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Politik nimmt der Energiewende die Dynamik

Ein Bericht von Bernward Janzing

Vor allem mit dem neuen EEG: Windkraft wird deutlich gebremst, der Markt der Photovoltaik droht weiterhin zu dümpeln.

Die Energiewende war viele Jahre lang auch eine Demokratisierung der Stromerzeugung: Zehn Jahre nach dem Start des EEG gehörten 42 Prozent der Ökokraftwerke Privatbürgern, weitere neun Prozent Landwirten. Auch Projektierer, Fonds und die Industrie stiegen ein, die etablierten Energieversorger jedoch zögerten. Sie verfügten im Jahr 2010 gerade über 13 Prozent der Kraftwerksleistung im Ökosektor.

Inzwischen ist diese Dominanz der Bürgerprojekte der Politik ein Dorn im Auge. Die Politik will die Stromerzeugung unter Kontrolle halten, solche Dezentralität stört da nur. Also werden Bürgerprojekte zum Beispiel auch durch neue Vorschriften des Kapitalmarktrechts behindert und Erzeuger von umweltfreundlichem Strom für den Eigenverbrauch durch die EEG-Umlage belastet. Und womöglich droht bald sogar eine Stromsteuer auf Eigenerzeugung.

EU und Bundesregierung vernachlässigen die Kleinen

Während also einerseits dezentrale Projekte ausgebremst werden, unterstützt die EU andererseits Neubauten von Atomkraftwerken in Großbritannien. Im Fokus der deutschen Bundesregierung steht unter den Erneuerbaren die Offshore-Windkraft, die sich aufgrund der Projektgröße nicht für die Bürgerbeteiligung eignet.

Auch wenn Bürger ihr örtliches Stromnetz selbst in die Hand nehmen wollen, wird das immer schwieriger. Es gilt längst nicht mehr das Primat der Politik, also die lokale politische Entscheidungshoheit. Vielmehr soll heute die Stromerzeugung übernehmen, wer es am billigsten kann – ohne Rücksicht darauf, dass Stromversorgung Daseinsvorsorge ist, die andere Zwecke verfolgen sollte als die reine Gewinnmaximierung. Ökologische Ziele oder die Beteiligung der Bürger an ihrer Infrastruktur sollen keine Rolle mehr spielen.

Neues EEG bremst Erneuerbare

An vielfältigen Fronten positioniert sich die Bundesregierung somit als Schutzpatron der fossilen Großkraftwerke und tritt bei der Energiewende entsprechend kräftig auf die Bremse: Im Jahr 2025 sollen in Deutschland nicht mehr als 40 bis 45 Prozent des Stromverbrauchs aus Erneuerbaren Energien gedeckt werden. Das steht im neuen EEG, das unter allen politischen Bremsmanövern das heftigste ist.

Verglichen mit der dynamischen Entwicklung in den zurückliegenden Jahren soll es künftig nur noch einen äußerst bescheidenen Fortschritt geben. Denn im Jahr 2015 lag Deutschland bereits bei 33 Prozent Ökostromanteil; allein in den letzten zwei Jahren ist der Wert um sieben Prozentpunkte gestiegen. Zu schnell, findet die Bundesregierung, und setzt nun für die nächsten sieben bis zwölf Prozentpunkte an Zuwachs volle zehn Jahre an.

Feste Zubaumengen für die Windbranche

Um den Markt entsprechend zu bremsen, soll das Förderkonzept ab 2017 komplett umgestaltet werden. Bislang werden die betreffenden Erzeugungsanlagen durch fixe Einspeisekonditionen gefördert. Wer zu gegebenen Konditionen an einem Standort wirtschaftlich arbeiten kann und (sofern für die betreffende Anlage nötig) eine Baugenehmigung bekommt, kann heute sein Projekt realisieren. Die bundesweite Zubaumenge ergibt sich dann schlicht aus den Marktbedingungen.

Diese Praxis hat die Bundesregierung nun beendet. Sie hat feste Zubaumengen definiert, die künftig ausgeschrieben werden. Bei der Windenergie an Land wird ein jährlicher Zubau von 2800 Megawatt vorgegeben. Das ist ein Bruttowert, das heißt, für den Rückbau von Altanlagen gibt es keine Zusatzkontingente. Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland noch gut 3700 Megawatt Windkraft an Land neu errichtet.

Die räumliche Verteilung der Anlagen soll künftig außerdem stärker gesteuert werden. Und deswegen teilt das neue EEG Deutschland in zwei Zonen. In der einen, die vor allem den Süden, den Osten und den äußersten Westen umfasst, soll es keine speziellen Einschränkungen beim Zubau geben. In der anderen hingegen wird der Neubau auf maximal 58 Prozent jener Leistung limitiert, die im Mittel der Jahre 2013 bis 2015 realisiert wurde. Die Bundesregierung begründet diesen Schritt mit Engpässen im Stromnetz. Die formelle räumliche Abgrenzung der limitierten Zone, im Gesetz «Netzausbaugebiet» genannt, darf das Bundeswirtschaftsministerium per Rechtsverordnung vornehmen.

Damit muss die Windbranche zwar Federn lassen, ihr Einsatz der letzten Monate hat sich dennoch gelohnt. Denn zeitweise waren noch deutlich geringere Zahlen im Gespräch. Anfangs sollte die Windkraft sogar zu einer reinen Steuerungsgröße degradiert werden, deren Ausbau sich aus einer komplexen Formel ergeben sollte, in die auch der Zubau aller anderen Technologien eingegangen wäre. Nun kann die Branche mit dem Ergebnis leben, das aus einem Gespräch zwischen Bund und Ländern als Kompromiss hervorging: «Wir danken den Bundesländern für Ihren deutlichen Einsatz», sagte Hermann Albers, Präsident des Bundesverbandes Windenergie.

Ausschreibungen gefährden Akzeptanz der Energiewende

Unterdessen stehen auch bei der Photovoltaik Ausschreibungen an. 600 MW sollen sie jährlich umfassen. Zusammen mit Anlagen, die nicht an der Ausschreibung teilnehmen (Anlagen mit jeweils weniger als 750 kW), setzt die Bundesregierung einen Gesamtzubau von 2500 MW pro Jahr an. Allerdings ist völlig unklar, wie diese Menge erzielt werden soll, nachdem im vergangenen Jahr lediglich 1460 MW installiert wurden.

Die Deutsche Umwelthilfe warnte gar, die Beschlüsse gefährdeten die Akzeptanz für die Energiewende. Es sei fatal, wenn nur noch Kapitalgesellschaften ohne lokalen Bezug zur Energiewende beitragen könnten; für Bürgerenergien, kleine Biogasanlagen und Photovoltaik auf Mehrfamilienhäusern und für das Gewerbe werde eine Beteiligung an der Energiewende zunehmend schwieriger, weil die Planungssicherheit leide.

Heikle Details gefährden lokale Energierzeugung

Fritz Brickwedde, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energie, sagt: «Innovation, Flexibilität und Dynamik der neuen Branchen im Zusammenspiel von sauberer Stromerzeugung, bürgernaher Lieferung und cleveren Speicher- und Systemlösungen sind nicht mehr gewünscht!»

Bei manchen Detailaspekten immerhin hat das zuständige Wirtschaftsministerium auf Kritik im Vorfeld reagiert. Heftig diskutiert wurde die Bagatellgrenze für Kleinanlagen, die noch unter das Regime der Festvergütungen fallen, also nicht an den aufwändigen Ausschreibungen teilnehmen müssen. Diese Grenze betrifft alle Anlagen bis zu einer installierten Leistung von 750 kW, bei Biomasseanlagen gilt abweichend eine Freigrenze von 150 kW.

Allerdings stehen in dem am 8. Juli beschlossenen Gesetz auch heikle Detailaspekte. Da gibt es zum Beispiel den Paragrafen 27a, der bestimmt, dass sich Ausschreibungen und Eigenverbrauch künftig ausschließen. Wer also selbst erzeugten Ökostrom nutzen möchte, kann den Überschussstrom nicht mehr nach EEG verkaufen, sofern die Anlage aufgrund ihrer Größe unter das neue Ausschreibungsmodell fällt.

EEG im Paragrafendschungel

Und dann gibt es auch noch den Paragrafen 88a, mit dem sich die Bundesregierung eine Ermächtigung geschaffen hat, auch Anlagen im Ausland per EEG zu fördern. Damit werden deutsche Stromkunden auch für Windkraft und Solarstrom jenseits der Landesgrenzen bezahlen. Mit der Ermächtigung hat der Bundestag zugleich seine Handlungsoptionen für die Zukunft aus der Hand gegeben, was zwar ganz im Sinne der auf Zentralisierung bedachten EU ist, aber mit einer Bürgerenergiewende nicht mehr viel zu tun hat.

Zugleich verschärft sich mit der Novelle – wie schon mit jeder vorhergehenden – ein grundsätzliches Problem des Gesetzes: Das juristische Gestrüpp des EEG wird immer dichter. Herrlich transparent hatte es einst begonnen: Das Stromeinspeisungsgesetz, das ab 1991 in Deutschland die Grundlage für den Start der Erneuerbaren Energien, vor allem der Windkraftnutzung legte, brauchte nur fünf Paragraphen, keine 500 Wörter. Es war auch von Nichtjuristen zu verstehen.

Das erste EEG im Jahr 2000 hatte dann zwar schon 13 Paragrafen und mehr als 7000 Wörter, doch übersichtlich war auch dieses Werk noch. Mit jeder Novelle aber wurde der Rechtsrahmen komplizierter – und seit dem letzten Gesetz von 2014 hat sich der Umfang des Textes nun abermals verdreifacht.

Wenig ambitionierte Ausbauszenarien

Aus Sicht des Klimaschutzes sind vor allem die wenig ambitionierten Ausbauszenarien für alle Erneuerbaren bedauerlich, zumal selbst aus der etablierten Energiewirtschaft in dieser Hinsicht längst kritische Stimmen zu hören sind. Denn das neue Gesetz wird den Zielen des Pariser Klimaabkommens nicht gerecht.

Getrieben ist die Regierung vor allem durch die Angst vor einer weiter steigenden EEG-Umlage. Denn diese ist längst zu einem Politikum geworden; zu Unrecht zwar, wie Experten wissen, aber das mindert nicht ihre politische Brisanz.

Zu Unrecht deswegen, weil die Entwicklung EEG-Umlage und die Zahlungen an Anlagenbetreiber längst auseinander laufen. Im Jahr 2009 wurden 10,8 Milliarden Euro an die Betreiber von Ökostromkraftwerken überwiesen; die Stromkunden mussten dafür eine Umlage in Höhe von 1,32 Cent pro Kilowattstunde bezahlen. Im Jahr 2015 erhielten die Betreiber dann aufgrund deutlich gestiegener Anlagenzahlen 23,5 Milliarden Euro ausgeschüttet, also gut doppelt so viel wie sechs Jahre zuvor. Die EEG-Umlage verfünffachte sich in diesem Zeitraum aber beinahe. Ursache war vor allem eine neue Form der kaufmännischen Abrechnung, der so genannte Wälzungsmechanismus.

Versteckte Industriesubventionen treiben Strompreise

Hinzu kamen immer mehr Ausnahmen für die Industrie: Während im Jahr 2010 den energieintensiven Betrieben noch 1,5 Milliarden Euro EEG-Umlage erlassen wurden, lagen die Beträge 2014 bereits bei 5,1 Milliarden Euro. Es sind Subventionen, die die Firmen ohne Gegenleistungen erhalten. Diese Summen werden den Kleinverbrauchern zusätzlich in Rechnung gestellt.

Die dadurch in den letzten Jahren massiv gestiegene EEG-Umlage erweckt nun den Anschein stetig steigender Strompreise. Doch die Umlage treibt nicht eins zu eins den Endkundenpreis, denn ihr stehen auf der anderen Seite sinkende Großhandelspreise gegenüber, weil der Ökostrom das Angebot am Markt erhöht. Als alleiniges Indiz der Kosten der Energiewende taugt die Höhe der EEG-Umlage also nicht.

Betrachtet man den Endpreis des Stroms für Haushaltskunden, so ist dieser relativ zur Kaufkraft zuletzt gar nicht mehr teurer geworden. In den zurückliegenden beiden Jahren stieg der Strompreis in Deutschland langsamer als der Durchschnittslohn – Strom ist relativ gesehen also sogar billiger geworden.

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17. Juli 2016 | Energiewende-Magazin