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«Boden darf keine Ware sein»

Ein Bericht von Svenja Beller

Boden, längst ein Spekulationsobjekt, wird immer teurer. Seit 2007 unterstützt eine Genossenschaft – als Käuferin und Verpächterin – Ökobauern mit Rat und Tat.

Wir sind zu Besuch in der nordwestlichen Uckermark, auf einem Hof «wie aus einem Bilderbuch» – so steht es jedenfalls auf der Webseite des Bauernhofs Weggun. Und wenn man von dem eisigen Wind, den regenschweren Wolken am Himmel und dem nassen Boden einmal absieht, dann sieht es an diesem Februartag wirklich ganz und gar nach Bilderbuchidylle aus: Schneeweiße Hühner tummeln sich gackernd um ihre mobilen Ställe, ein drahtiger, schwarz-weißer Hütehund rennt bellend über den Hof, Lämmer blöken aus dem Stall und zwei Katzen lecken eilig das kaputte Ei auf, das ihnen Bauer Frank van der Hulst gerade hingeworfen hat.

Eine Insel im Meer der Monokulturen

Nur die riesigen Maisfelder, die sich um den Hof erstrecken, die unaufhörlich steigenden Bodenpreise und der Streit um das Land – die wollen so gar nicht zu den idyllischen Bildern passen. Frank van der Hulst führt in das Wohnhaus, streift die schlammigen Gummistiefel ab, schlüpft in die Hausschuhe und geht vor in das hellgrün gestrichene Esszimmer: ein brauner Kachelofen in der Ecke, zwei Kreuze an der Wand, Fotos mit seiner Frau Marjolein und den sechs Kindern auf der Kommode. Draußen vor dem Fenster drückt sich die braun-schwarz gescheckte Katze auf die Fensterbank. Van der Hulst legt eine große Luftaufnahme des Hofes und der umliegenden Ländereien auf den Tisch. Rote Linien grenzen darauf die Fläche, die zu ihrem Bauernhof gehört, gegen das Umland ab, das bis auf eine Ausnahme im Besitz eines einzigen Großbetriebs ist. Genau mit diesem Betrieb konkurrieren sie um Land – und auf den ersten Blick wird klar, dass hier auch die Zahlungsfähigkeit unterschiedlich verteilt ist.

Auf einer großen winterlichen Wiese läuft ein Mann mit einem Hund.
Frank van der Hulst mit seiner Hütehündin Jule Foto: Hanna Lenz

Acker- und Weideflächen als Spekulationsobjekt

Kleine landwirtschaftliche Betriebe wie der Bauernhof Weggun werden in Deutschland immer seltener. Da Boden endlich ist, lässt sich hervorragend mit ihm spekulieren – mit Gewinngarantie. Das treibt die Preise in absurde Höhen. Die gesamte Fläche Deutschlands ist nach Berechnungen des Geodatenunternehmens «on-geo» zurzeit 5,5 Billionen Euro wert, Tendenz steigend. Knapp über die Hälfte davon wird landwirtschaftlich bearbeitet, allerdings immer weniger von Kleinbauern wie den van der Hulsts – denn die können sich den Boden unter den Füßen schlicht nicht mehr leisten.

Die Verteilung der Flächen hat ein quasi feudales Ausmaß erreicht.

Aus dem «Bodenatlas», 2015

Allein zwischen den Jahren 2000 und 2010 ist die Zahl der kleinen Betriebe um fast dreißig Prozent geschrumpft, konstatieren die Heinrich-Böll-Stiftung, das Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland und Le Monde diplomatique in ihrem 2015 gemeinsam veröffentlichten «Bodenatlas». Was die Kleinen aufgeben, verleiben sich die Großen weiter ein – belohnt mit EU-Agrarsubventionen, die nach Fläche ausgezahlt werden. Bis 2040 wird sich die durchschnittliche Betriebsgröße von 60,5 auf rund 160 Hektar steigern, prognostiziert eine Studie der Deutschen Zentral-Genossenschaftsbank.

Hinter den Großbetrieben stehen immer öfter Investoren, die eigentlich nichts mit der Landwirtschaft zu tun haben, wie der Rückversicherer Munich Re. Ein Drittel der landwirtschaftlichen Betriebe in Ostdeutschland gehört mittlerweile überregional aktiven Investoren. Boden wird wie Aktien behandelt: Sie kaufen Flächen, um sie später mit Spekulationsgewinn weiterzuverkaufen – oder Land wird zu ständig steigenden Preisen verpachtet.

In Ostdeutschland, wo der Boden nach der Wende günstig war, haben sich die Preise für landwirtschaftlich genutzte Flächen deswegen allein zwischen 2009 und 2018 – dem letzten Erhebungszeitraum des Statistischen Bundesamts – von durchschnittlich 5.900 auf 14.960 Euro pro Hektar gesteigert. «Die Verteilung der Flächen hat ein quasi feudales Ausmaß erreicht», urteilt angesichts dessen der «Bodenatlas».

Genossenschaftlich für Diversität und gegen Preistreiberei

Dass die van der Hulsts in diesem Haifischbecken nicht aufgeben mussten, verdanken sie der «BioBoden Genossenschaft» aus Bochum: Denn die entzieht den Boden dem Spekulationskreislauf. Auf Anfragen von Bauern kauft die Genossenschaft Flächen und verpachtet sie für dreißig Jahre – das gesetzliche Maximum für Ackerland. Alle zehn Jahre wird der Vertrag erneuert und wieder um dreißig Jahre verlängert. Einzige Bedingung für die Pächter: Sie müssen das Land ökologisch bewirtschaften und sich einem Bioverband anschließen. So bremst BioBoden nicht nur die Preisexplosion der Böden, sondern sichert gleichzeitig mehr und mehr Flächen für den ökologischen Landbau. Damit fördert sie eine nachhaltigere Landwirtschaft – und indirekt auch die Bildung von Humus, der als Kohlenstoffsenke im Kampf gegen den Klimawandel helfen kann.

Ein weiter Weg zum eigenen Hof

«Durch BioBoden entstanden neue Perspektiven», erzählt Frank van der Hulst. Zu hohe Bodenpreise hätten ihn anfangs beinahe daran gehindert, überhaupt in die Landwirtschaft einzusteigen – und sie zwangen ihn auch dazu, sein Heimatland, die Niederlande, zu verlassen. Der 53-Jährige kam nicht auf dem üblichen Weg zu seinem Hof, er wurde in keine Bauernfamilie geboren, sondern in eine Stadtfamilie im südniederländischen Eindhoven. Und er wusste schon immer, dass es schwer werden würde, seiner Leidenschaft, der Landwirtschaft, nachzugehen. So arbeitete er zunächst in einer Bank und baute mit seiner Frau ein Marktforschungsinstitut auf; wenn er dann von der Arbeit kam, kümmerte er sich um ein paar Obstbäume und Beerensträucher. Einen eigenen Betrieb in seiner Heimat hätte er sich aufgrund der hohen Bodenpreise nie und nimmer leisten können.

Unter bewölktem Himmel  ist von weitem ein Gehöft inmitten von Wiesen zu sehen.
Der Bauernhof Weggun in der Uckermark konnte mithilfe der Genossenschaft wachsen. Foto: Hanna Lenz
Ein altes Stallgebäude bei grauem Winterwetter, darauf PV-Module
Nach wie vor besteht viel Investitionsbedarf, auf dem Stalldach prangt allerdings bereits die neue Photovoltaik­anlage. Foto: Hanna Lenz
Ein Mann in Arbeitskleidung und Gummistiefeln steht an einem Spalier mit unbelaubten Johannisbeersträuchern.
Frank van der Hulst begutachtet die Johannisbeersträucher, eine der Obstsorten, aus denen Fruchtaufstriche produziert werden. Foto: Hanna Lenz
Eine Reihe von Marmeladengläsern mit dem Markenzeichen von Demeter oben auf dem Etikett.
Die Produkte werden im Hofladen sowie über den Bioverband Demeter vermarktet. Foto: Hanna Lenz

Land war in den Niederlanden schon immer teuer.

Frank van der Hulst, Demeter-Landwirt, Nordwestuckermark

In der Uckermark, nördlich von Berlin, war das damals noch nicht so. Dort fand die Familie van der Hulst 2009 einen kleinen Hof, von dem sie in den Niederlanden nur träumen konnte. Er war zwar zu DDR-Zeiten in der örtlichen «Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft» (LPG) zwangskollektiviert, aber nicht zwangsenteignet worden. 15 Hektar Land gehörten dazu – das war selbst für einen kleinen Betrieb winzig. Das Ehepaar begann, ihn nach Demeter-Richtlinien zu bewirtschaften. «Wir waren uns bewusst, dass es Zeit brauchen würde, um herauszufinden, wie der Hof sich entwickeln sollte», erzählt Frank van der Hulst. Schon bald wurde ihnen klar, dass sie für die Johannis-, Stachel-, Erd-, Brom- und Himbeeren, für den Rhabarber, die Hühner, Schafe, Getreidefelder und Futterwiesen mehr Land brauchten – Land, das bislang ihr Nachbar bewirtschaftete.

Was früher die LPG gewesen war, ist heute zum größten Teil einer von vier Standorten des Unternehmens «Ruhe Agrar» – auf diesem finden sich zwei Biogasanlagen, 13 Beregnungsanlagen, sehr viel Mais. Biogas, einst gepriesen als flexibler Energieträger, ist mittlerweile als raumgreifender Konkurrent zur Lebensmittelproduktion in Verruf geraten. Doch weil man für Biogas pro produzierte Kilowattstunde eine Einspeisevergütung erhält, kann das lukrativer sein als die herkömmliche Landwirtschaft. Und weil Mais die effizienteste Pflanze dafür ist, wird er großflächig angebaut, oft in riesigen Monokulturen.

Dennoch konnte das Ehepaar van der Hulst ihre Fläche von 15 auf 38 Hektar vergrößern. Maßgeblich dabei geholfen hat ihnen Uwe Greff, der Geschäftsführer von BioBoden. Er hatte häufiger an ihrem Marktstand in der «Markthalle Neun» in Berlin-Kreuzberg eingekauft. Da ahnten sie noch nicht, dass er ihnen später fast ihren kompletten Grund und Boden abkaufen würde – auf ihren eigenen Wunsch.

Zu Besuch bei BioBoden

Uwe Greff ist heute hier, morgen da. Er hat keinen festen Büroplatz, die meiste Zeit ist er im ganzen Land unterwegs, um Bauern zu Beratungsgesprächen zu treffen. Heute sind wir mit ihm auf einem Bauernhof am Ortsausgang von Rothenklempenow verabredet, einem 631-Einwohner-Dorf im Osten von Mecklenburg-Vorpommern; die polnische Grenze ist hier zum Greifen nah. Auf diesem Hof hat die BioBoden Genossenschaft ihren Hauptsitz. Ein großes Tor gibt den Blick in einen langen Getreidespeicher frei, die Fassaden sind grau, der große Hof ist gähnend leer. Zottelige Rinder wenden dem 56-jährigen Greff neugierig die Köpfe zu, als er an ihrem Außengehege vorbeiläuft; der Wind kräuselt ihr Fell.

In dieser Region hatte alles angefangen: 2007 wandten sich die Bio-Landwirte Stefan Palme und Rolf-Friedrich Henke im Namen einer Gruppe von Bauern hilfesuchend an die GLS Bank und die GLS Treuhand. Im Zuge der Neuordnung der Eigentumsverhältnisse nach der Wende wollten sie ihre Betriebe vor der Zerschlagung durch den Ausverkauf der Flächen sichern. Die GLS Bank gründete daraufhin die BioBoden Gesellschaft, Gründungsgeschäftsführer wurde Uwe Greff. Er sammelte Geld von 600 interessierten Kunden der Bank ein und kaufte die Flächen der bundeseigenen «BVVG Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH» ab. Jedoch nicht, um damit weiter zu spekulieren, sondern um sie langfristig eben dieser Spekulation zu entziehen. «Boden darf keine Ware sein» – davon ist Greff überzeugt. 

Wir dürfen die Bauern nicht alleine lassen.

Uwe Greff, Geschäftsführer der BioBoden Genossenschaft

Um Landwirten in ganz Deutschland auf diese Weise helfen zu können, gründeten die Gesellschafter schon bald die «BioBoden Genossenschaft». «Eine Genossenschaft ist als Unternehmen mit einem gemeinschaftlichen Zweck und einer demokratischen Struktur dafür gut geeignet», meint Uwe Greff. «Die Herausforderungen, vor denen die Landwirtschaft steht, sind ein gesellschaftliches Thema. Wir dürfen die Bauern damit nicht alleine lassen.» Er will den Menschen die Landwirtschaft wieder näherbringen, denn die habe immer auch eine soziale Funktion gehabt. Im Großen passiert das in der Genossenschaft: Schon knapp 4.700 Mitglieder haben jeweils Anteile im Wert von mindestens 1.000 Euro gekauft. Im Kleinen passiert das aber auch in Rothenklempenow.

Land und Region neu beleben

Früher bestimmte hier eine großflächige Bewirtschaftung mit Monokulturen das Bild, betrieben ausschließlich von Fremdfirmen – zwar ökologisch, aber seelenlos. Als die Betreiber aufhören wollten, entschloss BioBoden nicht nur, die Flächen zu kaufen, sondern auch die Bewirtschaftung selbst zu übernehmen – und zog dann gleich mit dem ganzen Büro in die mecklenburgische Provinz. Anspruch von BioBoden war es, den Hof mit höheren Biostandards, Diversifizierung und Direktvermarktung zu betreiben und ihn wieder neu zu beleben. Zur Verdeutlichung führt uns Greff in den Hofladen neben dem Ge­treide­speicher. Flackernd springen die Lampen an der Decke an und beleuchten Regale voller Bio-Lebensmittel. «Als wir hier hinkamen, gab es so gut wie keine Menschen, die solche Produkte haben wollten«, erklärt Greff. Also luden sie zu Infoveranstaltungen ein, lockten Start-ups in die bevölkerungsarme Region und schufen mittlerweile 29 Arbeitsplätze. Landwirtschaft und Bevölkerung näherten sich wieder einander an. Mit dem wachsenden Verständnis sei auch das Interesse der Anwohner an Produkten aus der Region gewachsen, erzählt Greff. Deshalb sei es inzwischen rentabel, den Hofladen hier zu betreiben.

Kurze Zeit später wandten sich zwei weitere Landwirte aus dem nahe gelegenen Dorf Hintersee und vom Stettiner Haff an die Genossenschaft. Beiden fehlte es an einer Nachfolge – und so entschied BioBoden, auch diese Höfe selbst zu bewirtschaften und alle drei unter dem Namen «Höfegemeinschaft Pommern» zu vernetzen. Gemeinsam vertreiben und veredeln sie ihre eigenen Erzeugnisse, aber auch die von anderen Produzenten aus der Region.

Ein großer Mann in Regenkleidung steht auf einem regendurchnässten Weg neben einer Reihe von Kühen.
Als Geschäftsführer der BioBoden Genossenschaft unterstützt Uwe Greff Biobauern in ganz Deutschland. Foto: Hanna Lenz

Wachstum durch Kauf und Pacht – und durch Beratung

Deutschlandweit verpachtet BioBoden mittlerweile eine Fläche von gut 3.500 Hektar an rund 70 Landwirte. Zum einen kauft die Genossenschaft Flächen für Bauern, damit sie ihren Betrieb halten oder vergrößern können, wie im Fall der van der Hulsts. Zum anderen wenden sich auch viele Bauern an sie, die in den Ruhestand gehen und den Betrieb an die nächste Generation übergeben wollen. «Ein Großteil der Biobetriebe ist in den 1980ern und 90ern gegründet worden, die Bauern gehen jetzt nach und nach alle in Rente», erzählt Uwe Greff. Einen kompletten Betrieb abzukaufen ist aber eine finanzielle Last, die junge Bauern zu Beginn ihrer Karriere selten stemmen können.

Auch bei Übergaben zwischen Eltern und Kindern springt die Genossenschaft deshalb helfend ein. Wie im Fall von Sven Gramsch, der den «Hof Mühlenhamm», den Milchviehbetrieb seines Vaters unweit der Nordseeküste, übernehmen wollte. Da der aber nichts für die Altersvorsorge zurückgelegt hatte, hätte der Sohn nicht nur den Betrieb samt Altschulden abkaufen müssen, sondern auch für die Rente seines Vaters aufkommen müssen. Die Familie wandte sich an BioBoden, die Genossenschaft kaufte den Betrieb und verpachtet die Flächen seither an Sven Gramsch. Der ist nun einer der jüngsten Partnerlandwirte und kann sich frei von großen finanziellen Sorgen auf die Zucht der seltenen Deutschen Schwarzbunten Niederungsrinder konzentrieren. Da so eine Betriebsübergabe alles andere als einfach ist, bietet BioBoden hierzu auch Fortbildungen an.

Die Verantwortung für den Wandel liegt bei uns allen.

Uwe Greff, Geschäftsführer der BioBoden Genossenschaft

Bei den van der Hulsts in Weggun dauerte es zwei Jahre, bis die benachbarten 16 Hektar endlich BioBoden gehörten. Eine Familie aus dem Dorf hatte eine weiter entfernte Fläche zum Kauf angeboten, die sie bis dahin an Ruhe Agrar verpachtet hatte. Aufgrund der Entfernung war sie für die van der Hulsts eher uninteressant. Für den Biogasbetrieb aber war sie wichtig, da auf ihr eine große Beregnungsanlage stand – eine Pattsituation, die keinem der Beteiligten weiterhalf. Das Bauernehepaar und BioBoden gingen das Problem mit einem taktischen Schachzug an: BioBoden kaufte die Fläche und löste die Pacht. Dann bot sie der Unternehmensgruppe einen Tausch an: die Fläche mit der Beregnungsanlage gegen eine Fläche direkt neben dem Bauernhof Weggun, die für die van der Hulsts interessant war. Darauf ließ sich der Großbetrieb letztlich zähneknirschend ein. Die Verkäufer verlangten von BioBoden den marktüblichen Kaufpreis. Die Pacht sei deswegen «nicht billig, aber gerecht», sagt Frank van der Hulst.

Ein grauer moderner Hühnerstall steht auf einer regendurchnässten Wiese, davor etwa 20 weiße Hühner.
So sehen glückliche Hühner aus – mit viel Platz draußen auf dem Feld. Foto: Hanna Lenz

Viel Arbeit und große Träume

Noch einmal muss van der Hulst raus, zu den Hühnern. Er steigt in die schlammverkrusteten Gummistiefel und holt den Eimer mit Muschelkalk, den er den Hühnern zur Stärkung der Knochen zufüttern will. Wäre jetzt Sommer, würde er draußen einigen der bis zu 15 Saisonarbeitern begegnen, die auf den Feldern mithelfen. An diesem Februartag aber beschäftigen sie nur eine Mitarbeiterin, die sich hinter der Tür der Marmeladenküche verborgen hält; nur ein wenig von dem süßlichen Duft eingekochter Himbeeren dringt heraus. Der Regen, der zwischenzeitlich erneut auf das Land niederging, hat aufgehört, die tiefgrauen Wolken am Himmel kündigen aber bereits neuen an. Bei den Hühnern angekommen, springt Hütehündin Jule übereifrig über den Zaun und treibt die Tiere zusammen, sie wirken ein wenig empört, leisten ihr aber Folge.

Land soll etwas Gemeinnütziges sein.

Frank van der Hulst, Demeter-Landwirt, Nordwestuckermark

Frank van der Hulst leert den Muschelkalk in die Tröge. Die Felder, über die er dann seinen Blick schweifen lässt, gehören alle nicht mehr ihm. Bis auf das Hofgrundstück hat die Familie alles an BioBoden verkauft. Doch das stört ihn nicht: «Land soll etwas Gemeinnütziges sein», findet er, «es muss mir nicht gehören.» Und er hat bereits die nächsten Pläne: Er möchte Strom aus Sonnenenergie gewinnen. Wie schon auf dem Hausdach und den Hühnerställen möchte er auf einigen ungünstig zu bewirtschaftenden Flächen Photovoltaikanlagen aufstellen. Damit will er einerseits einen autonom fahrenden Traktor antreiben, der das Strauchobst eigenständig pflegen soll – ein Projekt, das er gerade mit dem Potsdamer Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie entwickelt. Andererseits möchte er sich über BioBoden mit anderen Bauernhöfen für eine gemeinsame Energieversorgung vernetzen. «Vielleicht können wir eine Alternative zum Biogas anbieten, das wäre toll», sagt er und lächelt verschmitzt. «Es ist ein großer Traum.»

Ziel der Genossenschaft

Grafik zur Entwicklung Ökolandbau: Der Anteil der ökologisch bewirtschafteten Fläche stieg zwischen 2010 und 2018 von 5,8 auf 9,1 Prozent an.
Entwicklung Ökolandbau 2010 bis 2018: Immer mehr landwirtschaftliche Fläche in Deutsch­land wird ökologisch bewirtschaftet. Quelle: Statistisches Bundesamt

Einen noch viel größeren Traum hat Uwe Greff im eine Autostunde entfernten Rothenklempenow. «Wir sind dann zufrieden, wenn wir hundert Prozent ökologische Landwirtschaft erreichen», sagt er und schiebt nach: «Ich werde das hoffentlich noch erleben.» Bei dieser Vision stimmt er mit dem polnischen EU-Agrarkommissar Janusz Wojciechowski überein: «Mein Traum ist, dass die gesamte europäische Landwirtschaft Bio sein sollte», sagte Wojciechowski im Januar 2020 auf der «Grünen Woche» in Berlin. Für die deutsche Bundesregierung jedoch liegen solche Ziele in weiter Ferne. Im Koalitionsvertrag einigten sich CDU, CSU und SPD auf gerade einmal zwanzig Prozent Flächenanteil des Ökolandbaus bis 2030. Derzeit liegt der Anteil bei etwas mehr als zehn Prozent.

Uwe Greff glaubt, dass die zwanzig Prozent schon längst hätten erreicht werden können. Dass der Anteil stattdessen nur bei der Hälfte liegt, ist seiner Ansicht nach nicht nur Schuld der Politik: «Wir haben uns in der Gesellschaft darin verrannt, die Natur für den kurzfristigen Wohlstand auszunutzen», sagt er. «Die Verantwortung für den Wandel liegt daher bei uns allen.» BioBoden, die Familie van der Hulst, Sven Gramsch und die vielen anderen beteiligten Ökolandwirte in ganz Deutschland machen vor, wie dieser Wandel aussehen kann.

 

Schriftmarke der BioBoden-Genossenschaft in erdigem Braun, an der Spitze des «I» sind zwei Blätter angebracht.
«BioBoden Genossenschaft»

BioBoden kauft auf Anfrage von Landwirten Agrarflächen und verpachtet diese an sie zu einem stabilen Preis. Einzige Auflage: Die Bauern müssen die Fläche nach den Standards eines Bioanbauverbands bewirtschaften. Die Genossenschaft zählt knapp 4.700 Mitglieder, die durch ihre Anteile zu einem Eigenkapital von 33 Millionen Euro beitrugen. Mit diesem Geld konnte BioBoden schon gut 3.500 Hektar für rund 70 Bio-Landwirte sichern. Weitere Informationen auf der Website von BioBoden.

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12. Juni 2020 | Energiewende-Magazin