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Wärmenetze – Ein entscheidendes Werkzeug der Energiewende

Ein Beitrag von Armin Komenda und Dr. Daniel Weiß

Wärmenetze sind nicht nur gut für die Umwelt, sondern bieten auch Vorteile für den Wärmekunden.

In der öffentlichen Diskussion wird die Energiewende fast ausschließlich auf den Umbau der Stromversorgung fokussiert. 55 Prozent des deutschen Energieverbrauchs wird jedoch für die Bereitstellung von Wärme benötigt. Der langfristig zukunftssichere Umbau unserer Energieversorgung erfordert daher auch den Umbau der Wärmeversorgung. Der Primärenergieverbrauch Deutschlands betrug 2015 13.293 PetaJoule (Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen 2016).

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Quelle: Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen

Umgerechnet auf den Energieinhalt von Heizöl entspricht dies einer Menge von 369 Milliarden Liter. Für den Transport dieser Menge wäre ein Güterzug mit einer Länge von 74.000 km Länge notwendig. Ein solcher Zug würde fast zweimal die Erde umrunden. Die nackten Zahlen verdeutlichen: Die Herausforderungen der Energiewende, die vollständige Umstellung der Energieversorgung auf erneuerbare Energieträger, sind gewaltig.

Das Ziel der Energiewende erfordert nicht weniger als ein Umdenken und eine Umstrukturierung der Energieversorgung. Das wichtigste Ziel ist und bleibt die Energieeinsparung, durch bessere Wärmedämmung und effizientere Technologien. Da mehr als die Hälfte des Energieverbrauchs für die Bereitstellung von Wärme benötigt wird, kommt der Optimierung der Wärmeversorgung die entscheidende Schlüsselstellung im Umbau der deutschen Energieversorgung zu. Die Abwärme, die in zentralen Großkraftwerken in Deutschland anfällt, entspricht 62 Prozent der Wärmemenge, die in privaten Haushalten zur Heizung und Warmwassererwärmung benötigt wird. Die anfallende Abwärme von Industrieprozessen ist in dieser Betrachtung noch gar nicht berücksichtigt.

Zwei Monteure stehen vor dem Rohbau einer Heizzentrale.
Bau der Nahwärme-Heizzentrale in Zell im Wiesental Foto: Albert Schmidt
Ein Kranwagen senkt einen containergroßen Brennkessel ab.
Der Holzhackschnitzel-Kessel ist das Herzstück des Nahwärmenetzes. Foto: Albert Schmidt
EWS-Geschäftsführer Dr. Daniel Weiß zeigt eine Nahwärme- und eine Glasfaserleitung.
Mit der Nahwärme kommt auch das Highspeed-Internet per Glasfaser ins Haus. Foto: Albert Schmidt
Dr. Daniel Weiß steht vor einer Heizzentrale.
EWS-Geschäftsführer Dr. Daniel Weiß sieht in der Nahwärme ein großes Potential für die Energiewende. Foto: Albert Schmidt

Wärmenetze verbinden

Wärmenetze ermöglichen den Transport und den Austausch von Wärme zwischen Wärmequellen und Wärmesenken. Eine immense Effizienzverbesserung und CO2-Einsparung ist möglich, wenn durch ein Wärmenetz die bisher zu entsorgende Abwärme eines Industriebbetriebs genutzt werden kann, um fossile Heizkessel in der benachbarten Wohnbebauung zu ersetzen.

Die Herausforderung für den Aufbau eines Wärmenetzes besteht in der Regel darin, genügend Teilnehmer davon zu überzeugen, ein Wärmenetz aufzubauen. In der Regel gilt: Je vielfältiger die Teilnehmer eines Wärmenetzes sind und je unterschiedlicher der Wärmebedarf der Anschlussnehmer, desto mehr Synergieeffekte können genutzt werden. Eine ideale Ergänzung sind Schulgebäude und Wohnhäuser. Die Verbrauchsspitze von Wohngebäuden sind abends und am Wochenende, Schulen haben ihren höchsten Leistungsbedarf morgens und wochentags.

Eine noch bessere Kombination sind Freibäder und Wohngebäude. Ein Freibad wird im Sommer betrieben und benötigt im Winter keine Wärme, Wohngebäude haben ihre Lastspitzen im Winter. Offensichtlich ist: Ein gutes Wärmenetz versorgt möglichst viele Kunden mit unterschiedlichsten Bedürfnissen. Aus diesem Grund ist beim Aufbau von Wärmenetzen die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft besonders beliebt. Viele Teilnehmer verfolgen das gemeinsame Ziel einer effizienten, ressourcensparenden und sicheren Energieversorgung.

Je vielfältiger die Teilnehmer eines Wärmenetzes sind und je unterschiedlicher der Wärmebedarf der Anschlussnehmer, desto mehr Synergieeffekte können genutzt werden.

DR. DANIEL WEISS

Wärmenetz als Schlüsseltechnologie

Der entscheidende technologische Unterschied eines Wärmenetzes gegenüber dem Betrieb einer einzelnen Heizanlage in jedem Gebäude ist die Tatsache, dass im Wärmenetz nur sehr wenige Wärmeerzeuger zum Einsatz kommen. Dies hat entscheidende Vorteile: Es ist möglich, vergleichsweise aufwändige Wärmeerzeuger zu installieren, die den Einsatz von schwierigen, aber kostengünstigen Brennstoffen wie beispielsweise Holzhackschnitzel ermöglichen.

Durch die Möglichkeit Wärme zu transportieren, kann der optimale Standort für die Heizzentrale gewählt werden oder noch besser, die Abwärme eines benachbarten Industriebetriebs genutzt werden. Auch Solaranlagen können, unabhängig von der Lage im Versorgungsgebiet, optimal positioniert werden und so vielfach den Einsatz von Sonnenenergie zur Wärmeversorgung oftmals erst ermöglichen. Zu guter Letzt kommt der Speicherung von Wärme eine wichtige Rolle zu, um Versorgungsysteme effizient betreiben zu können. Große Wärmespeicher in einem Wärmenetz verursachen nur einen Bruchteil der Kosten, welche für kleine, dezentrale Wärmespeicher aufgewendet werden müssten.

Wärmenetze als Technologietreiber

Wärmenetze sind die Hightech-Lösung einer modernen Heizanlage. Zum technischen Standard gehört eine „übergeordnete Netzregelung“. Hier laufen alle Daten zusammen, die Wärmeerzeuger, Netzpumpen und Temperaturen werden optimal auf den Bedarf ausgerichtet. Die verbrauchten Wärmemengen der einzelnen Kunden werden über sogenannte Wärmemengenzähler gemessen und gemeinsam mit den Daten der Heizungsregler bei den Kunden laufend in das übergeordnete System eingespeist. Damit sind jederzeit eine Kontrolle der Vorgänge und eine Anpassung der Einstellungen möglich. Der Wärmekunde hat Zugriff auf seinen Heizungsregler via Internet oder Smartphone.

Doch nicht nur regeltechnisch haben sich moderne Wärmenetze weiterentwickelt, die Dämmung der Wärmeleitungen wurde laufend verbessert und die Übergabestationen optimiert. Ein weiteres Praxisargument: Die Revolution der Informationstechnologie erfordert den Ausbau der Kommunikationsleitungen. Die alten Telefonleitungen aus Kupfer genügen oftmals den Anforderungen nicht mehr und müssen durch Glasfaserleitungen ersetzt werden. Seit 2015 werden alle neuen Wärmenetzstrecken der Elektrizitätswerke Schönau parallel mit einem Leerrohrsystem zum Aufbau eines sogenannten FTTB (Fibre to the building) ausgestattet.

 

Dieser Beitrag wurde bereits im Genograph 8/2017 veröffentlicht.

Armin Komenda und Dr. Daniel Weiß

Ein gutes Wärmenetz versorgt möglichst viele Kunden mit unterschiedlichsten Bedürfnissen. Aus diesem Grund ist beim Aufbau von Wärmenetzen die Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft besonders beliebt. Die EWS betreibt zurzeit acht Wärmenetze in Baden-Württemberg. Informationen zu den Nahwärmeprojekten finden Sie hier.

Zu den Autoren:
Armin Komenda (im Bild links) ist Vorstand der Elektrizitätswerke Schönau eG und Geschäftsführer der EWS Vertriebs GmbH.
Dr. Daniel Weiß ist Geschäftsführer der EWS Energie GmbH.

08. Juli 2017 | Energiewende-Magazin