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50 Jahre «Die Grenzen des Wachstums» – Fünf Fragen an FFF

Nachgefragt bei Merit Willemer, «Fridays for Future Deutschland»

Welche Aktualität hat der Bericht des «Club of Rome» heute, in Zeiten der Klimakrise? Die Redaktion befragte dazu die Sprecherin von Fridays for Future.

Die Wissenschaft hat mit der Studie «Die Grenzen des Wachstums» vor 50 Jahren einen aufsehenerregenden Aufruf verfasst. Er hat eine ganze Generation geprägt, jedoch kein politisches Umsteuern ausgelöst. Kommt dir das bekannt vor?  

Total! Nachdem wir 2019 angefangen hatten zu streiken, haben sich fast 27.000 Menschen aus der Wissenschaft zusammengetan und bestätigt, dass es mehr als nötig ist, umgehend zu handeln. Das ist auch in Teilen der Politik angekommen – allerdings noch immer nicht in der notwendigen Dringlichkeit und mit den entsprechenden Konsequenzen. Zu sehen, wie alt die Klima- und Umweltbewegung in Deutschland bereits ist, zeigt ja: Es gab nie ein Wissensproblem. Ich finde, es macht alles noch ein bisschen schlimmer. Wir wissen seit über 50 Jahren, welche Folgen unsere Art zu leben und zu wirtschaften hat – und dass dieses klimazerstörende System dennoch immer weiter ausgebaut wurde.

Auch heute stellen wir fest: Die gesellschaft­lichen Beharrungskräfte sind enorm. Die Wirtschaft fürchtet Transformationskosten und Wachstumsbeschränkungen. Und die Politik ist zögerlich angesichts notwendiger, aber unpopulärer Maßnahmen. Außerdem fällt es vielen Menschen schwer, sich in ihrem Alltag konsequent klimafreundlich zu verhalten. Was müsste also geschehen, um diese Blockaden aufzulösen?

Das sind erst einmal drei sehr unterschiedliche Dimensionen. Wenn wir uns die größten Klimazerstörer anschauen, dann sind das die Großkonzerne der Fossilindustrie. Dem gehört politisch ein Riegel vorgeschoben. Privatpersonen ist es oft gar nicht möglich, sich konsequent klimafreundlich durchs Leben zu bewegen. Warum gibt es überhaupt eine Wahl zwischen Produkten, die das das Klima zerstören, und solchen, die das weniger tun? Die Blockaden müssen also ganz klar auf politischer Ebene gelöst werden. Niemand von uns kann Kohlekraftwerke abschalten, Kurzstreckenflüge verbieten oder die Landwirtschaft revolutionieren. Was wir aber tun können, ist, diesen politischen Wandel einzufordern, uns zu engagieren – auf welche Art auch immer. Da sind wir alle gefordert.

In Europa herrscht Krieg. Der grüne Wirtschaftsminister sucht nach Öl- und Gaslieferländern, die FDP schwärmt für Gasbohrungen in der Nordsee, der Bundeskanzler beharrt auf Erdgas als nachhaltige Energie in der Taxonomie. Gerät die Klimapolitik ins Abseits?

Es ist nicht neu, dass das Klimaproblem in der Tagespolitik untergeht. Aber dieses Mal ist es noch verheerender. Gerade erleben wir, was fossile Abhängigkeit bedeutet – denn indem wir abhängig von Kohle, Öl und Gas sind, sind wir es auch von Wladimir Putin. Schlimmer noch: Wir gehören zu denen, die diesen Krieg mitfinanzieren und damit erst möglich machen. Damit zeigt sich auch eine weitere Dimension der Erneuerbaren: Wenn Deutschland durch sie fossilfrei wird, trägt das zu Frieden und Sicherheit bei. 

Ist Klimaschutz also der Schlüssel zum Weltfrieden?

Es ist einer der Schlüssel. Kriege sind zu unterschiedlich und komplex, um sie so einfach verhindern zu können. Aber fossile Energieträger stellen oft eine ihrer Ursachen dar. Und mal ein wenig in die Zukunft geschaut: Bald werden Klimakatastrophen zu neuen Konflikten führen oder bestehende eskalieren lassen. Wenn heute noch um Öl gekämpft wird, wird es morgen Wasser sein. So viel Leid kann verhindert werden, wenn wir uns an das Pariser Abkommen halten und 1,5 Grad nicht überschreiten. 

Wie verschaffen wir uns endlich Gehör?

Alle müssen verstehen, dass diese Krise keine ist, die sich irgendwie schon lösen lassen wird. Wir müssen miteinander sprechen und uns organisieren. Wir müssen dieser Krise in jedem Teil unseres Lebens Raum geben. Lehrende müssen dazu unterrichten, in Banken arbeitende Menschen müssen hinterfragen, wo das Geld investiert wird, Kultur und Medien müssen Aufmerksamkeit schaffen. Niemand von uns ist da machtlos. Nur so können wir den Druck erzeugen, der jetzt dringend nötig ist. Wir müssen einfach noch lauter werden!

 

Eine junge Frau steht vor einem abgeernteten Getreidefeld und schaut kritisch, aber zuversichtlich in die Kamera.

Merit Willemer, Sprecherin von «Fridays for Future Deutschland»

Merit Willemer, 21 Jahre alt, ist seit 2019 Klimaaktivistin bei «Fridays for Future». Begonnen hat sie in der Ortsgruppe Ulm/Neu-Ulm. Inzwischen plant sie vor allem die deutschlandweiten Kampagnen und Aktionen. 
Sie studiert Theaterregie und macht diesen Sommer ihren Bachelor.

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02. Juni 2022 | Energiewende-Magazin