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Blumen mit Risiken und Nebenwirkungen

Ein Beitrag von Gunther Willinger

Gute Gründe für mehr Bio-Anbau: Während Blumen aus Gewächshäusern das Klima schädigen, sind solche aus Tropenländern zudem extrem pestizidbelastet.

Biologisch, saisonal und regional angebaute Schnittblumen haben es schwer, sich gegen das internationale Geschäft durchzusetzen. Rosen, Nelken, Lilien und andere Blumenarten werden überwiegend aus Kenia, Äthiopien, Kolumbien oder Ecuador importiert, wo Löhne und Umweltauflagen niedriger sind. In Europa wachsen konventionelle Schnittblumen normalerweise in großen Monokulturen – häufig in riesigen Gewächshäusern mit Hunderttausenden Stielen pro Hektar. Manche der Blumen, so die meisten Tulpen, wachsen hydroponisch, also ohne Erde in einem wässrigen Medium, während Tulpenzwiebeln für das kommende Jahr auf dem Acker gezogen werden. Je nach Anbaugebiet und Ansprüchen der Art müssen die Gewächshäuser unter hohem Energieaufwand beheizt, die geschnittenen Blumen gekühlt und über weite Strecken transportiert werden. Marktführer beim Export von Schnittblumen sind die Niederlande: Das flächenmäßig kleine Land hat einen Weltmarktanteil von fast 50 Prozent. Ein großer Teil der Ware wird über die Blumenbörse in Aalsmeer südlich von Amsterdam gehandelt.

Die Wahl zwischen Teufel und Beelzebub

Eine Studie aus dem Jahr 2023, in Auftrag gegeben vom Schweizer Migros-Konzern und Fairtrade International, kam zu dem Ergebnis, dass die Produktion von Gewächshausrosen in den Niederlanden rund dreimal mehr Treibhausgase verursacht als per Flugzeug importierte Fairtrade-Rosen aus Kenia. Hauptgrund dafür sei der hohe Energiebedarf für die Beheizung und Beleuchtung der Gewächshäuser in Europa. Die gleiche Studie bescheinigt den kenianischen Rosen dagegen einen zehnfach höheren Pestizideinsatz als bei denen aus niederländischen Gewächshäusern.

Aus der Vogelperspektive: die Dächer großflächiger Glashallen reflektieren monoton den grauen Himmel – dazwischen stehen verloren einige Wohnhäuser.
«Die gläserne Stadt» in der Gemeinde Westland ist das größte ­Gewächshauskulturgebiet der Niederlande: Hier werden Tomaten und Paprika sowie Blumen und Zierpflanzen angebaut. Foto: Nathalie Bertrams

Empfindliche Arten wie Rosen werden während des Anbaus teils mit Dutzenden verschiedenen Pflanzenschutzmitteln behandelt, die nicht nur die Gesundheit der Beschäftigten gefährden, sondern deren Rückstände auch auf den meisten im Handel befindlichen Blumensträußen nachweisbar sind. Die österreichische Umweltschutzorganisation «Global 2000» hat bereits mehrfach Blumensträuße aus dem Handel auf Pestizidrückstände untersuchen lassen, zuletzt zum Muttertag im Mai 2024. Auf manchen Sträußen fand sich ein Cocktail aus über 30 verschiedenen Pestiziden, darunter auch in der EU verbotene Stoffe. Eine Untersuchung der Zeitschrift «Ökotest» im Februar 2023 kam in Deutschland zu ähnlichen Ergebnissen.

Kein Grund zur Besorgnis?

Anders als bei Obst und Gemüse gibt es bei Schnittblumen innerhalb der EU keine speziellen gesetzlichen Regelungen für Rückstandshöchstmengen. Das deutsche Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) sieht in einer Stellungnahme vom April 2021 trotzdem «keinen Grund zur Besorgnis», empfiehlt Florist:innen aber ausdrücklich das Tragen von Schutzhandschuhen. In Frankreich schätzt man das Gesundheitsrisiko durch Pestizide höher ein: Dort gelten Parkinson und bestimmte Krebserkrankungen als berufsbedingt, wenn ein Zusammenhang mit Pestiziden besteht. Zudem müssen die Hersteller einen Teil ihrer Erlöse in einen Entschädigungsfonds einzahlen. Schlagzeilen machte der Fall einer französischen Floristin, deren Kind an Leukämie starb. Während der Schwangerschaft war sie bei einem Blumenimporteur täglich Pestiziden ausgesetzt. Ein Gutachtergremium stellte einen kausalen Zusammenhang zwischen der Pestizidexposition und der Krebserkrankung des Kindes fest und bewilligte eine Entschädigung.

Inzwischen hat man in Deutschland nachgezogen, seit Herbst 2024 gilt eine pestizidbedingte Parkinsonerkrankung auch hierzulande als landwirtschaftliche Berufskrankheit. Inwieweit Ansprüche von den gesetzlichen Unfallversicherungen tatsächlich anerkannt werden, bleibt abzuwarten.

 

In einem Gewächshaus stehen bündelweise geschnittene Rosen, eingerollt in blaue und grüne Gitterplanen.
Mit langen dicken Stielen und großen Blütenköpfen entsprechen die ecuadorianischen Rosen den Wünschen der europäischen Kundschaft. Dass sie per Flugzeug importiert werden und stark pestizidbelastet sind, erfährt nur, wer es genau wissen will. Foto: Kseniya Ragozina / Adobe Stock

Öko als Blendwerk

Problematisch ist zudem: In tropischen Anbauländern führen zwar einige Anbieter das «Eco» im Namen, wie «EcoRoses» oder «Ecoflowers», eine Biozertifizierung fehlt jedoch fast immer. Das bedeutet, dass voraussichtlich auch dort Pflanzenschutzmittel und chemisch-synthetische Dünger eingesetzt werden. Das gilt ebenso für Fairtrade-Blumen: Das Siegel steht für bessere Arbeitsbedingungen, macht aber keine verbindlichen Vorgaben für die Nutzung von Pflanzenschutzmitteln. Andrea Frankenberg von föga / Bioland sagt, dass ihr international kein einziger Betrieb bekannt sei, der Schnittblumen in Bioqualität aus den tropischen Erzeugerländern nach Deutschland liefern würde, und ergänzt: «Wenn Verbraucher, Floristen und Händler da etwas offensiver wären, würde sich insgesamt – auch in Europa – sicher mehr tun.»

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03. November 2025 | Energiewende-Magazin