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Aus Schönau ins Weiße Haus

Ein Bericht von Constanze Wolk

Im April 2011 empfing der US-Präsident Ursula Sladek. Die hatte für Obama ein Geschenk dabei und sorgte damit für Wirbel im Oval Office.

Sie schaut schon ein bisschen verschmitzt, wenn sie die Geschichte erzählt von ihrem Treffen mit dem amerikanischen Präsidenten. Das war am 13. April 2011, einem eher kühlen Mittwoch. Zwei Tage zuvor war Ursula Sladek in San Francisco mit dem «Goldman Environmental Prize» ausgezeichnet worden. Der gilt als «Nobelpreis des Umweltschutzes» und wird jedes Jahr an sechs «furchtlose Aktivisten» verliehen an «Umwelt-Helden» von allen sechs bewohnten Kontinenten, die «außerordentlichen Problemen» die Stirn bieten und «für den Umweltschutz ein besonderes persönliches Risiko eingegangen sind». Die «Stromrebellin» aus dem eher beschaulichen Schönau im Schwarzwald hatte die Jury mit ihrem «Kampf gegen Atomstrom» und ihrem «bedeutenden Beitrag zur Demokratisierung der Stromversorgung» hierzulande überzeugt. Ursula Sladek habe mit ihrer «Pionierarbeit bewiesen, dass Stromversorgung bürgereigen und dezentral organisiert werden kann».

Für mich war das schon eine ganz besondere und sehr aufregende Reise.

Ursula Sladek

Dass mit der Auszeichnung auch ein Empfang bei Präsident Obama im Weißen Haus verbunden sein würde, wusste die Chefin des deutschlandweit ersten bürgereigenen Energieversorgers schon vor ihrer Reise in die USA. Und sie hatte sich darauf vorbereitet: «Ich habe mir überlegt, dass ich ihm ein Geschenk mitbringen müsste. Denn wenn man zu Besuch kommt, bringt man ja eigentlich auch immer etwas mit.» Was lag da näher, als «100 gute Gründe gegen Atomkraft». Diese hatten die Elektrizitätswerke Schönau zwei Jahre zuvor als Hosentaschenfibel herausgebracht und auf einer Kampagnenwebseite vorgestellt. Mehr als 30 Umweltorganisationen unterstützten diese Aktion. Ursula Sladek ließ die 100 Gründe kurzerhand ins Englische übersetzen und steckte sie mit ins Reisegepäck. Allerdings war dann schon noch eine gute Portion Chuzpe nötig, um dem Präsidenten die Botschaft aus Schönau tatsächlich in die Hand zu drücken.

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Ursula Sladek über ihren Besuch im Weißen Haus

Rückblickend wirkt die «furchtlose Aktivistin» fast selbst etwas überrascht. War es ihr doch geradezu frech gelungen, mit ihrer Botschaft das Hochsicherheitssystem der amerikanischen Machtzentrale zu unterwandern: Schlicht durch den «komfortablen» Umstand, wegen eines gebrochenen Fußes im Rollstuhl durchs Weiße Haus chauffiert zu werden, sich dadurch einfach auf die «100 guten Gründe gegen Atomkraft» draufsetzen und sie so an jeglicher Kontrolle vorbei schmuggeln zu können. «Es ist aber natürlich nicht so, dass ich so was mal eben ganz locker machen würde», sagt Ursula Sladek heute. «Ich musste da schon all meinen Mut zusammennehmen.»

Dann tatsächlich mitten im Oval Office zu stehen, sei ein «unglaubliches Gefühl» gewesen. Die letzten Meter vom Vorzimmer in das weltbekannte Büro des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika war sie auf Krücken gegangen – ihr «Geschenk» für Obama zusammengerollt in der Hand.

Der Präsident sei interessiert und zu allen sehr freundlich gewesen, habe mit jedem einzelnen Preisträger gesprochen, ihm die Hand geschüttelt, sich Zeit genommen. Ursula Sladek stand gegen seinen Schreibtisch gelehnt, den berühmten «Resolute Desk», und sei dann doch ziemlich aufgeregt gewesen, kurz bevor sie an der Reihe war. «Ich konnte dem Präsidenten die ‹100 guten Gründe› gegen die Atomenergie nun ja nicht nur so einfach überreichen. Ich musste dazu doch auch etwas sagen», erinnert sie sich.

Anti-Atomkraft-Offensive im Oval Office

Vielleicht war es die Botschaft ihrer Dankesrede bei der vorangegangenen Preisverleihung, die Ursula Sladek dann im Oval Office selbst ermutigt hat: «Das Wichtigste ist, dass wir etwas tun», lautete der Schlusssatz ihrer kurzen Ansprache beim Festakt im Opernhaus von San Francisco. Sie hatte durchaus kritischen Töne zur Energiepolitik der USA angeschlagen und zu mehr Engagement für die Erneuerbaren Energien aufgefordert, was mit reichlich Applaus honoriert worden war. «Also die Amerikaner wollen schon auch etwas zum Klimaschutz beitragen», erklärt Ursula Sladek die Situation auch aus heutiger Sicht. «Aber sie sind überzeugt, dass dies nur mit Atomenergie möglich ist.» Dabei hätte das Land reichlich erneuerbare Energien zur Verfügung. Dem Präsidenten der USA höchstpersönlich zu sagen, dass Atomenergie durchaus verzichtbar ist, und das mit ihrem klammheimlich eingeschleusten Mitbringsel aus Schönau auch gleich 100fach zu belegen, hat Ursula Sladek zu guter Letzt auch geschafft.

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Ursula Sladek über ihren Besuch im Weißen Haus

«Erstaunt» sei Obama gewesen und er habe sehr «skeptisch geguckt», als sie an seinem Schreibtisch lehnend die beiden Krücken in die eine Hand genommen und ihm mit der anderen die «100 good reasons against nuclear power» entgegengestreckt hat. Aber er habe ihr zugehört und die überraschende Anti-Atomkraft-Offensive der eher zurückhaltend wirkenden deutschen Umwelt-Aktivistin entgegengenommen. Natürlich hatte Ursula Sladek damals die Hoffnung, den Präsidenten mit den schlagkräftigen Argumenten vielleicht zum Umdenken anregen zu können. Heute schaut sie zwar humorvoll zurück, klingt aber deutlich abgeklärter: «Ich hoffe, dass er das auch mal gelesen hat.»

08. Juli 2016 | Energiewende-Magazin