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Sebastian Sladek zum neuen EEG
Die EEG-Novelle 2016 setzt auf die großen Energiekonzerne und schließt die Bürger vom Fortgang der Energiewende aus – das wird so nicht funktionieren.
Die deutsche Energiewende steht am Scheideweg, um nicht zu sagen am Abgrund. Diese Einschätzung wirkt zunächst paradox, ist die Energiewende bis heute doch vor allem eine beispiellose Erfolgsgeschichte: Im Jahr 2015 bestand der deutsche Strommix bereits zu 33% aus Erneuerbaren Energien. Das im Jahr 2000 eingeführte EEG hat damit die kühnsten Erwartungen seiner Gründerväter übertroffen. Das Kalkül, jedem sichere Bedingungen für den Betrieb regenerativer Stromerzeugungsanlagen zu bieten und durch die erwarteten Skaleneffekte erhebliche Kostendegressionen der verschiedenen Technologien – Wind, PV, Biomasse – erreichen zu können, ist vollumfänglich aufgegangen. Selten haben Gesetze die an sie geknüpften Erwartungen derart imposant erfüllen, ja übertreffen können.
Und doch wirkt der Erfolg heute wie ein Pyrrhussieg. Dabei ist der scharfe Gegenwind, der den Erneuerbaren derzeit in Form der EEG-Novelle ins Gesicht schlägt, keineswegs unerwartet. Seit Jahren braut sich ein Unwetter zusammen, das – mittlerweile zum Orkan angeschwollen – nun seine zerstörerische Kraft entfaltet.
Der Angriff auf die Energiewende ist von langer Hand geplant
Den Auftakt machte bereits 2010/2011 das Trio infernale Röttgen, Rösler und Altmaier, denen es nicht nur gelang, die deutsche PV-Industrie innerhalb weniger Wochen nahezu komplett zu demontieren und damit Milliarden-Beträge zu vernichten, die die deutschen Stromverbraucher via EEG-Umlage zum Aufbau dieser Industrie bereitgestellt hatten. Insbesondere Letztgenannter darf sich ans Revers heften, mit einigem PR-Aufwand die Energiewende nachhaltig als Kostentreiber diskreditiert zu haben.
Sigmar Gabriels Eckpunktepapier aus dem Januar 2014 zeichnet dann den Weg in den Abgrund in aller Deutlichkeit vor: Da werden Ausbaukorridore und atmende Deckel eingeführt, die vorausschauende Planung suggerieren sollen und doch nichts weiter sind als massive Bremsklötze; Auktionsverfahren werden als das freie Spiel der Marktkräfte gepriesen, obgleich sich derartige Steuerungsinstrumente zum Ausbau Erneuerbarer Energien in Frankreich und England bereits als völlig ungeeignet erwiesen haben; für den forcierten Ausbau von Offshore-Wind (Windkraftanlagen im Meer) wird eigens ein neues Gesetz aufgelegt, Onshore-Wind sieht sich dagegen mit massiven Vergütungsdegressionen und Zubaubeschränkungen konfrontiert.
EEG-Novelle 2016 ist energiepolitischer Unfug
Seit Jahren drückt sich die Politik um die Lösung immer drängenderer Probleme – Netzausbau, forcierte Entwicklung und Markteinführung von Speichertechnologie, Kohleausstieg, Anreizprogramme und Auflagen für Energieeinsparungs- und Energieeffizienzmaßnahmen. Seit Jahren kennt die Politik nur zwei Instrumente der energiepolitischen Steuerung: Die Möglichkeiten des Kraftwerkszubaus werden sukzessive und ausschließlich zulasten kleinerer und mittlerer Akteure immer weiter eingeschränkt, während die Großverbraucher mittels stetiger Ausweitung der Umlagenbefreiungen mehr und mehr aus der solidarischen Finanzierung der Energiewende, des größten Infrastrukturprojektes seit dem Wiederaufbau, entlassen werden.
Politische Arbeitsverweigerung, gepaart mit so mancher Fehlsteuerung, ist der wahre Kostentreiber der Energiewende. Die EEG-Novelle 2016 konterkariert die in Paris vereinbarten Klimaziele. Der in der Novelle angelegte Versuch, die Energiewende nun zu einem Projekt der Großkonzerne zu machen, wird nicht nur die kleinen und mittleren Energiewende-Engagierten als die bisher maßgeblichen Akteure vom weiteren Fortgang des Projekts ausschließen und so auch zu Akzeptanzverlusten in der Bevölkerung führen. Die Großkonzern-Energiewende mit Offshore-Fokus wischt nicht nur sämtliche Demokratisierungspotentiale vom Tisch, sie wird das gesamte Projekt bei weiter eklatanter Vernachlässigung der tatsächlichen Herausforderungen zusätzlich massiv verlangsamen und verteuern.
Jetzt erst recht!
Womit haben die großen Energiekonzerne so viel politische Fürsorge verdient? Sind sie nicht in den vergangenen Jahren vor allem als Blockierer in Erscheinung getreten? Zu lange hat man sich in deren Vorstandsetagen der totalen Realitätsverweigerung hingegeben, fest im Glauben vereint, die Erneuerbaren Energien könnten keine nennenswerte Rolle in der Stromerzeugung spielen. Heute ist bereits über ein Viertel des Erzeugungsmarkts in den Händen anderer Akteure. Wie also ist diese EEG-Novelle zu bewerten? Ist das energiepolitischer Dilettantismus oder ein Sieg der Lobby? Man weiß nicht, was man schlimmer fände. In jedem Fall werden wir uns nicht die Butter vom Brot nehmen lassen, die Bürgerenergiewende nimmt die Herausforderung an!
Sebastian Sladek, geboren 1977, ist in Schönau im Schwarzwald aufgewachsen und zur Schule gegangen. Er studierte Klassische Archäologie in Freiburg und nahm 2008 seine Tätigkeit bei den EWS auf. Seit 2011 ist er dort in geschäftsführender Verantwortung, seit 2015 auch Mitglied des Vorstands.
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Politik nimmt der Energiewende die Dynamik
Vor allem das neue EEG ist mit verantwortlich, dass Windkraft deutlich ausgebremst wird und der Photovoltaik-Markt weiterhin zu dümpeln droht.