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Innovationen für eine nachhaltige Energiezukunft

Ein Bericht von Petra Völzing

Die EWS unterstützen Gründerinnen und Gründer, die an Lösungen für ein nachhaltiges Energiesystem auf Basis Erneuerbarer Energien arbeiten.

Für ein zukunftsfähiges Energiesystem benötigen wir Ideen und Innovationen, die schlau, praxisorientiert und ökologisch sind. Solche Lösungen sinnvoll zu kombinieren und miteinander zu vernetzen, ist eine wichtige Gemeinschaftsaufgabe. Die EWS unterstützen daher Start-ups, welche – inspiriert vom Nachhaltigkeitsgedanken – Produkte und Dienstleistungen entwickeln, die zentrale und anschlussfähige Bausteine in der Energiewelt von morgen darstellen können.

Lebendige Start-up-Szene in Freiburg im Breisgau

In die Ferne schweifen müssen die EWS von Schönau aus nicht, um in Kontakt mit interessanten Start-ups zu kommen. Im nahegelegenen Freiburg gibt es eine äußerst aktive Start-up-Szene, die sich Ökologie und nachhaltiges Wirtschaften auf die Fahne geschrieben hat. Gespeist wird sie von der Albert-Ludwigs-Universität und zahlreichen in Freiburg ansässigen Forschungsinstituten. Auch die Stadt selbst, die seit vielen Jahren mit viel beachteten Pionierprojekten die Nachhaltigkeit voranbringt, unterstützt die Aktivitäten.

Die EWS hatten bereits vor fünf Jahren begonnen, sich für nachhaltig orientierte Start-ups in Freiburg zu engagieren. Damals förderte der Ökostromversorger das erste Start-up-Programm «Die Ökonauten» des damals ins Leben gerufenen Gründungszentrums «Grünhof». «Wir wollten Gründerinnen und Gründer unterstützen, die unsere Werte teilen», sagt EWS-Vorstand Alexander Sladek. Gleichzeitig seien junge Start-ups auch wichtige Ideenlieferanten und potentielle Kooperationspartner.

Der Scout für «Green Economy Start-ups»

Ein junger Mann mit blauen Jeanshemd in einem Gang
Oliver Leis in der «Lokhalle» Foto: Bernd Schumacher

Um gezieltere Kontakte zu Start-ups aus dem «Green-Energy-Bereich» zu knüpfen, arbeitet seit dem vergangenen Jahr Oliver Leis als Start-up-Referent für die EWS. Seinen Hauptarbeitsplatz hat der 37-jährige im Kreativpark «Lokhalle», einem historischen Backsteingebäude auf dem alten Güterbahngelände im Freiburger Norden. Die angesagte Location ist Standort des «Smart Green Accelerator» (SGA), dem gerade erst aufgelegten und ambitionierten Start-up-Programm des Grünhofs, bei dem die EWS von Anfang an als Unternehmenspartner dabei sind.

Das Aufgabenfeld von Oliver Leis ist vielseitig: «Gemeinsam mit dem SGA suche ich zunächst nach interessanten Start-ups», erklärt der Ingenieur. Dafür streckt er seine Fühler in der ganzen Bundesrepublik aus. Bei den EWS ist er eng in die Innovationsprozesse eingebunden und weiß, an welchen Stellen eine Kooperation mit einem Start-up sinnvoll sein könnte.

Agil arbeiten heißt, aus vielen Versuchen strukturiert Innovation zu schöpfen.

Oliver Leis, Referent für «Green Economy Start-ups» bei den EWS

«Im Fokus steht die Abteilung Strategische Geschäftsfeldentwicklung», sagt Oliver Leis, «dort sind bei den EWS die für die Zukunft relevanten Innovationsprozesse angesiedelt.» Er ist auch derjenige, der dort «agiles Projektmanagement» etabliert. Diese Vorgehensweise stammt ursprünglich aus der IT-Branche, einem Bereich, der von permanenter Veränderung und Entwicklung geprägt ist. Dem damit verbundenen schnellen Wandel der Anforderungen war mit klassischen Managementmethoden auf Dauer nur unzureichend zu begegnen. Daher gingen Entwickler dazu über, agile Methoden einzusetzen, die besser geeignet sind, Zielsetzungen und -vorgaben im laufenden Projekt zu modifizieren und so an neue Erkenntnisse und im Prozess entstehende Anforderungen anzupassen.

Um dabei Kreativität und Innovation zu befördern, setzt das agile Projektmanagement, so Oliver Leis, vor allem auf die Fähigkeit von Teams, sich abseits klassischer Hierarchien selbst zu organisieren – eine Arbeitsweise, die bei Start-ups gängige Praxis sei. «Auf diese Weise können wir im Team unmittelbar und konstruktiv mit Veränderungen umgehen», erklärt er. «Das wird auch und gerade in der sich schnell wandelnden Energiebranche immer wichtiger.»

Zwei Männer stehen in einem Flur, rechts neben ihnen bunte Ablagefächer
Im regen Austausch: EWS-Vorstand Alexander Sladek und Oliver Leis Foto: Bernd Schumacher

Die Zusammenarbeit mit Start-ups kann unterschiedliche Formen annehmen: Von gemeinsamen Pilotprojekten in eng umgrenzten Bereichen über die Nutzung eines innovativen Produktes oder einer Dienstleistung seitens der EWS bis hin zu einer Unternehmensbeteiligung ist vieles möglich. «Wichtig ist uns, dass die Start-ups, die mit uns zusammenarbeiten, wirklich einen nachhaltigen und klimafreundlichen Ansatz verfolgen und für ihre Geschäftsidee brennen», sagt Alexander Sladek. Das gemeinsame Wertfundament müsse vorhanden sein. «In dieser Hinsicht sind wir konservativ», so der EWS-Vorstand. Darüber hinaus sei echter Wandel nach seiner Überzeugung nur gemeinschaftlich und mit viel innovativer Kraft möglich. Dabei gehe es darum, in verschiedenen Formen der Zusammenarbeit neue Produkte zu entwickeln und neue Geschäftsfelder zu erschließen, um ein nachhaltiges und zukunftsfähiges Energiesystem zu gestalten. «Wir sind überzeugt davon, dass Arbeitsteilung in diesem Feld sinnvoll und geboten ist», betont Sladek.

Neue Ideen in historischem Gemäuer

Von seinem Arbeitsplatz in der Lokhalle aus hat Oliver Leis einen Blick über locker angeordnete Überseecontainer, deren oberen Ebenen mit Brücken verbunden sind. Sie fügen sich zu einer schicken Landschaft aus Büros, Besprechungsräumen, gemeinschaftlichen Workspaces und lockeren Sitzgruppen. In der Lobby können sich die jungen Gründerinnen und Gründer bei Kaffee und Mate austauschen. «Bei unserem ersten Start-up-Programm habe wir gelernt, dass Start-ups beides brauchen: Offenheit und Rückzugsmöglichkeiten», berichtet Martina Knittel. Sie hat als eine der beiden Geschäftsführer des Grünhofs den SGA gemeinsam mit Hagen Krohn initiiert.

«Es geht uns mit dem SGA – wie schon bei den Ökonauten – darum, gezielt am Aufbau einer nachhaltigen Wirtschaft mitzuwirken», sagt Knittel. «Ein wichtiger Teil unserer Arbeit ist es, die jungen Gründerinnen und Gründer mit möglichst vielen anderen Start-ups und erfahrenen Unternehmen zusammenzubringen, denn gute Netzwerke können für den Geschäftserfolg entscheidend sein». Gefördert wird die Arbeit des SGA unter anderem von der Gründungsoffensive «Start-up BW» des Bundeslands Baden-Württemberg.

In einer Halle mit rostfarbigen Container, im Hintergrund geht eine Frau die Treppe hinauf
Originelle Location: Alte Überseecontainer dienen in der Lokhalle als Büros. Foto: Bernd Schumacher

Wir helfen den Start-ups in allen Phasen ihrer Geschäftsentwicklung.

Martina Knittel, Geschäftsführerin «Grünhof» in Freiburg

Abgestimmt auf einzelne Phasen bietet der SGA drei unterschiedliche Programme an: Das «SEED-Programm» ist für Start-ups interessant, die noch dabei sind ihr Geschäftsmodell zu entwickeln, im «CAMP-Programm» liegt der Fokus auf Marketing und Finanzierung und im «GROW-Programm» geht es schließlich um den Markteintritt. Bei dieser Phase sind die EWS als Unternehmenspartner am intensivsten beteiligt.

Umweltfreundliche Batterien im Kompaktformat

Drei Kooperationen hat Oliver Leis mit Hilfe des SGA bereits auf die Beine gestellt. Im Januar installierte das Start-up «VoltStorage» aus München einen seiner umweltfreundlichen Vanadium-Redox-Flow-Batterie bei den EWS. Dieser Energiespeicher ist ein sinnvoller Baustein für das Projekt der Stromgemeinschaft, das die Strategische Geschäftsfeldentwicklung der EWS derzeit mit Bürgern aus Schönau und Umgebung durchführt. Dort werden Photovoltaikanlagen, Blockheizkraftwerke und Batteriespeich er vernetzt, damit man innerhalb der Gemeinschaft Strom miteinander teilen kann. Umweltverträgliche Batteriespeicher wie der von VoltStorage werden dafür – wie für eine ökologische Ausgestaltung der Energiewende insgesamt – dringend benötigt. Ein wichtiger Grund, weshalb die EWS gerade auch auf dieses Start-up setzen.

VoltStorage, 2014 von Michael Peither, Jakob Bitner und Felix Kiefl gegründet, ist es in der Zwischenzeit gelungen, auf Basis der «Vanadium-Redox-Flow-Technologie» kompakte flüssigkeitsbasierte Speicher für den privaten Gebrauch zu entwickeln. Bisher war diese Technologie nur in sehr großen Speicheranlagen eingesetzt worden. «Unser Antrieb war es, der problematischen Lithium-Technologie einen ökologischen und nachhaltigen Speicher gegenüberzustellen», erläutert Michael Peither, einer der Geschäftsführer.

Die verwendeten Materialien sind weder umweltschädlich noch stammen sie aus ethisch fragwürdigen Quellen. Inzwischen hat VoltStorage den Markteintritt geschafft. Der Aufwand sei aber enorm gewesen: «Es ist wesentlich schwieriger, eine Hardware als eine App zu entwickeln», so Peither, «denn man benötigt von Anfang an Materialien und Ressourcen für die Produktion, was einiges an Kapital erfordert.» Die drei Gründer haben inzwischen die Anfangshürden überwunden und Kapitalgeber gefunden. Ihre Vision ist die virtuelle Batterie: «Wir möchten in einer nächsten Stufe größere Speicher miteinander vernetzen und den Speicherplatz vermieten», erklärt Peither. Beim Projekt in Schönau könnten sie damit Erfahrungen sammeln. So würden beide Seiten profitieren: das Start-up-Unternehmen selbst sowie die EWS und ihr Geschäftsbereich Energieerzeugung, der das Pilotprojekt technisch umsetzt.

Zwei Männer stehen vor einem etwa anderthalb Meter hohen weißen Wärmespeicher in einem Kellerraum.
Im Technikkeller der EWS in Schönau: Mike Hellmann und Oliver Leis mit dem VoltStorage-Batteriespeicher Foto: Bernd Schumacher

Schaltanlagen ohne klimaschädliche Gase

Doch auch für andere EWS-Geschäftsbereiche sucht Oliver Leis nach Kooperationen. So hat er die EWS-Netze GmbH, die im Gemeindeverbund Schönau das Strom- und Gasnetz betreibt, mit dem Start-up «Nuventura» in Kontakt gebracht.

Das 2017 von Manjunath Ramesh, Fabian Lemke und Nikolaus Thomale in Berlin gegründete Start-up entwickelt Schaltanlagen für Stromnetzbetreiber. Die Innovation: Die Schaltanlagen kommen ohne das Gas Schwefelhexafluorid (SF6) aus. Dieses extrem klimaschädliche Gas wird bis heute im Netzbetrieb in allen gängigen Schaltanlagen verwendet. Manjunath Ramesh, hatte zuvor einige Jahre bei Schaltanlagenbauern gearbeitet. «Das Problem mit SF6 wurde mir schon 2010 bewusst», erläutert der Elektroingenieur. So fing er an, über mögliche Alternativen nachzudenken. Bei ihrer Schaltanlage setzen die Gründer nun auf trockene Luft anstelle von Schwefelhexafluorid.

Der Netzbetrieb ist ein sehr monopolistisches Geschäft, da haben es Innovationen schwer.

Manjunath Ramesh, Geschäftsführer «Nuventura»

«Nuventura» hat den ehrgeizigen Plan, den Markt des Netzbetriebs durch den Verkauf von Lizenzen für ihre Technologie aufzumischen. Bei den EWS und der «Energieversorgung Titisee-Neustadt», an der die EWS beteiligt sind, wird das junge Berliner Unternehmen 2020 in Umspannwerken zwei ihrer Schaltanlagen installieren. «Das ist eine große Chance, unsere Anlage im realen Einsatz minutiös überprüfen zu können», sagt Ramesh. Für das Monitoring haben sie eine spezielle Sensortechnik entwickelt, die laufend überprüft, wie sich die trockene Luft im Einsatz verhält. «So können wir unser Produkt immer weiter perfektionieren», erklärt Ramesh.

Nachhaltig telefonieren

«WEtell» ist ein Freiburger Start-up, das in Deutschland nachhaltiges Telefonieren möglich machen will. Mit ihm sind die EWS schon in einer sehr frühen Phase eine Kooperation eingegangen. Die Gründer Alma Spribille, Nico Tucher und Andreas Schmucker möchten mit ihrem unternehmerischen Handeln den gesellschaftlichen Wandel in Richtung Nachhaltigkeit wirksam voranbringen. 40 Prozent des Stroms werden bei der Herstellung der Handys und beim Laden verbraucht, 60 Prozent beim Telefonieren und Surfen durch die Nutzung der Infrastruktur des Funknetzbetreibers. Diese 60 Prozent des Gesamtverbrauchs wollen die Jungunternehmer durch den Zubau von Photovoltaikanlagen komplett kompensieren. Die PV-Anlagen wiederum werden mit Unterstützung der EWS errichtet.

Eine Frau und zwei Männer auf einer Art Brücke zwischen mehreren Containern, die als Büros genutzt werden
Die drei WEtell-Gründer: Alma Spribille, Andreas Schmucker und Nico Tucher (von rechts nach links) Foto: Bernd Schumacher

Wichtig ist WEtell zudem ein sensibler Umgang mit den Nutzerdaten. Diese werden schnellstmöglich wieder gelöscht. «Wir glauben mit einem erfolgreichen Angebot auch andere Unternehmen der Branche auf die Themen Nachhaltigkeit und Datenschutz zu stoßen», erzählt Andreas Schmucker. «Würden die großen Anbieter nachziehen, wäre der Effekt auf das Klima immens.» Mit einer Crowdfunding-Kampagne auf «Startnext» konnte WEtell aus dem Stand 1.200 Kundinnen und Kunden gewinnen. Nun nimmt das Unternehmertrio Kurs auf den Markteintritt im Herbst 2019.

Der Start-up-Preis: «MakeItMatter»

Bei diesen Kooperationen soll es nicht bleiben. Um weitere Start-ups, die im «Green Energy»-Bereich aktiv sind, für eine Teilnahme am «Smart Green Accelerator» zu motivieren, hat dieser gemeinsam mit den EWS den «MakeItMatter Award» ausgelobt. Der mit 40.000 Euro dotierte Preis wird an Gründerinnen und Gründer vergeben, die am GROW-Programm teilnehmen, sich also in der Phase des Markteintritts befinden, und die besonders innovative Lösungen für eine dezentrale und digital vernetzte Energiewirtschaft entwickeln.

«Beim Wettbewerb sind nicht nur technische Geschäftsideen gefragt», sagt Start-up-Referent Oliver Leis. «Ebenso wichtig sind uns Lösungen, mit denen die Energiezukunft als Gemeinschaftsprojekt organisiert wird.» Der Preis wird dieses Jahr zum ersten Mal vergeben. «Wir sind zuversichtlich, dass wir noch viele Gründerinnen und Gründer finden werden, die mit hoher Motivation und echter Begeisterung an der Gestaltung einer klimafreundlichen und nachhaltigen Energiezukunft mitwirken», so der EWS-Vorstand Alexander Sladek.

 

Zum «MakeItMatter Award»

Noch bis zum 30.06.2019 können sich Teilnehmer des GROW-Programms für den «MakeItMatter Award» bewerben. Ausgelobt wird der Preis unter Start-ups, die mit einer innovativen Lösung zur Dezentralisierung und Digitalisierung der Energiewirtschaft beitragen, mit ihrer Community-Lösung an einer gemeinschaftlichen Energiezukunft arbeiten oder bereits ein Produkt oder eine Dienstleistung entwickelt haben, die direkt in ein Pilotprojekt überführt werden kann. Weitere Informationen zur Teilnahme am Award finden Sie hier.

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18. April 2019 | Energiewende-Magazin