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Moore: die unterschätzte Klimachance

Ein Bericht von Katharina Dellai-Schöbi

Moore sind wichtige Wasserfilter und Nährstoffspeicher – und revitalisierte Moore könnten sogar dabei helfen, den Klimawandel zu bremsen.

Feucht, modrig – und vielleicht auch etwas unheimlich: Moore gelten nicht gerade als der Inbegriff von Lebensfreundlichkeit. Doch die Feuchtgebiete sind wichtige Ökosysteme: Sie speichern große Mengen an Kohlenstoff, filtern das Wasser, stabilisieren den Landschaftswasserhaushalt und bieten spezialisierten Tier- und Pflanzenarten einen Lebensraum. Rund 98 Prozent der Moorflächen in Deutschland sind allerdings degradiert: Ihre Struktur und Funktion sind beschädigt – mit weitreichenden Folgen für die Umwelt und das Klima, setzen die beschädigten Böden doch beachtliche Mengen an Treibhausgasen frei. Nur langsam werden sich Politik und Gesellschaft der Bedeutung der Moore für den Klimaschutz bewusst – und die Maßnahmen zu ihrem Schutz stecken noch in den Kinderschuhen.

Moore sind Feuchtgebiete, bei denen es durch Grundwasser, Oberflächenwasser oder hohe Niederschläge zu einer Vernässung und in der Folge zu einer Sauerstoffarmut kommt. Pilze und Bakterien können abgestorbene Pflanzenteile unter diesen anaeroben, also sauerstoffarmen Bedingungen nicht mehr abbauen: Die organische Substanz reichert sich als Torf an. Moore wachsen so über Jahrhunderte langsam in die Höhe, etwa einen Millimeter pro Jahr. Beträgt die Mächtigkeit der Torfablagerungen mindestens 30 Zentimeter und ihr Kohlenstoffgehalt mehr als 30 Prozent, sprechen Bodenkundler von einem «Moor».

Einteilung in Hoch- und Niedermoore

Rund drei Prozent der Landfläche der Erde sind von Mooren bedeckt. Besonders viele und ausgedehnte Moorgebiete kommen in Nordamerika, Nordeuropa und Russland vor. Doch auch in den Tropen finden sich günstige Bedingungen für Moore, etwa in Indonesien oder Malaysia. Moore lassen sich in Hoch- und Niedermoore einteilen. Hochmoore werden ausschließlich durch Niederschläge versorgt. Sie sind nährstoffarm und geprägt von niedrigem Bewuchs, beispielsweise durch Torfmoose. Niedermoore dagegen werden zusätzlich durch Grund- oder Oberflächenwasser gespeist. Auf ihnen kann sich ein Baumbestand wie zum Beispiel ein Erlenbruchwald ausbilden.

 

Vor einem stilisierten Globus zeigt eine Tortengrafik die Anteile Moor (3 %)  zu Wald (30 %) an der Gesamtlandfläche und die CO2-Emissionen
Obwohl Moore nur ein Zehntel der von Wäldern bedeckten Landfläche einnehmen, speichern sie doppelt so viel CO2. Illustration: Ole Häntzschel
Querschnitt durch eine Landschaft mit einem Wasserpegel: die mit Wasser bedeckte Fläche wird mit  Niedrigmoor bezeichnet; im Hochmoor steht der Pegel unterhalb der Mooroberfläche.
Moore lassen sich aufgrund ihrer Wasserversorgung in Hoch- und Nieder­moore unterscheiden. Illustration: Ole Häntzschel

Bedeutende Kohlenstoffsenken

Weltweit sind in Mooren mehr als 600 Gigatonnen Kohlenstoff gespeichert, was doppelt so viel ist wie in allen Wäldern. Der Grund hierfür liegt im Stoffwechsel: Wälder nehmen viel Kohlenstoffdioxid (CO2) auf, veratmen es aber auch relativ rasch wieder und entlassen es in die Atmosphäre. Unter den sauerstoffarmen Bedingungen in den Mooren jedoch läuft die Zellatmung nur sehr langsam ab. Als Endprodukt der anaeroben Zersetzung entsteht zwar Methan (CH4), insgesamt aber überwiegt die Funktion als Kohlenstoffsenke, weshalb Moore im Klimaschutz eine wichtige Rolle spielen.

Umso gravierender ist, dass viele Moore degradiert sind. Laut Bundesamt für Naturschutz sind zwar 80 Prozent der weltweiten Moorfläche von rund vier Millionen Quadratkilometern noch im natürlichen Zustand, die meisten dieser Moore befinden sich aber in dünn besiedelten Gebieten vor allem in Kanada, Alaska und Sibirien. In dicht besiedelten Regionen gibt es kaum mehr gesunde, torfbildende Moore. Beispielsweise in Deutschland können von den rund 14.000 Quadratkilometer Moorflächen, die vorwiegend im Norddeutschen Tiefland sowie im Alpenvorland zu finden sind, nur knapp zwei Prozent als ungestört angesehen werden.

Forst- und Landwirtschaft zerstören die Moore

Der hohe Kohlenstoffanteil der Moore hat nämlich eine – ursprünglich als nützlich angesehene – Kehrseite: Torf war der erste weitverbreitet genutzte fossile Brennstoff. Seit Jahrhunderten wird er aus entwässerten Mooren gestochen und zum Heizen, Kochen und für die Erzeugung von Strom genutzt. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verlor Torf als Brennstoff fast überall rapide an Bedeutung und wird heute praktisch nur noch zur Bodenverbesserung im Gartenbau eingesetzt. Dafür werden in der Europäischen Union jedes Jahr mehr als 60 Millionen Kubikmeter Torf gewonnen, von denen rund acht Millionen Kubikmeter aus Deutschland stammen. Doch die Torfgewinnung ist nicht der einzige Grund für den Niedergang der Moore: Entwässert werden sie seit dem 19. Jahrhundert auch für die Land- und Forstwirtschaft.

 

Ein abgegrabener Moorboden zeigt die verschieden braunfarbenen Erdschichte. Obenauf sind Torfsoden, also gepresste Torfblöcke, in Quaderform gestapelt.
Beim Torfstechen wie hier im Goldenstedter Moor wird der Torf in sogenannte Soden gestochen. Diese werden aufeinandergestapelt und von Sonne und Wind getrocknet. Foto: Willi Rolfes

Austrocknende Moore werden zu Treibhausgas-Schleudern

Unberührte Moore sind daher selten: «Mehr als 92 Prozent der Moore in Deutschland sind entwässert», sagt Anke Günther, die an der Universität Rostock die Treibhausgasemissionen von Mooren untersucht. Wird ein Moor drainiert, gelangt Sauerstoff in den Torf und die Mikroorganismen können ihn zersetzen. Dadurch wird der über Jahrtausende angereicherte Kohlenstoff binnen kurzer Zeit zu CO2 oxidiert – und das entwässerte Moor zu einer regelrechten Treibhausgas-Schleuder. Denn neben Kohlendioxyd werden auch Lachgas (N2O) und Methan frei, wenn auch in deutlich geringeren Mengen.

Laut Günther ist Kohlendioxid das problematischste Treibhausgas, was drainierte Moore anbelangt: «Die emittierten Mengen liegen bei CO2 bei einigen Tonnen, bei CH4 und N2O bei einigen Kilogramm», so die Wissenschaftlerin. Außerdem verbleibe Methan nur rund zwölf Jahre und Lachgas 121 Jahre in der Atmosphäre. «Kohlendioxyd indes bleibt teilweise über Jahrtausende in der Atmosphäre und ist somit über sehr lange Zeit klimawirksam.»

Entwässerte Moore sind in Deutschland klimaschädlicher als der Flugverkehr.

Anke Günther, Landschaftsökologin, Universität Rostock

Um die anderen Klimagase neben Kohlendioxid einzurechnen, werden sie im Hinblick auf ihre Klimaschädlichkeit in CO2-Äquivalente umgerechnet. Insgesamt emittieren entwässerte Moore laut Günther weltweit rund 1,6 Milliarden Tonnen dieser CO2-Äquivalente. Allein in Deutschland entweichen aus den durch Land- und Forstwirtschaft genutzten Moorböden rund 47 Millionen Tonnen pro Jahr. «Das entspricht vier bis fünf Prozent der gesamten Treibhausgasemissionen des Landes –mehr als vom gesamten Flugverkehr Deutschlands freigesetzt wird», betont die Forscherin.

Sedimentbedeckte Moore als Kohlenstoffspeicher

«Für die Folgen eines Moorverlusts ist entscheidend, wie das Moor verschwindet», sagt Thomas Kleinen vom Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Heute werde meistens die Folge eines Moorverlusts durch Trockenlegung diskutiert. «Wird ein Moor aber zum Beispiel infolge eines Hochwassers mit Sediment überdeckt, wird der Sauerstoffaustausch mit der Atmosphäre unterbunden und das organische Material nicht oder nur sehr langsam abgebaut», erklärt der Forscher. So könne Kohlenstoff über Tausende von Jahren hinweg unterirdisch gebunden werden. Zu diesem Schluss kommt Kleinen in einer Studie, in der er mit mehr als 30 anderen Wissenschaftlern ehemalige Moorgebiete untersuchte, die heute unter Feldern, Wäldern oder Seen liegen.

 

Bäume stehen in sumpfigem, saftig grünem Gelände.
Ein Bruchwald im Plauer Stadtwald. Unter einem Bruchwald versteht man eine Gehölzvegetation an langzeitig vernässten Standorten. Foto: Mehlauge

Die ältesten Moore finden sich im Norden

Kleinen und seine Kollegen trugen dazu Hinweise über organische Ablagerungen zusammen, die von Gletschern, windverfrachteten Sedimenten oder durch Überschwemmungen bedeckt worden waren. Die Daten kombinierten sie mit einem Klima-Kohlenstoffkreislauf-Modell, um die Ausbreitung und Kohlenstoffspeicherung der Moorgebiete in den letzten 130.000 Jahren zu berechnen. Die Resultate zeigen, dass es in den Tropen seit mindestens 50.000 Jahren Moore gibt, deren Ausdehnung und Kohlenstoffvorräte im Lauf der Zeit nur schwach variierten.

Ganz anders in den nördlichen Breitengraden: Dort lassen sich Moore für die letzten 125.000 Jahre nachweisen. Ihre Ausdehnung, die Mächtigkeit ihrer Torfschicht und damit auch die die Kohlenstoffvorräte waren in Warmzeiten jeweils um bis zu 80 Prozent größer als in Kaltzeiten, in denen viele Moore von Gletschervorstößen bedeckt wurden.

Intakte Moore als CO2-Speicher

Kleinen folgert aus den Analysen, dass die heutigen Moore einen Teil des anthropogen bedingten CO2-Anstiegs in der Atmosphäre aufnehmen könnten. «Die Moore müssen dazu aber intakt respektive vernässt bleiben», betont der Forscher. Eine weitere drängende Frage hängt mit dem Auftauen der Permafrostböden zusammen. Kleinen befürchtet, dass die im Permafrost erhaltenen Torfsedimente im Zug der Klimaerwärmung freigegeben werden. Ob der Kohlenstoff dann tatsächlich aus diesen Böden freigesetzt werde, hänge von deren Feuchtigkeit ab. «Unsere Modelle deuten zwar auf feuchte Bedingungen hin, aber die genaue Entwicklung der Bodenfeuchte in den auftauenden Permafrostgebieten ist ungewiss», sagt Kleinen. «Zum jetzigen Zeitpunkt lässt sich daher nicht sagen, ob die Böden zu einer Kohlenstoffsenke oder -quelle werden.»

Für den Erhalt der Moore als Kohlenstoffsenke ist ihr Schutz unabdingbar.

Stephan Glatzel, Geoökologe, Universität Wien
Zwei Männer sitzen in einer flach bewachsenen Landschaft – im Hintergrund Berge – und schneiden Wollgraspflanzen ab.
Forscher der Universität Wien nehmen Proben vom Wollgras auf einem Hochmoor. Foto: Stephan Glatzel

Stephan Glatzel von der Universität Wien untersucht die Auswirkungen des Klimawandels auf den Gasaustausch von Mooren. Erste Ergebnisse zeigen, dass die Moore in einem feuchten, nicht sehr heißen Sommer Kohlendioxid speichern. In heißen, trockenen Sommern aber können die Pflanzen aufgrund der fehlenden Feuchtigkeit weniger Photosynthese betreiben: Sie binden weniger Kohlenstoff, veratmen aber dennoch Kohlendioxyd. «Wenn die Sommer nun durch den Klimawandel heißer und trockener werden, können die Moore ihre Senkenfunktion verlieren und zu CO2-Quellen werden», befürchtet der Forscher.

Der Grad der Entwässerung spielt dabei eine große Rolle: Stark entwässerte oder ausgetrocknete Moore setzen sehr viel Kohlendioxid frei, weniger stark drainierte Moore eine geringere Menge. Insgesamt können Moore in gutem ökologischem Zustand heiße, trockene Sommer daher besser abpuffern. «Für den Erhalt der Moore als Kohlenstoffsenke ist ihr Schutz somit unabdingbar», betont Glatzel.

Der giftige Teufelskreis der Entwässerung

Neben der Bindung von Kohlenstoff ist eine weitere Funktion intakter Moore die Senkung der Nährstofffrachten vom Land in die Gewässer. Im Wasser gelöste Stoffe wie Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor oder Spurenelemente werden von den Pflanzen gebunden und in wachsenden Mooren langfristig im Torf gespeichert. Aufgrund ihrer Funktion als Wasserfilter und Nährstoffsenke werden Moore daher auch als «Nieren der Landschaft» bezeichnet. Durch die Drainage verlieren die Moore diese Fähigkeit: Der Torf wird mineralisiert, die darin gebundenen Stoffe werden ins Grund- und Oberflächenwasser ausgetragen.

Die Entwässerung wirkt sich letztlich auch auf den Landschaftswasserhaushalt aus. Intakte Moore können viel Wasser speichern und bei Extremereignissen wie Starkniederschlägen die Abflussbildung regulieren. Durch Verdunstung kühlen und befeuchten sie außerdem die Atmosphäre. Werden Moore entwässert, senkt und verdichtet sich der Boden. Das Wasser kann nun rasch abfließen, was das Risiko für Überschwemmungen erhöht und den Bodenabtrag durch Erosion verstärkt. Dies führt zu einem Teufelskreis: Sobald sich die Oberfläche des Moors wieder auf Höhe des Wasserspiegels befindet, wird eine erneute Drainage nötig.

Vielfalt auf nährstoffarmen Böden

Moore bieten mit ihren nährstoffarmen und wasserreichen Böden hochspezialisierten Pflanzen- und Tierarten einen geeigneten Lebensraum. Torfmoose beispielsweise sind an die Nährstoffarmut von Hochmooren angepasst. Fällt Regen, speichern sie in speziellen Zellen das Zwanzig- bis Dreißigfache ihres Eigengewichts an Wasser und entziehen ihm die wenigen Nährstoffe. Gleichzeitig geben sie Wasserstoffionen in die Umgebung ab und schaffen so ein saures Milieu, in dem konkurrierende Pflanzen kaum eine Überlebenschance haben.

Pflanze mit grünen Trieben, von deren Verdickungen antennenartig kleine rote Triebe ausgehen, an deren Spitze jeweils ein Tropfen zu erkennen ist.
Der Rundblättrige Sonnentau kommt als fleischfressende Pflanze mit der Nährstoffarmut gut zurecht: Kleine Insekten bleiben auf seinen Fangblättern kleben und werden innerhalb weniger Tage durch ein Sekret verdaut. Foto: Hajotthu
Drei rotgelbe Beeren, die wie kleine Äpfel aussehen, liegen auf  moosigem Grund.
Die Moosbeere geht eine Symbiose mit Mykorrhiza-Pilzen ein. Den über Photosynthese angereicherten Kohlenstoff gibt sie an den Pilz weiter und erhält im Gegenzug von ihm Stickstoff. Foto: Willi Rolfes
Ein Kiebitz steht in einer sumpfigen Landschaft. Der etwa taubengroße Vogel hat weißes Gefieder am Bauch und einen schwarzweiß gefiederten Kopf mit zwei schmalen Federn, die V-förmig vom Hinterkopf abstehen. Das Gefieder auf dem Rücken glänzt metallisch-schwarz-grün.
Der Kiebitz bewohnte ursprünglich Feuchtwiesen. Aufgrund der Trockenlegung vieler Moore und Feuchtwiesen musste er auf landwirtschaftliche Flächen ausweichen. Foto: Arnold Sennhauser
Auf einem Ästchen sitzt eine Libelle. Sie hat vier Flügel und einen schwarzweiß gemusterten Körper.
Die Hochmoor-Mosaikjungfer gehört mit einer Spannweite von bis zu zehn Zentimetern zu den größten Libellen Mitteleuropas. Sie paart sich ausschließlich in Hochmooren mit Torfmoos-Schwingrasen. Foto: Arnold Sennhauser
Ein blaufarbener Frosch sitzt im Wasser.
Der Moorfrosch wird nur maximal sieben Zentimeter groß. Zur Laichzeit färben sich die Männchen intensiv blau, um den Weibchen zu imponieren. Foto: Hannes Petrischak / Heinz Sielmann Stiftung
Eine Blütenpflanze mit vioetten Kelch- und  rosafarbenen Bütenblättern;  die Blüten hängen wie kleine Glöckchen nach unten.
Die Bach-Nelkenwurz ist auf feuchte Lebensräume wie Moore und Auen angewiesen. Aufgrund der Trockenlegung dieser Lebensräume steht die Art in mehreren Bundesländern auf den regionalen Roten Listen. Foto: Johannes Müller / Naturschutzfonds Brandenburg

Die moorbewohnenden Pflanzen und Tiere leiden unter der Entwässerung ihrer Biotope. Außerhalb der Feuchtgebiete sind sie aufgrund ihrer Spezialisierung aber kaum konkurrenzfähig. Viele Arten stehen daher unter Naturschutz, aber auch der Schutz der naturnahen Moore selbst ist im Bundesnaturschutzgesetz und in den Naturschutzgesetzen der Länder geregelt.

Zu wenig Fokus auf den Mooren

Der Fokus von Wissenschaft, Politik und Gesellschaft lag beim Klimaschutz lange auf den Wäldern, während Moore eher stiefmütterlich behandelt wurden. Glatzel führt das darauf zurück, dass Holz fossile Brennstoffe ersetzen könne und die Bewirtschaftung der Wälder deren Kohlenstoffspeicherung nicht stark einschränke. «Zwischen Forstwirtschaft und Klimaschutz gibt es daher keinen Zielkonflikt – wohl aber zwischen Moorböden und Klimaschutz», sagt der Forscher. «Eine entwässernde Nutzung der Moore steht ihrer Funktion als Klimaschützer entgegen.» Drainierte Moore sollen daher wiedervernässt werden. Dazu werden die Entwässerungssysteme geschlossen und das Oberflächenwasser gestaut, sodass die Moore wieder von standorttypischen Pflanzen besiedelt werden können.

Theoretisch lässt sich fast jedes Moor revitalisieren.

Stephan Glatzel, Geoökologe Universität Wien

In den kommenden Jahrzehnten werden die wachsende Bevölkerung und die steigende Nachfrage nach Erneuerbaren Energien die land- und forstwirtschaftliche Nutzung von Moorböden intensivieren und so den Druck auf die Moore weiter erhöhen. Es sollten daher dringend alternative Nutzungsformen entwickelt werden, die ohne Drainage der Moorböden auskommen und mit den hohen Wasserständen vereinbar sind. Dazu gehören zum Beispiel die extensive Beweidung oder sogenannte Paludikulturen (von «palus», lat.: Sumpf, Morast). «Die Idee hinter der Paludikultur ist, bisher land- oder forstwirtschaftlich genutzte Moore wiederzuvernässen, ohne sie aus der wirtschaftlichen Nutzung zu nehmen», erklärt Anke Günther.

Fehlende Rahmenbedingungen für alternative Nutzung

Für Paludikulturen werden standorttypische Arten so angebaut, dass ihre obersten Teile als nachwachsender Rohstoff periodisch abgeschnitten und genutzt werden können. Laut Günther gibt es für die meisten konventionellen Nutzungsformen Paludikultur-Alternativen, etwa Schilf, Seggen oder Torfmoose zur Gewinnung von Bioenergie, für die Beweidung mit Wasserbüffeln oder als Torfersatz im Gartenbau. Auch neue, hochwertigere Produkte könnten auf wiedervernässten Mooren angebaut werden. «Der Rohrkolben ist ein begehrter Rohstoff, zum Beispiel für die Herstellung von biologischen Dämmplatten beim Hausbau», sagt die Wissenschaftlerin. «Der Bedarf ist da – nur wird der Anbau von Rohrkolben zurzeit noch durch fehlende rechtliche und politische Rahmenbedingungen verhindert.»

Luftaufnahme einer saftig grünen Moorlandschaft mit Gras, Bäumen und Büschen, die von Wasserflächen durchbrochen ist
Im Nordosten von Mecklenburg-Vorpommern liegt der Anklamer Stadtbruch. In der rund 1.500 Hektar großen Moorlandschaft leben zahlreiche seltene Arten – unter anderem der Moorfrosch. Foto: Tobias Dahms / lensescape.org
Junge, grüne Rohrkolbenpflanzen in Töpfen in einem Labor
An der niederländischen Radboud-Universität Nijmegen untersuchen Wissenschaftler das Wachstum der Rohrkolben unter verschiedenen Nähr­stoffbedingungen. Foto: Tobias Dahms / lensescape.org
Ein Feld mit jungen Rohrkolbenpflanzen, die noch grün sind, am Horizont einige Bäume unter blauem Himmel.
Versuchsfläche zum Rohrkolbenanbau des Louis Bolk Instituts in den Niederlanden. Der Rohrkolben wird als Futter oder Baustoff (zum Beispiel für Dämmplatten) verwendet. Foto: Tobias Dahms / lensescape.org
Ein Feld mit reifen, braunen Rohrbolbenpflanzen, die gerade von der Plattform eines kleinen Treckers aus geerntet werden.
Versuchsernte auf einer durch natürliche Etablierung entstandenen Rohrkolbenfläche in Vorpommern. Genutzt wird eine Ernteraupe, die sonst in den Niederlanden für die Dachschilfernte Verwendung findet. Foto: Tobias Dahms / lensescape.org
Ein Rohrkolben im Querschnitt zeigt in der Vergrößerung die viereckigen Hohlräume des Pflanzenstengels.
Makroaufnahme eines Rohrkolbenblatts. Deutlich zu sehen sind die Kammern des ausgeprägten «Aerenchyms» (Durchlüftungsgewebes), welches für die guten Eigenschaften als Isolier- und Baustoff sorgt. Foto: Tobias Dahms / lensescape.org

Alternative Nutzungsformen können die Klimabilanz eines landwirtschaftlich genutzten Moors jedoch deutlich verbessern. Günther und Glatzel haben zusammen mit vier Kolleginnen und Kollegen die Treibhausgasbilanz einer Torfmoosgesellschaft auf einer ehemals drainierten Moorfläche analysiert. (Mires and Peat, Online-Publikation vom 20. April 2017)

Während intensiv bewirtschaftetes entwässertes Moorland mit einer Treibhausgasemission von 15 bis 35 Tonnen CO2-Äquivalenten pro Hektare und Jahr zu Buche schlägt und extensiv bewirtschaftetes Moorland mit sechs bis vierzehn Tonnen, liegen die Emissionen von Paludikulturen bei rund fünf Tonnen CO2-Äquivalenten pro Hektar und Jahr. «Gegenüber extensiv bewirtschaftetem Moorland hat eine Paludikultur mit Torfmoosen aber den Vorteil, dass die geerntete Biomasse als Torfersatz im Gartenbau verwendet werden kann», betonen die Forscher.

Noch fehlt der politische Wille

Trotz der Vorteile gegenüber herkömmlichen Nutzungsformen sind Paludikulturen weit davon entfernt, großräumig umgesetzt zu werden. Neben der technischen Weiterentwicklung fehlt es laut den Experten auch am politischen Willen. «Da Paludikulturen noch nicht Bestandteil der aktuellen EU-Agrarförderung sind, führt diese sogar dazu, dass Moore weiterhin entwässert werden und unter konventioneller Grünlandnutzung bleiben – und damit klimaschädlich sind», sagt Günther.

Noch steht der Schutz der Moore ganz am Anfang. Wenn es aber gelingt, Gesellschaft und Politik auf die Wichtigkeit der Feuchtgebiete für den Natur- und Klimaschutz aufmerksam zu machen, können die Moore endlich wieder zu gesunden, intakten Lebensräumen werden und einen Teil zur Bewältigung der Klimakrise beitragen. «Letztlich ist es eine gesellschaftspolitische Entscheidung, welche Art der Moorbewirtschaftung wir unterstützen möchten», so das Fazit von Anke Günther.

 

Deckblatt IPCC Studie «Klimawandel und Landsysteme»
IPCC-Sonderbericht «Klimawandel und Landsysteme»

Die wichtige Rolle, welche die Renaturierung der Moore durch die verstärkte Kohlenstoffsenke und die Reduzierung der CO2-Emissionen auf den Klimawandel haben kann, wurde im August 2019 erschienen Sonderbericht des UNO-Klimarats erwähnt. Darin fordern Forscher aus 52 Ländern, auch aus den USA, Wälder und Moore zu schützen, Aufforstungen voranzutreiben und die Landwirtschaft auf klimaschonende Methoden umzustellen. 

Hier geht es zur deutschen Webseite über den Sonderbericht.

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