Der CO₂-Preis als gerechtes Fundament
Ein Gastkommentar von Brigitte Knopf
Die Zeit drängt beim Klimaschutz – zugleich gilt es, die Klimamaßnahmen sozial gerecht zu gestalten. Ein verlässlicher CO₂-Preis ist der Schlüssel dazu.
Die Europäische Kommission legte im Juli 2021 ein Maßnahmenpaket zur Verwirklichung des «European Green Deal» vor. Um mindestens 55 Prozent – nicht wie bisher um 40 – sollen die Treibhausgasemissionen in der EU bis 2030 gegenüber 1990 sinken. Eine zentrale Rolle in diesem Maßnahmenpaket kommt dem Preis für Kohlendioxidemissionen zu. Das ist gut so, denn der CO2-Preis als marktwirtschaftliches Instrument, das Preissignale nutzt, ist der Schlüssel, um Klimaschutz mit sozialem Ausgleich zu verbinden.
Wie der CO2-Preis funktioniert
Einerseits besteht ein Überangebot an fossilen Energieträgern im Boden, während wir andererseits nur noch ein begrenztes Budget an CO2 in die Atmosphäre emittieren dürfen, um das Pariser Temperaturziel von 1,5 Grad Erwärmung einzuhalten. Der CO2-Preis ist ein Indikator für diese Knappheit – er macht fossile Energieträger teurer. Davon profitieren Erneuerbare Energien im Wettbewerb mit der Fossilenergie ebenso wie Innovationen, die beispielsweise die Energieeffizienz steigern, aber noch zu kostenintensiv sind. Kohle, Öl und Gas bleiben im Boden. Das Preissignal ist dabei alles andere als willkürlich: In den Preis für fossile Energien werden schlicht die ökologischen Folgekosten einberechnet.
Der CO2-Preis kann über eine Steuer eingeführt werden oder über ein Emissionshandelssystem. Eine CO2-Steuer setzt den Preis für Emissionen politisch fest. Damit der Preis hoch genug ist, um fossile Energieträger zu verdrängen und Innovationen zu befördern, muss dabei immer wieder nachgesteuert werden. Der Emissionshandel legt hingegen eine schrittweise sinkende Obergrenze für Emissionen fest. Der Preis für Emissionen variiert dann in Abhängigkeit von der verfügbaren Menge.
Ein verlässlicher Rahmen ist entscheidend
Zentral ist bei beiden Instrumenten, dass der Preis hoch genug sein muss, um eine Lenkungswirkung weg von den fossilen Energieträgern zu entfalten. Außerdem sollte dieser Rahmen langfristig verlässlich und berechenbar sein. Das ist für Investitionen seitens der Wirtschaft genauso entscheidend wie für uns Bürgerinnen und Bürger.
Wichtig ist dabei, wie mit den zusätzlichen Einnahmen des Staates umgegangen wird. Entweder werden dafür andere Steuern gesenkt – wie bei der Steuerreform in Schweden, wo schon 1991 erfolgreich ein CO2-Preis mit langfristig steigendem Preispfad eingeführt wurde. Oder die Einnahmen aus dem CO2-Preis werden an die Bürgerinnen und Bürger zurückgegeben, etwa durch eine Reduzierung der Stromkosten oder einfach durch eine direkte Rückzahlung.
Seit 2005 gibt es durch den Europäischen Emissionshandel einen CO2-Preis für die Energiewirtschaft und große Teile der Industrie. Mit dem deutschen «Klimapaket» wurde zusätzlich ein steigender CO2-Preis für Emissionen in Wärme und Verkehr eingeführt, der ab 2026 in ein Emissionshandelssystem übergehen soll. Das Problem dabei ist: Dieser Preis ist kurzfristig zu niedrig und nach 2026 ungewiss. Ebenjene Lücke will die Europäische Kommission nun mit der Einführung eines zweiten EU-Emissionshandelssystems für diese Sektoren schließen. Damit erhält das neue deutsche System für CO2-Preise im Verkehr und in der Wärme die dringend notwendige verbindliche Perspektive auf europäischer Ebene.
Zusätzlich verschärft die EU den bestehenden Emissionshandel in der Energiewirtschaft und der Industrie. Bis 2030 werden 380 Millionen Zertifikate weniger auf dem Markt sein, als bisher geplant – eine Reduktion um 32 Prozent. Der Preis für fossile Energieträger wird dementsprechend in die Höhe gehen.
Wie teuer wird es für mich?
Kritik am CO2-Preis setzt oft bei den steigenden Lebenshaltungskosten an. Klar ist aber: Am teuersten wird es ohne Klimaschutz, denn die Folgen der Klimakrise werden wir auch wirtschaftlich zu spüren bekommen. Zudem verursachen auch andere Klimaschutzinstrumente Preissteigerungen.
Ein Beispiel liefert der Verkehrssektor: Anstelle eines CO2-Preises könnte man den Verbrauch durch Emissionsstandards regulieren. Der Schadstoffausstoß bei neu zugelassenen Fahrzeugen muss reduziert werden. Dann steigt nicht der Spritpreis, sondern der Preis des Fahrzeugs. Weil Haushalte mit niedrigem Einkommen im Schnitt weniger fahren, würde sie ein solcher Standard überproportional belasten. Denn er erhöht den Preis des Autos – bei Menschen, die nicht so viel fahren, ist das der wichtigste Kostenpunkt. Gleichzeitig profitieren sie von dem Effizienzgewinn durch den Standard kaum, weil sie weniger Kilometer zurücklegen. Mobilitätskosten steigen also bei beiden Maßnahmen – doch treffen die Kosten durch den Emissionsstandard Haushalte mit geringerem Einkommen härter, als es bei einem CO2-Preis der Fall wäre.
Auf die soziale Balance achten
Ein klarer Vorteil beim CO2-Preis liegt darin, dass es Einnahmen für einen sozialen Ausgleich gibt. Dieser Ausgleich ist auch ein wichtiger Punkt im neuen Maßnahmenpaket der Europäischen Kommission. Die Hälfte der Einnahmen aus dem Emissionshandel sollen die Mitgliedsstaaten laut Kommission für einen Sozialfonds aufwenden.
Im Klimapaket von 2019 sind Ausgleichszahlungen angelegt, zum Beispiel über eine Senkung der EEG-Umlage. Allerdings finanzieren die Einnahmen durch das Klimapaket zu 75 Prozent Maßnahmen aus dem Gesamtpaket, wie etwa den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs. Eine direkte Entlastung für Verbraucherinnen und Verbraucher kommt bislang eindeutig zu kurz. Im Vergleich werden zwar Haushalte mit geringerem Einkommen durch die Senkung der EEG-Umlage entlastet, insgesamt wird die Mittelschicht finanziell aber am stärksten belastet. Das bessere Instrument wäre eine direkte Pro-Kopf-Rückverteilung, die sogenannte Klimadividende. Diese wirkt progressiv, das heißt: Besserverdiener tragen auch mehr, während Haushalte mit niedrigem Einkommen am Ende sogar mit einem Plus dastehen – nämlich mit 100 Euro bei einem CO2-Preis von 50 Euro.
Richtig eingesetzt kann ein gut durchdachter und über lange Zeit verlässlicher CO2-Preispfad also sektorenübergreifend sowohl fossile Energieträger verdrängen als auch Emissionen reduzieren. Außerdem stehen durch ihn zusätzliche Einnahmen zur Verfügung, die es ermöglichen, die finanziellen Lasten gerecht zu verteilen. Die nächste Bundesregierung muss deshalb nicht nur eine leistungsfähige CO2-Preisarchitektur umsetzen, sondern vor allem auch für einen konsequenten und effektiven sozialen Ausgleich sorgen.
Dr. Brigitte Knopf
Brigitte Knopf ist promovierte Physikerin. Seit 2015 ist sie Generalsekretärin des Berliner Klimaforschungsinstituts MCC sowie Leiterin der «Policy Unit», der strategischen Schnittstelle des Instituts zu Politik und Gesellschaft. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf der Frage, wie die Energiewende sozial gerecht gestaltet werden kann. Seit September 2020 ist sie zudem Mitglied und stellvertretende Vorsitzende des von der Bundesregierung berufenen Expertenrats für Klimafragen, der von 2021 an jährlich Deutschlands Treibhausgasbilanz prüft.
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