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Kalifornien – Klima-Bollwerk gegen Trump

Ein Bericht von Kerstin Zilm

Kalifornien ist seit Jahrzehnten Vorreiter in Sachen Umweltschutz. Die Trump-Regierung droht, den Fortschritt zu torpedieren. Der «Golden State» ist entschlossen, es mit Washington aufzunehmen.

Nach der Wahl von Donald Trump zum 45. US-Präsidenten schrieben der kalifornische Senat und das kalifornische Abgeordnetenhaus in einer gemeinsamen Erklärung: «Heute morgen sind wir mit dem Gefühl aufgewacht, Fremde im eigenen Land zu sein, denn gestern haben US-Bürger Ansichten über eine pluralistische und demokratische Gesellschaft ausgedrückt, die absolut unvereinbar mit den Werten der Kalifornier sind.» Weiterhören statt lesen – dieser Artikel als mp3-Datei.

Im Westküstenstaat hatte die demokratische Kandidatin Hillary Clinton einen überwältigenden Sieg errungen. Nur etwa 30 Prozent der Wähler Kaliforniens gaben Donald Trump ihre Stimme. Politiker und Wissenschaftler des US-Bundesstaates versprachen Widerstand gegen jegliche Versuche des neuen Präsidenten, kalifornische Werte einzuschränken.

Wir sind die fünft- oder sechstgrößte Wirtschaftskraft der Welt. Wir haben eine Menge Macht.

Gouverneur Jerry Brown

Donald Trump war da noch nicht ins Amt eingeführt. Doch seine Ziele in der Klimapolitik hatte er während des Wahlkampfs mehr als deutlich gemacht. Unter dem Jubel seiner Anhänger bezeichnete Trump den Klimawandel als Erfindung der Chinesen und holte Leugner der Erderwärmung als Berater in sein Team. Er versprach, Regulierungen zum Umweltschutz zurückzunehmen, umstrittene Pipeline-Projekte zu genehmigen sowie das Fördern von Kohle und Gas zu erleichtern, um Arbeitsplätze zu schaffen.

Kalifornien ist wild entschlossen, sich dieser Politik entgegenzustemmen. «Wir wissen, was in der Welt passiert: Die Temperaturen steigen, Meeresspiegel steigen, die Ozeane enthalten mehr Säure, Habitate sind unter Stress», sagte Gouverneur Jerry Brown im Dezember 2016 auf einem Kongress der Geophysikalischen Gesellschaft und warnte, dass die Welt vor einer riesigen Bedrohung stehe. «Es sind nicht nur Politiker, sondern große Ölunternehmen und Finanzstrukturen, deren Interessen nicht vereinbar sind mit dem Überleben des Planeten.» Die Wissenschaftler forderte er auf, «alles zu tun, um gegen diese Klimaleugner anzukämpfen.»

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Kaliforniens Gouverneur Jerry Brown im Dezember 2016 auf dem «American Geophysical Union's Fall Meeting» in San Francisco

Der Gouverneur entwarf ein Bild von zwei komplett gegensätzlichen Welten innerhalb der USA, die sich gegenüberstehen. Da ist einerseits die Trump-Regierung in Washington, die Wissenschaft, Forschung und Wahrheiten ignoriert und alternative Fakten verbreitet. Buchstäblich auf der anderen Seite des Kontinents ist Kalifornien: fortschrittlich, finanzstark und mit dem politischen Willen, es mit Washington aufzunehmen: «Mit unserem Bruttosozialprodukt von 2,2 Billionen Dollar sind wir die fünft- oder sechstgrößte Wirtschaftskraft der Welt. Wir haben eine Menge Macht. Wir haben außerdem Wissenschaftler, Universitäten und gute Anwälte.» Auch Trumps Drohung, Satelliten abzustellen, die aus dem All Daten zum Klimawandel sammeln, schüchtert den Gouverneur nicht ein: «Dann schicken wir eben unsere eigenen Satelliten ins All. Wir werden uns durchsetzen. Daran gibt es keinen Zweifel!»

Klimapolitik-Labor Kalifornien

Seit 50 Jahren ist Kalifornien Vorreiter in Sachen US-Umweltpolitik. Präsident Obama passte nationale Grenzwerte und Ziele für die Reduzierung von Autoabgasen an Regulierungen an, die Kalifornien über Jahre entwickelt hat, erklärt David Pettit, Anwalt der Umweltschutzorganisation National Resources Defense Council (NRDC). «Viele Bundesstaaten sind unserem Vorbild gefolgt. Wir sind das Labor für die US-Klimapolitik und haben wiederholt bewiesen, dass Umweltschutz und Wirtschaftserfolg zusammenpassen.» 15 Bundesstaaten haben derzeit die Grenzwerte Kaliforniens übernommen. Ihre Bevölkerung entspricht zusammen etwa 40 Prozent des US-Automarktes.

Winfried Kretschmann und Jerry Brown bei einer Pressekonferenz
Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Gouverneur Jerry Brown unterschreiben das Abkommen zu regionalem Klimaschutz mit globaler Wirkung.

Kalifornien hat mit Städten, Gemeinden und Bundesstaaten in aller Welt Vereinbarungen zur Reduzierung von Abgasen und zum Schutz von unberührter Natur geschlossen. Darunter das 2015 mit Baden-Württemberg initiierte regionale Klimaschutzbündnis «Under2MoU», dem inzwischen andere deutsche Bundesländer sowie weltweit dicht besiedelte Gebiete und Großstädte wie New York und Mexico City beigetreten sind. Für einige dieser Sonderwege sind Sondergenehmigungen der Regierung in Washington notwendig.

Seit 1967 hat Kalifornien mehr als 100 dieser Genehmigungen beantragt – von Abgaskontrolle für Lkws im Hafenverkehr bis zu CO2-Grenzwerten für Gabelstapler. Alle Anträge bis auf einen wurden genehmigt. Präsident Bush verweigerte Kalifornien 2007 die Einführung strikterer Standards für die Reduzierung von Kfz-Emissionen, als der Bund vorschrieb. Der damalige Gouverneur Arnold Schwarzenegger klagte gegen die Entscheidung. Der Gerichtsprozess zog sich bis zur Wahl von Barack Obama hin, der nach seinem Amtsantritt als Präsident die Genehmigung erteilte.

Trumps neuer EPA-Chef, Scott Pruitt, hat nun angekündigt, bestehende Sonderregeln für Kalifornien zu prüfen und in Zukunft Anträge aus Kalifornien für unabhängige Klima-Gesetze und -Vorschriften möglicherweise nicht zu unterzeichnen.

Klima-Pionier seit den 1960er-Jahren

Die Geschichte von Kalifornien als Labor der US-Klimapolitik beginnt Ende der 1960er-Jahre. Damals litt Los Angeles unter den schlimmsten Smog-Bedingungen der USA. Keine Meeresbrise kam gegen die Luftverschmutzung an. Als Hauptverursacher wurden Autoabgase identifiziert. Kalifornien führte als erster US-Bundesstaat Grenzwerte für Kfz-Emissionen ein.

Dann flossen 1969 nach der Explosion auf einer Bohrinsel vor Santa Barbara mehr als zwölf Millionen Liter Rohöl ans kalifornische Ufer, töteten Tausende Fische und Meerestiere und verschmutzten knapp 60 Kilometer Küste. Die Kalifornier bildeten Umweltschutzgruppen. Präsident Richard Nixon unterschrieb den «National Environment Policy Act», und im nächsten Jahr den «Clean Air Act» der Bund und Bundesländern erlaubte, Abgase zu begrenzen. 1970 wurde auch die Umweltbehörde EPA geschaffen. Kalifornien bekam die erste Sondererlaubnis, wegen der hohen Luftverschmutzung strengere Grenzwerte als der Bund festzulegen.

Gesamtansicht der Ölplattform A im Dos-Cuadras-Ölfeld von der Seite
Die Ölkatastrophe, verursacht durch das Unternehmen Union Oil, nahm am 29. Januar 1969 ihren Ausgang auf der Plattform A im Dos-Cuadras-Ölfeld, acht Meilen südöstlich von Santa Barbara. Foto: Doc Searls, Creative Commons
Eine Luftaufnahme der Ölplattform A zeigt, wie auslaufendes Öl das Meerwasser verschmutzt.
Es wurde die bis dahin schlimmste Ölkatastrophe der USA. Weder der Betreiber noch die Regierung waren mit Notfallplänen vorbereitet. Foto: Bud Bottoms
Eine Helferin nähert sich nach der Havarie einem ölverklebtem Vogel, der am Meerufer sitzt.
Zynisch die Reaktion von Union-Oil-Präsident Fred Hartley: «Ich bin erstaunt über so viel Aufmerksamkeit für ein paar tote Vögel.» Foto: Bud Bottoms
Ein historisches Foto zeigt eine Gruppe Menschen, die mit Schaufeln einen ölverklumpten Strandstreifen säubern.
Um das Öl aufzusaugen, benutzte man Heu und Stroh. Foto: Bud Bottoms
Protestestierende veranstalten ein Sit-in.
Schon nach wenigen Tagen gingen die Kalifornier auf die Straße. Mit Sit-ins demonstrierten sie gegen die Vergabepraxis der Ölbohrrechte. Foto: Bud Bottoms
Aktivisten und eine interessierte Bürgerin am Informationsstand der Bürgerinitiative «GOO»
Zahlreiche Bürgerinitiativen wie GOO (Get Oil Out!) entstanden. Es war der Beginn der Umweltschutzbewegung in Kalifornien. Foto: Bud Bottoms

Fakten statt Tweets

Sollte die Trump-Regierung die Sonderrolle von Kalifornien aufheben wollen, steht ein langer Gerichtsprozess bevor. David Pettit wird dabei als NRDC-Anwalt die Interessen des Bundesstaates und seiner Bürger vertreten. Pettit ist zuversichtlich, die Trump-Position entkräften zu können. Fakten und wissenschaftliche Erkenntnisse beweisen aus seiner Sicht, dass Kalifornien weit mehr als andere Bundesstaaten unter den Folgen des Klimawandels leidet, und vor Gericht seien Fakten maßgebend, nicht Behauptungen oder Tweets.

Wir hatten fünf Jahre Dürre. Der Meeresspiegel steigt. Das ganze Jahr über haben wir Waldbrände, nicht nur wie früher im Herbst. Und steigende Temperaturen in der Atmosphäre erzeugen stärkere Stürme.

David Pettit, Anwalt des NRDC

Kalifornien geht voran

Die kalifornische Regierung hat sich Präsident Obamas ehemaligen US-Justizminister Eric Holder für den juristischen Kampf gegen Washington an Bord geholt. Sie hat angekündigt, notfalls allein auf Klimakonferenzen aufzutreten, um die Folgen von der Erderwärmung für Gesundheit und Wirtschaft einzudämmen.

Selbst wenn die US-Umweltbehörde Kalifornien die Sondergenehmigung für Abgasregulierungen verweigern sollte, wird der Staat unabhängig vom Bund einiges für den Schutz der Umwelt tun können. Kalifornien kann beispielsweise sein Emissionshandels-System ausbauen, das Arnold Schwarzenegger 2012 mit dem Ziel einführte, den CO2-Ausstoß bis 2020 auf das Niveau von 1990 zu senken.

Gouverneur Brown und der Kongress haben sich verpflichtet, im Bereich der Sonnen- und Windenergie weiter Innovationen zu entwickeln, bestehende Technologien zu fördern sowie die Aufforstung der Wälder zu beschleunigen. Städte und Gemeinden können weiter ihren Fahrzeugbestand auf Erdgas- und Elektrobetrieb umstellen und dadurch einen großen Markt für diese Fahrzeuge schaffen. Gouverneur Brown arbeitet an einem Gesetzesentwurf für Klimaschutzziele und Emissionsgrenzen, den er im nächsten Jahr zur Volksabstimmung vorlegen will.

NRDC-Anwalt David Pettit warnt trotzdem: «Andere Bundesstaaten werden noch mehr tun müssen.» Er erwartet, dass der Ausbau von der Förderung fossiler Brennstoffe sowie die Abkehr von Erneuerbaren Energien und Emissionsreduzierung der weltweiten Klimapolitik einen herben Schlag versetzen werden. «Zwar können Entscheidungen dieser Regierung von der nächsten aufgehoben werden, doch wir verlieren mindestens vier Jahre im Kampf gegen Erderwärmung und es wird schwerer, diese Zeit aufzuholen und entstandene Schäden zu beheben.»

Der kalifornische Gouverneur scheint von dieser Herausforderung regelrecht euphorisiert zu sein. «Klimaaktivismus war etwas zu zurückhaltend geworden,» sagte er, nachdem US-Präsident Trump mit einer Unterschrift unter sein neustes Klimapolitik-Dekret die Umweltpolitik der Obama-Regierung demontierte. «Dieser Konflikt wird all denen Antrieb geben, die überzeugt davon sind, dass Klimawandel eine existentielle Bedrohung ist.»

Kalifornien-Artikel als Podcast

«Klima-Bollwerk gegen Trump» als mp3-Datei

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27. April 2017 | Energiewende-Magazin