Direkt zum Inhalt der Seite springen

CO₂-Preis – was tut sich in Europa?

Ein Bericht von Bernward Janzing

Mehrere Länder in Europa setzen auf eine nationale Bepreisung von CO₂-Emissionen. Mitunter fließt das Geld als Pauschale an die Bürger zurück.

Mit welchen politischen Weichenstellungen lässt sich der CO2-Ausstoß senken? Nachdem der Emissionshandel – ein in der Theorie sehr charmantes Modell – in Europa seit über zehn Jahren kaum Wirkung zeigt (die EU hatte nie den Mut, die zulässigen Mengen wirkungsvoll zu kappen), denken einzelne Länder über eigene Wege nach. Bevorzugtes Modell ist inzwischen eine CO2-Abgabe.

Beispiel Schweiz

Alljährlich im August erhalten die Schweizer Bürger ein stets gleich lautendes Schreiben. Nur eine Zahl ändert sich von Jahr zu Jahr. «Warum Sie 88,80 Franken erhalten», stand beim letzten Mal darüber. Im Vorjahr waren es 67,80 Franken gewesen.

Die frohe Kunde kommt alljährlich vom eidgenössischen Umweltdepartement. Denn dieses bezuschusst mit einem wiederholt aufgestockten Betrag die Krankenversicherung eines jeden Bürgers. Das Geld stammt aus einer Lenkungsabgabe, die seit 2008 unter anderem auf den Verbrauch von fossilen Brennstoffen wie Heizöl oder Erdgas erhoben wird. Ergänzend wird die Abgabe auch auf die Nutzung organischer Verbindungen fällig, die für hohe Ozonwerte im Sommer verantwortlich sind.

Die Schweizer Bürger bezahlen also einerseits einen Aufschlag auf den Preis der Brennstoffe – und werden dafür andererseits beim Krankenkassenbeitrag entlastet. Dass das Geld ausgerechnet über die Krankenversicherer zurückgegeben wird, hat alleine den praktischen Grund, dass diese über das aktuellste Einwohnerregister verfügen, da die Grundversicherung in der Schweiz obligatorisch ist.

Abgabe auch sozialpolitisch vorteilhaft

Das ganze Konzept klingt nun nach einem Nullsummenspiel, und für den Staatshaushalt ist es das auch; was in die Kasse reinkommt, fließt an die Bürger zurück. Mit einem gewollten Effekt freilich: Wer sich umweltgerecht verhält, und wenig fossile Energie verbraucht, kriegt alljährlich mehr erstattet als er zuvor eingezahlt hat. Wer hingegen viel verbraucht, zahlt drauf. Aufgrund der Pro-Kopf-Regel profitieren tendenziell die Familien.

Dass eine CO2-Abgabe auch sozialpolitisch willkommene Effekte haben kann – vorausgesetzt, sie ist richtig konzipiert – haben bereits 2016 Forscher des «Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change» (MCC) in Berlin errechnet. Der entscheidende Punkt ist laut Studie die Verwendung der Einnahmen, die aus der Abgabe resultieren. Nutzt der Staat diese, um im Gegenzug die Einkommensteuer linear zu senken, ist die Wirkung regressiv, es profitierten also Haushalte mit hohem Einkommen, womit die Kluft zwischen Arm und Reich noch vergrößert werde. Werden die Steuereinnahmen hingegen in Form einer Pauschale zurückerstattet – etwa in Form einer jährlichen Kopfprämie –, ist ihre Wirkung progressiv, begünstige also niedrigere Einkommen.

Zwar geben ärmere Haushalte einen prozentual höheren Anteil ihres Einkommens für CO2-intensive Güter wie etwa Energie oder auch Lebensmittel aus, absolut gesehen konsumieren allerdings in der Regel die Reichen mehr Kohlendioxid. Weil bei diesem Rückerstattungsmodell jeder profitiert, der weniger CO2 verursacht als der Durchschnittsbürger, werden arme Haushalte begünstigt.

 

Ansicht eines Dorfes im Winter mit qualmenden Schornsteinen
Die sogenannte Lenkungsabgabe wird in der Schweiz unter anderem auf Heizöl erhoben. Foto: matousekfoto

Schweiz: 96 Franken pro Tonne

Zum 1. Januar 2018 ist die Höhe der Lenkungsabgabe in der Schweiz erneut gestiegen. Sie beläuft sich auf nunmehr 96 Franken pro Tonne CO2 (rund 84 Euro). Der Anstieg folgte gemäß einer im Jahr 2012 erlassenen Verordnung einem Automatismus: Weil die nationalen CO2-Emissionen 2016 gegenüber dem Vergleichswert von 1990 nur um 24,8 Prozent reduziert waren, das angestrebte Ziel von 27 Prozent mithin verfehlten, stieg die Abgabe von zuvor 84 Franken automatisch an.

Für einen Liter Heizöl sind nun 25,44 Rappen je Liter fällig, das entspricht rund 22 Eurocent. Auch Erdgas und Kohle werden entsprechend belastet. Treibstoffe und Strom allerdings sind noch befreit, weil der Aufschlag in diesen Sektoren politisch noch nicht durchsetzbar war. Aber die Ausweitung der Steuer wird immer wieder diskutiert.

Zumal auf kantonaler Ebene bereits seit 1999 eine Lenkungsabgabe auf Strom existiert. Auch der Kanton Basel-Stadt setzt auf das Prinzip der Pro-Kopf-Rückvergütung: Je nach Art des Stromtarifs werden zwischen 4 und 5,2 Rappen pro Kilowattstunde (umgerechnet 3,5 bis 4,5 Eurocent) erhoben, im Gegenzug wird jährlich ein Bonus für jeden Einwohner bezahlt; dieser belief sich 2017 auf 65 Franken.

Zudem erhält jedes Unternehmen einen fixen Prozentsatz seiner Lohnsumme ausgeschüttet, 2017 waren es 0,31 Prozent. Von diesem Arbeitsplatzbonus profitieren folglich jene Firmen, die überdurchschnittlich viele Mitarbeiter beschäftigen, aber zugleich weniger Strom verbrauchen als der Durchschnitt.

Großbritannien: Kohlestrom wird zum Auslaufmodell

Dass nationale CO2-Preise auch im Rahmen der Europäischen Union möglich sind, demonstriert längst Großbritannien mit seinem Konzept Carbon Price Floor. Bereits Anfang des Jahrzehnts beschloss die britische Regierung, einen Zuschlag auf den CO2-Preis des europäischen Emissionshandels zu erheben. Dieser sogenannte «Carbon Support Price» (CPS) gilt seit April 2013 und liegt aktuell bei 18 Pfund pro Tonne, was gut 20 Euro entspricht. Zusammen mit dem Tonnagepreis des Emissionshandels – die in den letzten beiden Jahren zwischen 4 und knapp 10 Euro pro Tonne schwanken – ergibt sich der Gesamtpreis für Abgasemissionen. Dieses Konzept beschränkt sich allerdings auf den Stromsektor.

Dort aber ist der Erfolg deutlich – die nationale Kohlestromerzeugung geht seither rapide zurück. Ein markantes Ereignis vermeldete der Übertragungsnetzbetreiber «National Grid» für den 21. April 2017: Erstmals seit der industriellen Revolution, seit den 1880er-Jahren also, erzeugte Großbritannien landesweit über 24 Stunden hinweg nicht eine einzige Kilowattstunde Kohlestrom.

 

Ein altes Kohlekraftwerk direkt neben einer Siedlung.
Das britische Kohlekraftwerk Eggborough (North Yorkshire) ist eines der größten auf der Insel. Laut BBC soll es im September 2018 vom Netz gehen. Foto: John Giles/PA

 

Auch wenn diese Konstellation noch eher eine spektakuläre Momentaufnahme, darstellt, soll dieser Zustand doch zunehmend zur Normalität werden – das Vereinigte Königreich will bis 2025 ein Land ohne Kohlestrom werden. Das Ende könnte sogar noch schneller kommen, denn allzu weit ist der Weg dorthin nicht mehr. Und zuletzt ging es flott voran: Im Jahr 2017 erzeugte Großbritannien gerade noch 23 Terawattstunden (Milliarden Kilowattstunden) Kohlestrom, nachdem es fünf Jahre zuvor noch 143 waren. Im Extremfall sank der Wert binnen eines Jahres – von 2015 auf 2016 – um satte 46 Terawattstunden.

Damit lag der Anteil der Kohle am nationalen Strommix 2017 bei nur noch knapp sieben Prozent; im Gegenzug steigerten die (weniger klimaschädlichen) Gaskraftwerke ihre Erzeugung und auch die Erneuerbaren wurden stetig ausgebaut. Die Erzeugung von Atomstrom blieb unterdessen konstant. Sie wird trotz des projektierten Baus der Reaktoren Hinkley Point C in Zukunft eher sinken als steigen, denn zahlreiche Altreaktoren sollen in den nächsten Jahren abgeschaltet werden. Alleine vier in Schottland, wojeweils die beiden Blöcke Hunterston B und Torness mit zusammen mehr als 2.000 Megawatt Leistung bis 2023 vom Netzgenommen werden solllen, nachdem Schottland – anders als England –den Atomausstieg vorantreibt.

Frankreich: CO2-Abgabe – und sie wird steigen

Auch Frankreich ergänzte im Jahr 2014 seine Energiesteuern um eine CO2-Komponente. Der Beitrag für Klima und Energie (contribution climat-énergie) betrifft aber nur Bereiche, die nicht bereits dem Emissionshandel unterliegen – also Kraft- und Brennstoffe.

Zu Beginn war die Höhe des CO2-Beitrags auf 7 Euro pro Tonne festgesetzt worden, seither stieg der Satz jährlich auf nunmehr 44,60 Euro im Jahr 2018. Daraus ergibt sich zum Beispiel für Benzin ein Aufschlag von 10,4 Cent pro Liter, beim CO2-intensiveren Diesel sind es 11,8 Cent. Die Regierung von Emmanuel Macron will die Abgabe kontinuierlich um 10,40 Euro pro Jahr erhöhen, bis sie dann 2022 bei 86,20 Euro liegen soll.

Aber Frankreich will auch jene Sektoren, die bereits dem europäischen Emissionshandelssystem unterliegen, also Kraftwerke und Industrie, stärker für ihren CO2-Ausstoß in die Pflicht nehmen. Bereits 2016 hatte die Regierung eine CO2-Abgabe für Kohlekraftwerke ins Gespräch gebracht, die sich auf 30 Euro pro Tonne belaufen soll. Da in Frankreich die fossilen Energien ohnehin nur wenige Prozent Anteil am Strommix haben, fällt diese Entscheidung leicht – und die französische Atomkraft dürfte sogar profitieren.

 

Präsident Emanuel Macron spricht, im Hintergrund das Logo One Planet Summit.
Emanuel Macron auf dem «One Planet Summit» im Dezember 2017 in Paris: «Beim Klima gibt es keinen Plan B, weil es keinen Planeten B gibt.» Foto: Philippe Wojazer/AFP

 

Auch wenn die Motivation der Länder für eine CO2-Steuer mitunter verschieden sein mag, wird doch eine gemeinsame Stoßrichtung sichtbar. So fand im Januar 2018 die Forderung nach einer CO2-Steuer denn auch Eingang in die deutsch-französische Resolution zum 55. Jahrestag des Élysée-Vertrags. Formuliert ist darin das Ziel, «gemeinsame Initiativen insbesondere zum CO2-Preis vorzuschlagen» – eine wachsweiche Aussage zwar, die aber immerhin als Indiz dafür gelten darf, dass Deutschland und Frankreich einen gemeinsamen Weg beim Klimaschutz gehen wollen.

Diese Kooperation hatte sich bereits im Dezember 2017 angekündigt. Umwelt- und Klimaminister aus Frankreich, Deutschland, dem Vereinigten Königreich, Schweden und den Niederlanden, hatten auf dem «One Planet Summit» in Paris vereinbart, eine Bepreisung von CO2-Emissionen zumindest zu prüfen. Schweden hat bereits seit 1991 Erfahrungen mit einem solchen Steuermodell, wobei die Skandinavier die Höhe der Abgaben je nach Wirtschaftsbereich unterschiedlich festgelegt haben.

Marktnahe Lösungen statt Ordnungsrecht

Mittlerweile setzt sich in Europa die Sichtweise durch, dass die CO2-Emissionen am günstigsten marktwirtschaftlich, durch eine spürbare Bepreisung, zu senken seien. Vor einigen Jahren war auch ein ordnungsrechtlicher Ansatz noch intensiv diskutiert worden, doch um dieses Konzept ist es ruhiger geworden.

So hatte der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer Kohlendioxidgrenzwerte für Kraftwerke vorgeschlagen. Mit einem ähnlichen Instrument – der Großfeuerungsanlagenverordnung – hatte Deutschland in den achtziger Jahren einen Technologieschub im Kraftwerkssektor ausgelöst und den nationalen Ausstoß von Schwefeldioxid und Stickoxiden erheblich gesenkt.

Entsprechend regte Töpfer auch für Kraftwerke einen CO2-Höchstwert an und brachte einen Maximalwert von 450 Gramm pro Kilowattstunde ins Spiel. Im ersten Schritt sollte das Limit nur für Neuanlagen gelten, schrittweise aber auf bestehende Kraftwerke ausgeweitet werden. Auch damit wäre das Ende der Kohleverstromung eingeläutet worden – doch der marktwirtschaftliche Ansatz findet derzeit in Politik und Gesellschaft mehr Unterstützer.

So verfassten im November 2017 51 Unternehmen und Verbände unter dem Titel «Für Innovationen und Investitionssicherheit» ein Papier, in dem sie von der Politik ein «investitionsrelevantes CO2-Preissignal» fordern. Selbst der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), nicht gerade als ökologischer Vorreiter bekannt, betonte, ein erfolgreicher Klimaschutz brauche eine «wirksame CO2-Bepreisung», ein «starkes Preissignal».

Unterdessen veröffentlichte das Berliner Institut MCC Ende Februar eine Studie, laut der selbst Länder, die eher im nationalen Interesse agieren, auf lange Sicht einen Anreiz hätten, sich an einer internationalen Klima-Kooperation zu beteiligen und CO2-Preissystemen beizutreten.

Der internationale Zuspruch wächst

Angesichts dieser Argumente und der zunehmenden Zahl von Protagonisten beginnt sich offenbar auch ein Dreierbündnis zusammenzufinden, das gemeinsam eine CO2-Besteuerung aufbauen will: Deutschland und Frankreich bekommen zunehmend Unterstützung aus den Niederlanden. Umweltverbände, wie etwa der WWF, sehen mit dieser Konstellation bereits eine große Chance, in Europa endlich klimapolitische Fortschritte zu erzielen – auch, weil der Vorstoß weitere Länder zum Mitmachen bewegen könnte.

Die Niederlande nämlich haben sich gerade deutlicher als je zuvor klimapolitisch positioniert. Die aus vier Parteien bestehende Regierung hat den Ausstieg aus der Kohleverstromung bis 2030 beschlossen und setzt dabei auf einen CO2-Mindestpreis von 18 Euro pro Tonne ab 2020 im Stromsektor. Bis 2030 soll dieser Satz auf 30 Euro steigen.

«Die Niederlande werden nachhaltig» steht im Koalitionsvertrag vom vergangenen Herbst. Aun seiner Regierungserklärung vom November bekräftigte Ministerpräsident Mark Rutte dann, dass eine «ehrgeizige Klimapolitik notwendig» sei. Ein solcher Schritt sei über alle Ideologien erhaben, betonte er: «Das ist weder links noch rechts, weder liberal noch konfessionell – es ist schlicht eine Notwendigkeit.»

 

Mehr zum Thema

  • Kohlehalde und rauchende Kohlekraftwerke

    «Mehr Klimaschutz durch CO₂-Abgabe»

    Um das Klima effektiv zu schützen, gründen Klimaschutzakteure in Freiburg einen Verein, der sich für eine nationale Kohlendioxid-Abgabe starkmacht.

  • Porträt Ursula Sladek

    «Wir haben keine Zeit mehr»

    Der Einsatz fossiler Brennstoffe muss radikal reduziert werden. Ursula Sladek fordert deshalb eine nationale CO₂-Abgabe.

27. März 2018 | Energiewende-Magazin