Direkt zum Inhalt der Seite springen

Hanna Lehmann – Das wird schon!

Ein Porträt von Anja Bochtler

Die Behauptung, man könne nichts machen, kann sie nicht leiden. Erfahren hat Hanna Lehmann das genaue Gegenteil: «Wir können sehr viel tun!»

Die Belege dafür, was Hanna Lehmann alles in Bewegung gebracht hat, füllen ein dickes Buch. Ihre Kolleginnen und Kollegen von der Katholischen Akademie Freiburg haben es ihr zum Abschied geschenkt: Darin sind sämtliche Veranstaltungsprogramme abgedruckt, die sie und ihr Team seit dem Winter 1990 in der Katholischen Akademie organisiert haben. Sehr viele ökologische Themen sind darunter, Energie, Architektur, umweltverträgliche Lebensstile. Alles unter dem großen Stichwort Nachhaltigkeit, das für sie zum entscheidenden Maßstab geworden ist. Nie blieb sie dabei stehen, darüber zu reden, sondern setzte die Erkenntnisse, die sie gewann, auch praktisch um: So wurde die Katholische Akademie ein Paradebeispiel für Nachhaltigkeit.

Zu Hause in einem Vorzeigeprojekt

Inzwischen gehört Hanna Lehmanns Arbeit als Studienleiterin und Umweltbeauftragte der Katholischen Akademie zur Vergangenheit, seit Februar 2016 ist sie Pensionärin. Es war eine Umstellung nach 25 bewegten Jahren: «Aber der Schnitt ging schneller, als ich dachte.» Sie genießt es, nun Zeit zu haben, mehr zu Hause zu sein als früher. Doch auch ihr Zuhause ist ein Vorzeigeprojekt, das nie ganz ohne Öffentlichkeit und Publikum bleibt: Mit ihrem Mann Rolf Disch, dem bekannten Solararchitekten, lebt sie seit 1994 im berühmten Heliotrop, das nach seinen Planungen entstand. In einem zylinderförmigen Turm, der sich langsam mit der Sonne dreht und fünfmal mehr Energie erzeugt als verbraucht.

Portrait von Hanna Lehmann
Foto: Marc Eckardt

Geforscht wird viel zur Nachhaltigkeit, jetzt geht es darum, unser Wissen umzusetzen.

Hanna Lehmann

Der Heliotrop war das erste Plusenergiehaus. Das lockt viele Neugierige an. Hanna Lehmann vergibt Termine für Führungen und zeigt Gästen, wie klug durchdacht alles ist. Oft ergeben sich dabei spannende Gespräche, zum Beispiel kürzlich mit einer Realschulklasse: «Die Jugendlichen waren wirklich prima, konzentriert, sehr neugierig und bereit, sich selbst zu engagieren. Ich konnte richtig sehen, wie es in ihren Köpfen arbeitete.»

Hanna Lehmann liebt Menschen und die Begegnungen mit ihnen: bei den Führungen im Heliotrop, aber auch bei ihren Aufgaben als Stiftungsratsvorsitzende der Freiburger Bürgerstiftung und als Regionalkuratorin der Bürgerstiftungen Baden-Württembergs. Natürlich will sie «das Energiethema» auch bei den Stiftungen einbringen. Obwohl ihr all das am Herzen liegt, wirkt sie meist gelassen. Sie selbst findet sich manchmal allerdings etwas zu missionarisch.

Bescheidene Herkunft, vertrauensvolle Eltern

In ihrem Leben fügte sich eines zum anderen: «Es hat sich einfach alles so ergeben», sagt sie zurückblickend. Ihr Vater war Opernsänger, ein Naturtalent ohne Ausbildung, die Mutter «eine sehr starke Frau». Die Familie lebte nach der Übersiedlung aus der DDR ins westdeutsche Bielefeld in bescheidenen Verhältnissen. Doch die Eltern achteten, obwohl sie selbst keine Chance auf Bildung gehabt hatten, sehr auf die Förderung ihres einzigen Kindes. Hanna Lehmann besuchte eine katholische Mädchenschule und verdiente sich ihre Latein-Nachhilfe selbst, indem sie anderen bei den Hausaufgaben half. Daheim gab es zwar nie viel Geld, aber vertrauensvolle Eltern, vor allem den zuversichtlichen Vater, der oft sagte: «Das wird schon!»

Frischer Wind in der Katholischen Akademie

Nach dem Abitur zog sie zum Studium nach Freiburg, genoss die große Freiheit, das Lernen, das Diskutieren. Später arbeitete sie zwölf Jahre als Lehrerin für Deutsch, Politik und Geschichte an der katholischen Heimschule Lender in Sasbach bei Achern. «Es war toll», sagt sie. Wie an vielen Privatschulen seien die Lehrer auch hier ungeheuer engagiert gewesen.

Und es wäre so weitergegangen, wäre nicht die Anfrage der Katholischen Akademie Freiburg gekommen, die eine Studienleiterin suchte. Hanna Lehmann war dort aufgefallen, weil sie oft mit ihren Schülern zu Vorträgen gekommen war. Plötzlich gestaltete sie selbst das Programm, das sie immer interessant gefunden hatte. Sie schwärmt von «wunderbaren Referenten» und Themen, die Anfang der 1990er-Jahre noch ungewohnter waren als heute: das Auto als Fetisch, Mäzenatentum zur Unterstützung innovativer Projekte, ressourcensparende Architektur.

Portrait von Hanna Lehmann
Foto: Marc Eckardt

Die Angst, nichts tun zu können, lähmt.

Hanna Lehmann

Doch wie glaubwürdig ist es, wenn solche Diskussionen an einem Ort stattfinden, an dem keine Konsequenzen daraus gezogen werden? Hanna Lehmann gab die Anstöße dafür, dass die Katholische Akademie immer mehr ihrer Themen in Taten umsetzte. Das begann mit Stromsparen, und es ging immer weiter: mit einer Photovoltaikanlage auf dem Dach, der Abschaffung der Akademie-Autos, dem Umstieg auf Bio-Essen und vielem mehr. Es gab dabei nie ein Konzept, alles entwickelte sich nach und nach, durch viele Diskussionen und «Learning by Doing».

Großes Engagement, große Beachtung

Dank Hanna Lehmann wechselte die Katholische Akademie zur Ökobank, dem Vorläufer der GLS-Bank, und tauschte den Atomstrom gegen den «sauberen Strom» der Schönauer ein. Dabei gab es viele Widerstände zu überwinden, auch gegen den Versuch der katholischen Kirche, die Energieversorgung über einen Rahmenvertrag für alle kirchlichen Einrichtungen zu regeln. Hanna Lehmann überzeugte das Konzept nicht, weil es auf einem altem, längst abgeschriebenen Wasserkraftwerk aufbaute, anstatt mit politischer Stoßrichtung in ökologische Neuanlagen zu investieren, wie das die Schönauer taten.

Ihr Engagement stieß auf große Beachtung: 1999 wurde die Katholische Akademie als erste Bildungseinrichtung und erste große katholische Einrichtung in Deutschland nach dem «Eco-Management and Audit Scheme» (EMAS) als ökologisch vorbildlich geprüft und zertifiziert. 2003 folgte die Auszeichnung für Hanna Lehmann als Stromrebellin. 2015 erhielt sie das inzwischen sechste EMAS-Zertifikat.

Mit viel Energie gegen alle Widerstände

Auch bei ihrem Mann, den sie Mitte der 1980er-Jahre kennenlernte, hat sie erlebt, welche Widerstände es bei innovativen Ideen zu überwinden gibt: Bis seine Solarsiedlung zum Vorzeigeprojekt wurde, gab es harte Durststrecken zu überstehen. Und doch ist klar, dass es sich lohnt. «Ich bin ein positiver Mensch und möchte noch vieles erreichen», sagt Hanna Lehmann. Diese Energie teilt sie mit allen Stromrebellen. 

30. Juni 2016 | Energiewende-Magazin