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Wie Pech und Schwefel

Ein Bericht von Daniel Hautmann

Schiffe transportieren 90 Prozent aller Waren weltweit – und emittieren Unmengen todbringender Abgase. Dabei geht es weitaus umweltfreundlicher.

Der 4. November 1911 veränderte die Welt. Es ist der Tag, an dem das weltweit erste Motorschiff vom Stapel läuft. Bislang fahren Schiffe mit Dampfkraft und spucken pechschwarze Rauchschwaden in den Himmel. Unentwegt müssen sie mit Kohle gefüttert werden. Die 117 Meter lange und 2.500 PS starke «Selandia» hingegen ist sauber. So scheint es jedenfalls.

Historisches Foto, schwarzweiß: Ein Stahlschiff mit schlanken und eleganten Rumpf, hinter bugseitigen Aussparungen schwingen sich die befensterten Seitenwände zu einem geschlossenen Deck hoch; darüber zurückweichend weitere Decks sowie die Brücke.
Die MS Selandia 1912 im Hafen von Bangkok.

Was deren Motor, eine Erfindung des deutschen Ingenieurs Rudolf Diesel, für die Seefahrt bedeutet, ahnt Hans Niels Andersen als Erster. Der Gründer des dänischen Handelshauses «East Asiatic Company A/S» ist überzeugt, dass damit ein schneller, billiger Linienverkehr rund um die Welt möglich wird: Das Motorschiff ist der Startschuss für den Warenaustausch zwischen den Kontinenten. Selbst Winston Churchill ist von der Selandia schwer beeindruckt: «Dieser Schiffstyp ist das vollkommenste maritime Meisterwerk dieses Jahrhunderts.»

Eine Million Eiffeltürme

Ein Jahrhundert später ist von der Euphorie wenig übrig. Im Zeitalter der Globalisierung fahren Schiffe, ähnlich wie Busse, weltweit nach einem durchgetakteten Zeitplan. Tanker, Massengutfrachter und Containerschiffe befördern heute 90 Prozent aller Waren. Kurz gesagt: Praktisch alles, was wir konsumieren, wird auf dem Seeweg transportiert – von der Arznei, über Rohöl und Eisenerz, bis zum Zanderfilet. Viele Waren reisen gar mehrfach per Schiff um den Globus: erst als Rohstoff, dann als fertiges Produkt. Nur der Seeweg bietet eine wirtschaftliche Option, Massen an Gütern zwischen den Kontinenten zu verschieben. Eine vergleichbare andere Transportmöglichkeit gibt es nicht. Insgesamt befördern Schiffe jedes Jahr rund zehn Milliarden Tonnen Fracht. Das entspricht dem Gewicht von einer Million Eiffeltürmen.

Inzwischen gilt die Schifffahrt, insbesondere die containerisierte, als Seismograf der Weltwirtschaft. Steigen die Seefrachtraten, geht es der Weltwirtschaft gut. Doch was der Weltwirtschaft guttut, ist noch lange nicht gut für die Welt. Schiffsfinanzierende Banken und gierige Reeder rissen die Finanzwelt 2008 in die Krise. Viel zu viele Schiffe wurden geordert. Inzwischen ist die globale Handelsflotte auf rund 50.000 Schiffe angewachsen. Überkapazitäten brachen Banken und Reedereien in große Finanznöte – Staaten mussten mit Milliarden aushelfen, um das Schlimmste zu verhindern. Und das sind nur die finanziellen Schäden der rasanten Expansion des Schiffsverkehrs.

Sondermüll als Treibstoff

50.000 Pötte. Diese Armee an Schiffen richtet ein Umweltdesaster an. Jeden Tag verbrennen sie Hunderttausende Tonnen Schweröl – Abfall der Raffinerien, die uns ansonsten mit Kerosin, Benzin und Diesel versorgen. An Land müsste die pechschwarze, teerartige Masse als Sondermüll entsorgt werden. Auf See jedoch, in internationalen Gewässern, scherte sich bislang keiner um den Dreck. Da haben sich zwei gefunden. Zwei wie Pech und Schwefel, die prima Geschäfte machen: Die Raffinerien werden ihren Müll los, die Seefahrer bekommen billigen Treibstoff.

Luftbild auf eine im Dunst liegende Industrielandschaft mit vielen Öltanks und Schloten.
Die Raffinerie der Deutschen «Tamoil» in Hamburg, Tochter der libyschen Tamoil-Gruppe. Foto: Ajepbah

Schifffahrt – der siebtgrößte Klimasünder der Welt

Für Fridtjof Rohde, Schiffbauexperte beim Hamburger Beratungsunternehmen «Technolog», ist der niedrige Preis des Schweröls einer der Gründe für die Umweltmisere der Branche. Aktuell kostet eine Tonne in Europas größtem Hafen Rotterdam rund 440 US-Dollar. «Wer soll bei den Minipreisen ans Treibstoffsparen denken?» Wenn es um Schweröl geht, redet sich der sonst so beherrschte Hanseat leicht in Rage. Kein Wunder, denn die schwerölsüchtige Flotte richtet massiven Schaden an: Fast drei Prozent der globalen CO2-Emissionen gehen auf ihr Konto. Wäre die Schifffahrt ein Land, sie wäre der siebtgrößte Klimasünder der Welt, wie die Organisation «Transport & Environment» (T&E) berechnet hat (hier geht es zur Studie). Zudem sind laut Greenpeace die CO2-Emissionen der Seefahrt im Vergleich zu denen der gesamten Welt in den vergangenen Jahren dreimal so stark gewachsen.

 

Luftverschmutzung durch die Schifffahrt ist nicht nur ein regionales, es ist ein globales Problem.

James Corbett, School of Marine Science and Policy, University of Delaware

Groteskerweise wird im Pariser Klimaabkommen von 2015 die Seefahrt nicht einmal erwähnt. Geschickt konnte die Branche bislang an allen Hindernissen, die dem Umweltschutz dienen, vorbeimanövrieren. Dabei hätten alle Schiffe gemeinsam das Zeug, das Schlimmste zu verhindern. Das Klimaschutzabkommen sieht vor, den globalen Anstieg der Temperaturen auf weniger als 2, möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dazu müsste die Schifffahrt ihre absoluten CO2-Emissionen bis 2050 um 70 bis 100 Prozent gegenüber 2008 reduzieren, wie die «Deutsche Verkehrs-Zeitung» schreibt. Dass das geschieht, ist jedoch unwahrscheinlich.

 

Ein Containerschiff, umgeben von Schleppern, ist vollkommen eingehüllt in pechschwarzen Qualm
Purer Dreck – aus den Schornsteinen eines Frachtschiffes. Foto: Dietmar Hasenpusch

Ungeheure Schadstoffmengen

Dabei ist klimaschädigendes Kohlendioxid fast das geringste Problem der Seefahrt. Viel schlimmer noch sind die ungeheuren Mengen an Schwefel, die den gewaltigen Schornsteinen entweichen. Der Schiffssprit Schweröl ist bis zu 3.500 Mal schwefelhaltiger als Tankstellendiesel. Auch für rund 15 Prozent der globalen Schwefeldioxidemissionen, die sauren Regen verursachen und die Schleimhäute der Menschen schädigen, ist die Seefahrt verantwortlich.

Zu Lasten der Seefahrt gehen außerdem rund 13 Prozent der Stickoxidemissionen. Sie reizen die Atemwege und verursachen Smog. Und dann sind da noch Unmengen an Feinstaub, die in die Atemwege gelangen und gefährliche Lungenkrankheiten und Krebs auslösen können. Katalysatoren oder Partikelfilter wie bei Autos? «Sind auf Schiffen die absolute Ausnahme, obwohl sie technisch verfügbar sind», sagt Dietmar Oeliger, Verkehrspolitik-Leiter beim Naturschutzbund Deutschland (NABU). Wissenschaftler um James Corbett haben schon vor Jahren gewarnt, dass die globale Seefahrt für Zehntausende frühzeitige Tode verantwortlich ist – von den Umweltschäden mal ganz abgesehen.

Ein Weltkarte, die Küsten und Schiffsrouten sind voller grüner kleiner Schifssymbole.
Momentaufnahme der weltweiten Schiffsbewegungen (17.9.2018): Hier sind nur die Containerschiffe grün markiert. Quelle: www.marinetraffic.com
Ein Weltkarte, die Küsten und Schiffsrouten sind voller dicht gedrängter Schifssymbole in Grün und Rot.
Auf dieser Abbildung sieht man zusätzlich zu den Containerschiffen die Öltanker in Rot abgebildet. Quelle: www.marinetraffic.com
Ein Weltkarte, die Küsten und Schiffsrouten sind voller dicht gedrängter Schifssymbole in Grün, Rot und Blau.
Hier sind neben den Containerschiffen und Öltankern zusätzlich Passagierschiffe ... Quelle: www.marinetraffic.com
Ein Weltkarte, die Küsten und Schiffsrouten sind voller dicht gedrängter Schifssymbole in Grün, Rot, Blau und Rosa.
... und die Fischereiboote auf ihren Routen und in den Fanggebieten vermerkt. Quelle: www.marinetraffic.com

Die Flotte auf Umweltkurs bringen

Das Schlimmste ist: Das alles müsste nicht sein. «Die Schifffahrt könnte jährlich 70 Milliarden US-Dollar an Treibstoff einsparen und ihre Emissionen um 30 Prozent senken», schreiben die Forscher der Denkfabrik «Carbon War Room». Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, die Flotte auf Umweltkurs zu bringen: optimierte Routenführung längs der Seewege, besseres Zusammenspiel von Rumpf, Ruder und Propeller, mit Gas statt mit Schweröl betriebene Motoren, Wasserstoff- und Elektroantriebe. Zudem gibt es elektronische Systeme, die dem Kapitän helfen, spritsparende Routen zu finden. Manche wollen die Frachter sogar wieder unter Segel setzen und die schier unerschöpfliche Kraft der Winde nutzen. «Bei keinem anderen Verkehrsträger ist das bisher unausgeschöpfte Potenzial für Umweltschutzmaßnahmen größer als in der Seeschifffahrt», informiert das Umweltbundesamt.

Verdopplung der Emissionen bis 2050?

Doch das billige, teerartige Schweröl scheint Veränderungen unmöglich zu machen. Es ist, als bliebe jedwede Bewegungsbemühung am Schweröl kleben. Die Branche hat außerdem einen viel bequemeren Weg gefunden, sich als effizient darzustellen. Sie löst das Dilemma durch schiere Größe: Im Frühjahr machte die «CMA CGM Antoine de Saint-Exupéry» im Hamburger Hafen fest, eines der größten und modernsten Containerschiffe der Welt. Sagenhafte 20.600 Standardcontainer, jeder so groß wie ein Kleinbus, passen auf den stählernen Koloss. In jeden Container passen beispielsweise 3.500 Schuhkartons. Der Transportpreis je Paar Schuhe ist fast null. Große Schiffe reduzieren die spezifischen Emissionen je Ladungstonne drastisch. Doch insgesamt gesehen stoßen die Riesenschiffe natürlich Massen an Schadstoffen aus. Auch bei diesem Neubau sind weder Katalysatoren noch Partikelfilter an Bord.

Eines ewig langes beladenes Containerschiffe mit der Aufschrift CMA CGM, liegt im Hafen.
Die «CMA CGM Antoine de Saint-Exupéry» 2018 im Europoort in Rotterdam. Foto: Kees Torn – Creative Commons Lizenz
Ein riesiges hellgraues Schiff mit roter Aufschrift «OOCL»
Das weltgrößte Containerschiff: die «OOCL Hong Kong» fasst 21.413 Container. Foto: Ein Dahmer – Creative Commons Lizenz
Ein hellblaues Schiff
In Länge und Ladevermögen nehmen sich die Containerschiffe der Mega-Klasse nicht viel: hier die «Madrid Maersk». Foto: Kees Torn – Creative Commons Lizenz
Blick auf das Deck mit unzähligen Reihen regalähnlicher Containerhalterungen.
Gigantische Ausmaße: Blick von der Brücke auf das Achterdeck der «Maersk Majestic». Foto: Davepark – Creative Commons Lizenz

Immerhin: Moderne Schiffe sind inzwischen deutlich langsamer unterwegs als noch vor zehn Jahren. Durchpflügten die Pötte damals noch mit über 20 Knoten die Weltmeere, begnügt man sich heute mit rund 15 Knoten. «Das halbiert den Verbrauch», sagt Rohde. Man muss wissen: Große Containerfrachter verbrennen bis zu 300 Tonnen Schweröl am Tag. Das Einsparpotenzial ist also enorm.

Das ist schon außergewöhnlich, wie die Industrie in der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation als Regelgeber auftritt.

Verena Graichen, Öko-Institut e. V.

Der Blick in die Zukunft ist dennoch so schwarz wie das Schweröl selbst: Ohne Effizienzmaßnahmen werden sich die jährlichen CO2-Emissionen von heute rund einer Milliarde Tonnen bis 2050 verdoppeln – der wachsende Welthandel fordert seinen Tribut. Kritiker bemängeln, dass die Grenzwerte ausgerechnet von denen festgelegt werden, die kein Interesse an strengeren Vorgaben haben – den Reedern selbst. Sie haben das Sagen in der «Internationalen Seeschifffahrtsorganisation» (IMO), einer Untereinheit der Vereinten Nationen. Für manche ist die IMO daher schlicht der Stammtisch der Reeder. «Das ist schon außergewöhnlich, wie die Industrie in der IMO als Regelgeber auftritt», sagt Verena Graichen, beim Öko-Institut verantwortlich für Energie und Klimaschutz. «Die könnten viel mehr machen.»

Endlich tut sich was

Jetzt aber könnte endlich Bewegung in die Sache kommen. Seit 2015 gelten in einigen Seefahrtsgebieten, etwa der Nord- und Ostsee, strengere Emissionsregeln für den Schwefelgehalt im Sprit. Dort müssen Reeder entweder die Schiffsabgase aufwendig reinigen oder mit entschwefeltem Treibstoff fahren. Doch der kostet beinahe doppelt so viel wie Schweröl. Deshalb sind fast alle Schiffe mit mehreren Tanks ausgerüstet – innerhalb der Schutzzonen fahren sie mit halbwegs sauberem Sprit, sobald sie die Schutzzone verlassen, schalten sie auf dreckiges Schweröl um.

Wer die Schifffahrt sauberer machen will, muss bei der Ölindustrie anfangen.

Fridtjof Rohde, Schiffbauexperte bei Technolog

Damit wird bald Schluss sein: Ab 2020 greift die zweite Stufe. Die strengeren Emissionsregeln gelten dann praktisch weltweit. Ab dem Zeitpunkt darf nur noch Sprit mit maximal 0,5 Prozent Schwefelanteil verfeuert werden. Ein halbes Prozent bedeutet im Vergleich zum Tankstellendiesel allerdings immer einen um den Faktor 500 höheren Grenzwert. Dennoch meint Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Verkehr und digitale Infrastruktur: «Die Entscheidung der IMO für ein weltweites Schwefellimit in Kraftstoffen ab 2020 ist ein Meilenstein für den Umweltschutz in der Seeschifffahrt. Davon profitieren vor allem die Anwohner von Häfen und Küstenregionen.»

Für die Reeder ist laut Christof Schwaner vom Verband Deutscher Reeder die Umstellung eine Bürde: «Die Einführung des strengeren Schwefelgrenzwerts stellt die Reedereien vor enorme betriebliche, technische und finanzielle Herausforderungen.» Doch in der Herausforderung liege auch eine Chance: «Der Brennstoffverbrauch ist der größte Kostentreiber beim Schiffsbetrieb. Die Reeder haben daher ein großes Eigeninteresse, die Waren möglichst spritsparend und effizient von A nach B zu bringen. Davon profitiert natürlich auch die Umwelt.»

Doch nur weil der strengere Grenzwert gilt, heißt das noch lange nicht, dass alle Schiffe sauberen Sprit tanken. In den IMO-Reglements zählt lediglich, was aus dem Schornstein kommt, nicht, was in den Brennkammern des Motors lodert. Alternativ zum entschwefelten Sprit dürfen auch Abgasreinigungsanlagen installiert werden, sogenannte «Scrubber», die den Schwefel auswaschen und an Bord einlagern. Im nächsten Hafen muss dieser Klärschlamm dann entsorgt werden.

Da es die Option Scrubber gibt, darf auf See also weiterhin billiges und hochschwefelhaltiges Schweröl verbrannt werden – das dreckige Treiben geht weiter. Damit bleibt auch das Risiko, dass Schweröl bei Unfällen oder Leckagen ins Meer gelangt. Kritiker wie der NABU-Verkehrsexperte Dietmar Oeliger befürchten, dass Schweröl auch dort weiter genutzt wird, wo es verboten ist. Das sollen Überwachungssysteme verhindern, doch an Kontrollen und Sanktionen mangele es, sagt Oeliger: «Die Attraktivität zu schummeln ist sehr hoch.»

Ein riesiges , bis oben beladenes Containerschiff, umgeben von diversen Schleppern, im Hintergrund ein rot-weißer Strommast
Nochmal gut gegangen: Die unter der Flagge Hongkongs fahrende, knapp 400 Meter lange «CSCL Indian Ocean» lief im Februar 2016 in der Elbe auf Grund. Rund 2.000 Tonnen Schweröl wurden abgepumpt, dann erst konnte der Gigant freigeschleppt werden. Foto: Dietmar Hasenpusch

Vage Perspektiven statt konkreter Ziele

Besser wäre es, den Dreck erst gar nicht an Bord zu nehmen. Ganz nach dem Vorbild der «Selandia»: Die fuhr schon vor über 100 Jahren mit gewöhnlichem Dieselkraftstoff – und war damit um Welten umweltfreundlicher unterwegs als die heutige Flotte.

Nach zähem Ringen hat sich die seefahrende Welt immerhin dazu bewogen, ihre CO2-Emissionen perspektivisch zu begrenzen – bis 2050 um mindestens die Hälfte gegenüber 2008. Doch auch hier lässt sich die IMO wieder viel Zeit und bleibt vage: Bis zum Jahr 2023 sollen Maßnahmen entwickelt werden. An der Ernsthaftigkeit dieser Aussage melden Fachleute Zweifel an. Kein Wunder, hat sich die IMO in Sachen Umweltschutz bislang nicht gerade mit Ruhm bekleckert. «Mir ist noch nicht klar, wie sie das machen wollen. Wie glaubhaft das ist, ist zudem fraglich», sagt Verena Graichen vom Öko-Institut.

Wir brauchen klare, kurzfristige Reduktionsziele, keine Langzeitszenarien.

Verena Graichen, Öko-Institut e. V.

Geht es nach Verena Graichen, dann wäre die beste Wahl ein globaler CO2-Preis. Den favorisiert auch Schiffbauexperte Fridtjof Rohde: «Das wäre eine gute Sache.» Doch bis ein globaler Emissionshandel aufgebaut ist und die Emissionen spürbar sinken, werden noch viele Jahre ins Land ziehen: «Um bis Ende des Jahrhunderts einen klimaneutralen Seetransport erreichen zu können, liegt noch ein großes Stück Arbeit vor uns. Wir brauchen eine Innovationsoffensive bei Forschung und Entwicklung, vor allem bei alternativen Brennstoffen und Antriebssystemen. Regierungen weltweit müssen gemeinsam mit der Branche arbeiten und finanzielle Ressourcen bereitstellen, um die notwendige technologische Revolution auf den Weg zu bringen», sagt Ralf Nagel, geschäftsführendes Präsidiumsmitglied des Verbands Deutscher Reeder.

Erste Alternativen in der Erprobung

Kolorierte Zeichnung: Seitenansicht eines Frachters mit Mannschaftsräumen und Brücke am Bug, auf der Deckfläche dahinter drei mit Fracht beladene Abschnitte, darüber an den vier Masten starre, schalenförmige Segelflächen.
Avancierte Segelschiffkonzepte könnten langfristig eine Alternative zu schwerölgetriebenen Frachtern darstellen: Das Projekt «Ecoliner» von Fairtransport. Quelle: fairtransport.com

Doch es sind nicht nur die Reeder selbst, die das Ruder, das eine Transformation hin zu einer sauberen Seefahrt bewirken könnte, in der Hand halten. Auch wir Konsumenten können gegensteuern. Die Schiffe, die täglich über die Weltmeere fahren und mit ihren dreckigen Abgasen in jedem Hafen Land und Leuten schaden, haben schließlich Container mit Waren für uns geladen. Wer etwas gegen die Umweltverschmutzung auf See unternehmen will, der könnte beispielsweise auf ökologisch transportierte Produkte achten. So gibt es seit einigen Jahren Initiativen, die Waren per Segelfrachter zwischen den Kontinenten bewegen.

Rudolf Diesel selbst konnte das Dilemma, das seine Erfindung eines Tages anrichten sollte, nicht erahnen. Knapp ein Jahr nach dem Stapellauf seines weltweit ersten Motorschiffs, im Jahr 1913, ertrank er auf mysteriöse Art und Weise im Ärmelkanal. Auch die «Selandia» selbst sollte ein tragisches Schicksal ereilen: Sie lief 1942 vor Japan auf Grund, zerbrach in zwei Teile und verschwand in den Fluten – als wollte sie das Zeitalter, das sie eingeläutet hat, nicht mehr erleben.

 

 

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14. September 2018 | Energiewende-Magazin