine Worte wägt und nur zögerlich in die Welt entlässt. Doch wenn er von den Anfängen seines Energie-Engagements erzählt, kommt Alfred Ritter ins Schwärmen. Wie er und seine Mitstreiter den Namen Paradigma gefunden haben, wie er mit dem «Hotzenblitz» das erste Elektroauto auf die Straßen schickte, wie er die Schokoquadrate in umweltfreundliche Verpackungen wickelte oder in Nicaragua den Kakaoanbau revolutionierte.

Neues braucht Mut zum Risiko

Dann werden die Gesten ausladend und die Stimme lauter. Aber Menschen bekehren – bloß nicht: «Ich will die Leute überzeugen, nicht missionieren», sagt der Mann, der einst Psychologie studierte. Er überzeugt mit schwäbisch-bedächtigem Understatement. Pragmatisch, bescheiden, klug. Und mit der Risikobereitschaft, die neue Wege nun mal erfordern. Kein Wunder, dass dieser Mann gerne Motorrad fährt.

Dieser Mut zum Risiko ist Alfred Ritter auch an den Schönauer Energie-Initiativen aufgefallen. Das Unmögliche wahr machen, das Stromnetz kaufen, um sich von den Energieriesen und vom Atomstrom unabhängig zu machen, das hat ihm imponiert. Zumal es mit Tschernobyl ein gemeinsames Schlüsselerlebnis gab. Das verbindet. So hat er, damals bereits Herr über 25 Schokoladensorten, die Schönauer beim Netzkauf unterstützt. Seine Firma Paradigma und der Ritter Gewerbepark beziehen seither ihren Strom von den EWS. Und auch an der Gondelbahn auf den Hausberg der Schönauer, den Belchen, beteiligt sich Ritter. «Wir können nur in einer intakten Natur glücklich leben», sagt der Mann, den seine Freunde Ali nennen.

Portrait von Alfred Ritter
Alfred Ritter Foto: Marc Eckardt

Lieber zukunftsfähig als nachhaltig

Dennoch hadert Alfred Ritter mit dem Begriff Nachhaltigkeit. «Wer kann schon wünschen, dass alles so bleibt, wie es ist?», sagt der 63-Jährige. Ihm geht es darum, Welten zu schaffen, in denen es sich lohnt zu leben. «Ich nenne das lieber Zukunftsfähigkeit». Den Philosophen Ernst Bloch hat er als Student kennengelernt und dessen konkrete Utopie für sich so interpretiert: Wer etwas verändern will, muss die Zukunft in die Gegenwart stellen: «Selber etwas auf die Beine stellen, nicht sagen, die anderen sollen etwas tun.» Das könnte man auch militanten Optimismus nennen.

Viele Preise hat der Öko-Kämpfer nach Hause getragen. Ökomanager 1997, drei Jahre später von Johannes Rau mit dem Bundesverdienstkreuz dekoriert, 2001 machten die Schönauer ihn zum Stromrebellen, 2014 erhielt er die Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg. Aber was bitte ist der europäisch-chinesische Nachhaltigkeitspreis? «Auf den bin ich besonders stolz», sagt der Unternehmer in aller Bescheidenheit. Den verlieh ihm die chinesische Regierung dafür, dass er über zwölf Jahre in der Provinz Shandong Sonnenkollektoren für den chinesischen Markt gebaut hat.

Es ist beruhigend, dass es bei so viel Zukunftsbegeisterung etwas Beständiges gibt. Etwas sehr Schwäbisches. Das Waldenbucher Putzgüggle.

Ursprünglich war diese kleine Tüte voller Schokoreste den Putzfrauen vorbehalten: Wenn sie am Freitagabend die Maschinen putzten, durften sie die Schokoreste mit nach Hause nehmen. Inzwischen gibt es keine Schokoreste mehr, dafür am Ende der Woche ein Putzgüggle mit etwa 300 Gramm Schokolade für alle Mitarbeiter. Dafür hat Alfred Ritter noch als Geschäftsführer gesorgt. Der Mann, dem Harmonie wichtig ist, weiß: «Wenn die Leute morgens schneller in die Fabrik reingehen als sie abends rauskommen, dann hab ich gewonnen.» Manchmal muss man das bewährt Gute in die Zukunft retten.

30. Juni 2016 | Energiewende-Magazin