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Josef Pesch – Die Welt ist keine Scheibe

Ein Porträt von Bernward Janzing

Seit über drei Jahrzehnten kämpft Josef Pesch unermüdlich für die Nutzung der Windkraft – und gegen die Desinformation der Monopolisten.

Am Anfang war die Braunkohle. Und wie das bei Kindern so ist: Wenn etwas heimisch ist, haben sie damit erst einmal wenig Probleme. Vom Hof seiner Eltern im rheinischen Manstedten konnte Josef Pesch gleich fünf Braunkohlekraftwerke sehen, sowie Abraumhalden, bis zu zweihundert Meter hoch. Mitunter verschwand die Sonne hinter den Dampfwolken der Kraftwerke – aber das alles war für ihn ganz normal. Dem Stromkonzern RWE stand man in seiner Heimat wohlgesonnen gegenüber, damals. «Es gab ein Freibad nur für RWE-Mitarbeiter», erinnert er sich, «und im Ort herrschte ein positiver Eindruck vom Unternehmen vor.»

Aha-Erlebnisse im Studium

Als er älter wurde, faszinierte ihn der Tagebau im nahen Garzweiler dann aus anderem Grund. Pesch hatte in der Schule einen Erdkunde-Leistungskurs gewählt, und der unternahm eine Exkursion zum Tagebau. Dort boten sich Aufschlüsse, wie man sie in dieser Größe selten sieht, mit vielfältigen geologischen Schichtungen und Bruchzonen. «Das war so spannend, das hat mich bewegt, Geografie zu studieren», sagt er heute.

Doch dann führt die Geografie ihn auf die andere Seite der Energiewirtschaft. Beim Studium in Münster kommt er in Kontakt mit Julius Werner, der als Dekan der Geowissenschaften später das «Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR)» begründen wird. Er hört an der Uni ferner den Klimaforscher Wilfrid Bach, der als einer der Ersten vor dem Klimawandel warnt – und Pesch hat sein «Aha-Erlebnis».

Heute ist er Geschäftsführer der fesa GmbH und Vorstand der fesa Energie Geno eG in Merzhausen bei Freiburg, die in den vergangenen zwanzig Jahren fast vier Megawatt an Photovoltaik, zum Teil in Kooperationen, finanzierten sowie gut 50 Megawatt Windkraft. Auch die Freiburger Windräder mussten gegen den erbitterten Widerstand des damaligen Ministerpräsidenten Teufel durchgesetzt werden. Seit 2014 arbeitet Pesch außerdem für die EWS, nachdem er zuvor einige Jahre neben seiner fesa-Tätigkeit für die Firma juwi tätig war.

Portrait von Josef Pesch
Josef Pesch Foto: Marc Eckardt

Ein Doktor der Philosophie, der mit den Bauern gut kann

Josef Pesch hatte immer zwei Themen, die ihn fesselten, neben den Erneuerbaren auch die Anglistik. Einen Teil seines Studiums verbringt er in England, er promoviert zum Doktor der Philosophie und erhält in der Amerikanistik 1990 eine Stelle an der Uni in Saarbrücken, später in Freiburg.

Weil die Hochschule ihm keine langfristige Perspektive bieten kann, steigt er bald auf die Erneuerbaren um und realisiert erste Windprojekte. Seine Herkunft hilft ihm dabei: «Mit den Bauern kann ich ganz gut, es ist manches einfacher, wenn man selbst auf einem Hof aufgewachsen ist.»

In Freiburg gründet er ein Regionalbüro des Bundesverbandes Windenergie (BWE), er wird eine Zeit lang Landesvorsitzender des Verbandes. Im Jahr 2003 kauft er dann mit einem zweiten Investor zusammen die fesa GmbH, die sich schon einige Jahre zuvor aus dem fesa e.V., einem Förderverein für die Energiewende, ausgegründet hatte.

Die richtigen Impulse setzen

Längere Erfahrung mit der Windkraft als Josef Pesch haben in Deutschland nur wenige. 1983 bereits besichtigt er eines der ersten Binnenlandwindräder bei Ibbenbüren und ist Mitbegründer des Interessenverbandes Windkraft Binnenland, einer der Vorgängerinstitutionen des BWE. «Die Windkraft lohnte sich damals nur für Bauern, die den Strom selber nutzen konnten», erinnert er sich. Denn kleine Erzeuger wurden mit Minivergütungen abgespeist.

Der Verband organisierte Ausflüge nach Dänemark, um dort größere Windräder zu besichtigen. Einmal sei man bei einer 100-Kilowatt-Anlage gewesen, erinnert sich Pesch, das war eine ungeheure Leistung für die damalige Zeit. Und von den Dänen sei die deutsche Windkraftszene darauf hingewiesen worden, dass Einspeisevergütungen für einen Marktdurchbruch das Mittel der Wahl seien, und nicht Förderungen mit Steuergeld. Wie richtig die Einschätzung war, zeigte sich später, als Deutschland mit dem Stromeinspeisungsgesetz ab 1991 zum Weltmeister der Windkraft wurde.

Ein Kämpfer gegen Widerstände

Indem er stets deutlich seine Meinung sagt, hat sich Pesch nicht immer überall Freunde gemacht. Auch wenn man ihn zu den aktuellen politischen Angriffen auf den Ausbau der Erneuerbaren fragt, wird er deutlich. Schon das EEG von 2012 sei ein «Großkraftwerk-Schutzgesetz» gewesen, sagt er, weil es den Zubau vor allem der Photovoltaik massiv bremste.

Die zwei Jahre später eingeführte Pflicht zur Abführung der EEG-Umlage auf selbst verbrauchten Solarstrom sei sogar schlicht «pervers». Eine Abgabe zu erheben auf Strom, der förderfähig wäre, aber die Förderung nicht in Anspruch nimmt, sondern erzeugernah verbraucht wird, ist kontraproduktiv. Nötig seien vielmehr «einfache Regeln zur Förderung der verbrauchernahen Eigenerzeugung».

Zeit, den Paradigmenwechsel durchzusetzen

Portrait von Josef Pesch
Foto: Marc Eckardt

Auch neue Marktregeln seien überfällig. Der Strommarkt funktioniere noch immer wie in der alten Welt, sei mit seinem Terminmarkt, an dem der zu erzeugende Strom langfristig im Voraus verkauft wird, für die Erneuerbaren nicht geschaffen. Gegen fossile Kraftwerke, die ihre Kilowattstunde zu Grenzkostenpreisen verscherbeln, seien die Erneuerbaren nicht konkurrenzfähig, gegen die Vollkosten eines Kraftwerks hingegen sehr wohl. Die Vertreter der Erneuerbaren vergleicht er gerne mit denjenigen, die erkannt haben, dass die Erde eine Kugel ist, in der alten Stromwelt tue manch einer noch so, als sei die Erde flach.

2005 wird Pesch zum Schönauer Stromrebellen gekürt, weil er sich «mit großem persönlichem Engagement» immer wieder einem «beinahe übermächtigen Widerstand» entgegenstellte, wie es in der Laudatio heißt. Er habe «unermüdlich immer wieder Desinformationen widerlegt und für die klimafreundliche Windenergie gekämpft».

Landschaft als Erbe

Und dann erwähnt die Laudatio auch noch dieses Ereignis: Josef Pesch war mit einer Gruppe von koreanischen Atomkraftwerksmanagern zu einer Besichtigung der Freiburger Windräder unterwegs. Einer der Teilnehmer fragte: «Warum tun Sie das? In der Atomindustrie könnten Sie locker ein Vielfaches verdienen.» Pesch sagte: «Ich habe vier Kinder.» Denen könne er doch nicht die strahlende Erbschaft atomarer Stromerzeugung hinterlassen.

Deswegen kämpft der stets kommunikative Rheinländer so sehr für die Energiewende. Und wenn jemand die Auswirkung der Windkraft auf das Landschaftsbild kritisiert, erzählt er gerne aus seiner Kindheit und Jugend. Wie Kohlebagger bis heute ganze Dörfer einfach wegbaggern und Mondlandschaften hinterlassen. Wie riesige Kohlekraftwerke den Horizont verstellen und Dampfwolken die Sonne vernebeln. So viel zum Thema Landschaft – glaubwürdiger als Josef Pesch kann einen solchen Vergleich niemand ziehen.

30. Juni 2016 | Energiewende-Magazin