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Der Wert der Wälder

Eine Reportage von Leonie March

Der Umweltaktivist Allan Schwarz verbindet in Mosambik Wiederaufforstung mit Waldfeldbau. Davon profitieren die Umwelt sowie die Kleinbauern vor Ort.

Über dem Waldpfad, der hinter der Schreinerei beginnt, hängen Äste voller Mangos, Cashewnüsse und Jackfrüchte. Ein paar Schritte weiter wachsen Kokospalmen, Papayas und Bananen. Im tropisch-feuchten Klima von Mosambik wüchsen diese Bäume und Gewächse fast von selbst, erzählt Allan Schwarz, während wir den schmalen Weg entlanggehen. «In der Mangosaison naschen wir alle im Vorbeigehen. Die meisten werfen den Kern zurück in den Wald – und dort wächst ein neuer Baum.» Doch was so banal wie einleuchtend klingt, ist alles andere als selbstverständlich: Der Wald ist das Lebenswerk von Allan Schwarz, einem Schreiner und Architekten aus Südafrika, der seit 1994 im nordöstlichen Nachbarland Mosambik lebt. Das hatte nichts mit dem zeitgleichen Ende der Apartheid zu tun, Schwarz verließ Südafrika bereits 1986, um in den USA als Architekt und Dozent zu arbeiten. Aber er wollte wieder mehr mit den eigenen Händen arbeiten, etwas aufbauen, etwas «Richtiges» tun, wie er es nennt.

Aufbruch in Mosambik

In Mosambik war zwei Jahre zuvor ein blutiger Bürgerkrieg zu Ende gegangen. Das ehemals marxistisch regierte Land hatte eine neue demokratische Verfassung verabschiedet und hielt 1994 die ersten Mehrparteienwahlen ab. Zahlreiche Kriegsflüchtlinge kehrten daraufhin in ihre Heimat zurück, es gab viel Hoffnung und Unterstützung für die junge Demokratie. Bei Schwarz waren es die Neugier auf das Land und der Wille, dort etwas aufzubauen, die ihn damals nach Mosambik führten. Als Schreiner kannte und schätzte er zudem die Qualität der mosambikischen Hölzer. «Ursprünglich wollte ich nur eine kleine Werkstatt zum Experimentieren einrichten», erzählt der heute 66-Jährige. Doch das Projekt wurde größer und größer: Mittlerweile verbindet sein «Mezimbite Forest Centre» traditionelles Holzhandwerk mit Wiederaufforstung und nachhaltiger Landwirtschaft.

Sein über Jahre entwickeltes und erprobtes Konzept will Allan Schwarz uns beim Spaziergang durch seinen Wald näherbringen. Mezimbite ist das einzige Waldstück entlang der Nationalstraße. Diese Hauptverkehrsader führt ausgehend von der Hafenstadt Beira am Indischen Ozean ins Landesinnere: Etwa eine Stunde dauert die Fahrt durch die flache, weite Landschaft, vorbei an stetig wachsenden Siedlungen, an selbstgezimmerten Ständen von Straßenhändlern, an Sägewerken und Holzlagern.

Ein älterer Mann in heller Kleidung steht mit beiden Händen in den Taschen im Wald und blickt in die Kamera.
Pioniere unter sich: Allan Schwarz neben seinem «ersten Baum» – seither haben er und sein Team rund zwei Millionen Bäume gepflanzt. Foto: Roger Jardine
Eine Zugstrecke: Von rechts schiebt sich dichter Wald an die Gleise – davor ein Schild mit der Aufschrift „Mezimbite“.
Eine Bahnstrecke führt durch den Wald von Mezimbite. Züge fahren nur selten, die Gleise werden eher als Fußpfad genutzt. Foto: Roger Jardine

«Das ist der erste Baum, den ich hier gepflanzt habe», sagt Schwarz und legt seine Hand an den Stamm eines ausladenden Laubbaums, einen «Messanda». Diese Baumart war charakteristisch für die ursprüngliche Waldsavanne in der von Regen- und Dürrezeiten geprägten Region. «Vor einhundert Jahren gab es hier noch überall Wald», sagt Schwarz mit einer ausladenden Geste. Doch als er in den 1990er-Jahren die rund 200 Hektar Land erwarb, seien nur noch verlassene, unbewirtschaftete Felder übrig gewesen. «Die Bäume waren abgeholzt worden, die Böden ausgelaugt, ausgetrocknet und nicht mehr produktiv. Seitdem versuchen wir, Stück für Stück den ursprünglichen Zustand der Landschaft wiederherzustellen.»

Auch wenn am «Mezimbite Forest Centre» Früchte geerntet werden, hat der neue Mischwald aus einheimischen Laub- und Obstbäumen nichts mit einer Plantage gemein. Der Boden ist mit einer dicken Blätterschicht bedeckt, Bäume, Büsche und Kletterpflanzen wachsen in verschiedenen Etagen. Eine kühle Brise weht durch die Blätter. «Wir haben hier im Durchschnitt niedrigere Temperaturen und mehr Niederschläge als unsere Nachbarn, die ihre Wälder abgeholzt haben», erzählt Schwarz.

Mezimbite – eine kleine grüne Insel

Das Mikroklima im Naturschutzprojekt Mezimbite veranschaulicht im Kleinen, welche Rolle Wälder beim globalen Klimawandel spielen: Sie senken nicht nur den CO2-Wert in der Atmosphäre oder speichern Kohlenstoff im Boden, sondern spenden auch Schatten und tragen zu niedrigeren Temperaturen bei. Außerdem speichern sie Wasser und beugen Erosion vor, sie gleichen Luftdruckunterschiede aus und dienen als Windschutz. Schwarz ist bei diesem Thema ganz in seinem Element, dabei kommt der Universitätsdozent in ihm etwas durch: Am «Massachusetts Institute of Technology» (MIT) in Boston lehrte er Architektur, an Hochschulen wie der «University of Oxford» ist er ein gern gesehener Gastdozent – und auch als Berater für nachhaltige Waldwirtschaft ist er ein gefragter Mann. Ein Großteil seiner hierdurch erzielten Einnahmen fließt in die Entwicklung seines Waldprojekts.

Engagiert erläutert Schwarz sein Konzept: Die Bäume werden zunächst in großer Dichte gepflanzt, etwa 1.200 Stück pro Hektar, die meisten davon aus der Familie der Hülsenfrüchtler. Zum einen, weil diese einmal die ursprüngliche Landschaft geprägt haben, zum anderen, weil sie bei der Regenerierung von Böden zentral sind. «Wir dürfen nicht vergessen, dass wir es hier mit einer zerstörten Umwelt zu tun haben», sagt Schwarz. «Da die Böden ohnehin sandig und nährstoffarm sind, ist der biologische Zyklus für die Fruchtbarkeit entscheidend.»

Zwischen mittelgroßen Bäumen stehen zahlreiche Pflanzentöpfe – dazwischen verläuft ein kleiner Pfad.
Auch Heilpflanzen werden angebaut: Auf einer Lichtung wächst in Tontöpfen Aloe vera heran. Foto: Roger Jardine
Ein älterer Mann beugt sich zu einer Pflanze herunter – um ihn herum sind Jungpflanzen in Säcken angeordnet.
Allan Schwarz inspiziert Kapok-Setzlinge in der Baumschule. Die Samen dieser Bäume werden zu Öl verarbeitet, das watteähnliche Innere der Schoten eignet sich als Kissenfüllung. Foto: Roger Jardine
Blick in die Baumkronen: Tageslicht drängt sich an Blättern und hellen Stämmen vorbei.
Einheimische «Msasa-Bäume» können Stickstoff aus der Luft aufnehmen und so auch den nährstoffarmen Boden damit anreichern. Foto: Roger Jardine

Ein Kreislauf, der durch einheimische Bäume wie «Messanda» oder «Msasa» wiederhergestellt wird: Sie sind anspruchslos und reichern die Böden mit Stickstoff an. Die dicke Schicht Blätter auf dem Waldboden wirkt wie Mulch, schützt den Boden vor Austrocknung und liefert wichtige Nährstoffe. «Mit dieser Biomasse kehrt die Biodiversität zurück, insbesondere siedeln sich Mikroorganismen im Boden an», erklärt Schwarz. Die dichte Bepflanzung beschleunigt diesen Prozess. Nach sieben bis zehn Jahren wird der Wald ausgedünnt, auf 300 bis 400 Bäume pro Hektar, die – mittlerweile kräftig und hochgewachsen – erheblich mehr Platz in Anspruch nehmen.

Bevor ich hier anfing, wusste ich nicht, wie man Bäume aus Samen zieht.

Angelina Césario, Mitarbeiterin im «Mezimbite Forest Centre»

Neue Setzlinge wachsen an mehreren Waldlichtungen heran: Dutzende Pflanzsäcke stehen auf niedrigen Holzständen, überdacht mit einer Art Pergola, auf der teils Maracuja-Kletterpflanzen wuchern. Sie dienen als Sonnenschutz – und wer Appetit auf eine Frucht hat, kann sie einfach pflücken. Angelina Césario wässert die Baumsetzlinge gerade mit einer Gießkanne, die sie an einem Brunnen befüllt hat. Auf Grundwasser stößt man hier schon nach wenigen Metern, Wasser aus dem Hahn gibt es allerdings nicht.

Césario ist mit großer Sorgfalt bei der Arbeit, prüft, welche Bäumchen wie viel Wasser benötigen. Sie arbeitet seit 2005 im Mezimbite Forest Centre. «Bevor ich hier anfing, wusste ich nicht, wie man Bäume aus Samen zieht», erzählt sie. Heute ist sie für die Baumschule verantwortlich und lernt neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an. Sie bringt ihnen bei, welche Erde sich zur Anzucht eignet, woran man die besten Samen erkennt und was die Bäume für ihr Wachstum benötigen. «Wenn man es einmal verstanden hat, ist es ganz einfach», meint sie lächelnd. Einige der Bäume würden verkauft oder verschenkt. Viele der rund vierzig anderen Teammitglieder hätten – wie auch sie selbst – bei sich zu Hause einige dieser Bäume eingepflanzt. Doch außerhalb dieses Waldes würden Bäume in der Regel «eher gefällt als gepflanzt».

Eine Frau mittleren Alters steht im Kleid und mit Turban am Brunnen, während sie Wasser in Gießkannen schüttet.
Für die Bewässerung der Baumschule holt Angelina Césario Wasser vom Brunnen. Foto: Roger Jardine
Ein Mann und eine Frau entladen gemeinsam Tontöpfe von einem weißen Pick-up.
Eine Nachbarin liefert selbst getöpferte Pflanzschalen für Kräuter und Aloe vera. Sie verdient damit den Lebensunterhalt ihrer Familie. Foto: Roger Jardine
Unzählige Säcke mit Jungpflanzen sind auf kleinen Podesten unter selbstgebauten Unterständen platziert.
In einer Waldlichtung wachsen die jungen, meist einheimischen Bäume, Sträucher und Obstgehölze geschützt heran. Foto: Roger Jardine

Der wichtigste Brennstoff: Holz

Holz spielt in Mosambik eine große Rolle: So wird es in den Dörfern rund um Mezimbite für den Hausbau benutzt. Außerdem benötigt man es landesweit zum Kochen. In den Städten kochen die Menschen auf Holzkohle, auf dem Land auf Feuerholz. «Über 80 Prozent der Mosambikaner besitzen keine andere Energiequelle», sagt Allan Schwarz. In den Städten verbraucht so jeder Einwohner etwa zwei Tonnen Holz pro Jahr, auf dem Land ungefähr ein Drittel davon, schätzen die Autoren einer 2021 vom «Journal of Energy in Southern Africa» veröffentlichten Studie.

«Bei über 30 Millionen Einwohnern sind das enorm viele Bäume, die sich in Rauch auflösen, Emissionen verursachen und nicht ersetzt werden», sagt Schwarz. Wie aufs Stichwort kommen uns auf dem Pfad drei Frauen entgegen, zwei von ihnen balancieren große Bündel Feuerholz auf ihrem Kopf. Das seien die Nachbarinnen, erklärt Schwarz. Mit seiner Genehmigung sammeln sie in Mezimbite regelmäßig abgefallene und tote Äste. Etwa zwei Millionen Bäume habe sein Team seit der Gründung des Wiederaufforstungsprojekts gepflanzt, sagt Schwarz – eine allerdings marginale Menge angesichts der zahlreichen jährlich abgeholzten Bäume.

Neben einer Straße sind weiße und grüne Säcke aufgereiht, dahinter sitzen einige Menschen in einer kleinen Hütte.
Gegenüber der Einfahrt zum «Mezimbite Forest Centre» verkaufen Straßenhändler säckeweise Holzkohle. Foto: Roger Jardine
Hinter einem Haufen Holzkohle stehen die gleichen Säcke, teilweise noch leer. Vier Männer befüllen sie.
Mit dem Verkauf von Holzkohle verdienen viele in der Region ihren Lebensunterhalt – nachhaltig ist das nicht. Foto: Roger Jardine
Drei Frauen sind auf einem Fußpfad im Wald unterwegs, auf ihren Köpfen balancieren sie große Bündel aus Kleinholz.
Auch in Mosambik, wie in vielen Ländern Afrikas, wird auf offenem Feuer gekocht. Das Mezimbite-Team erlaubt den Frauen aus der Nachbarschaft, abgefallene und tote Äste als Brennholz zu sammeln. Foto: Roger Jardine

In den Dörfern um Mezimbite stehen fast nur noch Obstbäume. Direkt gegenüber, auf der anderen Seite der viel befahrenen Nationalstraße, die Beira mit dem Nachbarland Simbabwe verbindet, verkaufen Händler Säcke mit Holzkohle oder transportieren sie auf den Gepäckträgern ihrer Fahrräder. Zwischendurch donnern schwer beladene Lkw vorbei, die Baumstämme für den Export zum Hafen bringen, von wo aus sie in erster Linie nach China verschifft werden. 

Wie viel Wald Mosambik in den letzten Jahren insgesamt verloren hat, ist schwer zu beziffern – auch aufgrund fehlender aktueller Erhebungen. Das Land ist ungefähr so groß wie die Türkei, auf etwa einem Drittel der Fläche wuchsen laut der Online-Plattform «Global Forest Watch» im Jahr 2010 noch natürliche Wälder. Doch diese werden immer kleiner: Von 2003 bis 2013 sind sie laut einem Bericht der Weltbank von 2018 jährlich um 267.000 Hektar geschrumpft, das entspricht in etwa der Fläche des Saarlandes.

Wenn es so weitergeht, wird die Abholzung 2030 nur deshalb enden, weil es schlicht keine Wälder mehr gibt.

Allan Schwarz, Gründer des «Mezimbite Forest Centre»
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Quelle: Weltbank

Mosambik gehört zu den 105 Ländern, die 2021 bei der UN-Klimakonferenz in Glasgow ein Abkommen gegen die Abholzung von Wäldern unterzeichnet haben. Darin verpflichten sie sich, die Zerstörung der Wälder bis 2030 zu stoppen, sie rückgängig zu machen und eine nachhaltige Entwicklung ländlicher Räume zu fördern.

Allan Schwarz glaubt das erst, wenn er es sieht: «Diese Ankündigungen haben hier in Mosambik nichts mit der Realität zu tun. Das sind leere Worte. Wenn es so weitergeht, wird die Abholzung 2030 nur deshalb enden, weil es schlicht keine Wälder mehr gibt.» Schwarz scheut vor solch drastischen Aussagen nicht zurück – er gehört zu den Menschen, die keinen Konflikten aus dem Weg gehen. Als scharfer Kritiker der mosambikanischen Regierung wirft er ihr unter anderem mangelndes Interesse am Wohlergehen der Bevölkerung und Korruption bei Holzexporten vor. Eine Recherche der «Environmental Investigation Agency» ergab, dass über 80 Prozent der Abholzungen in den Jahren vor 2014 illegal gewesen seien. Seitdem hat Mosambik zwar seine Gesetze verschärft, doch es hapert an deren Umsetzung.

Auch fruchtbarer Boden verschwindet 

Laut WWF nimmt die Abholzung in Mosambik weiter zu. Als Haupttreiber gelten jedoch weder die Exporte noch die lokale Nachfrage nach Feuerholz und Holzkohle, sondern die Auswirkungen kleinbäuerlicher Landwirtschaftstraditionen. Gemeint ist die in vielen afrikanischen Ländern südlich der Sahara praktizierte Brandrodung, die sogenannte «Slash-and-burn»-Methode: Waldstücke werden zur Erschließung neuer Agrarflächen gerodet und Felder jedes Jahr vor der Aussaat abgebrannt, um sie etwa von Unkraut zu befreien. Und das wieder und wieder, bis die Flächen völlig unfruchtbar sind.

Viele Kleinbauern sehen sich dann gezwungen, weiterzuziehen und an anderer Stelle Bäume zu fällen. Auch rund um Mezimbite brennen bis heute einige Jahr für Jahr ihre Felder ab, vom Waldrand aus ist der Rauch der schwelenden Feuer gut zu erkennen. «Die Leute machen im Grunde genau das, was sie vor einhundert Jahren getan haben, um überleben zu können», sagt Schwarz. «Doch heute, bei einem jährlichen Bevölkerungswachstum von fast drei Prozent, ist das eine Katastrophe.»

Auf einer weitläufigen Fläche liegen stapelweise Baumstämme. Im Hintergrund steht ein mit Holz beladener Truck.
Kahlschlag für den Export: Wertvolle Tropenhölzer werden teils illegal von der Hafenstadt Beira nach China verschifft. Foto: Jörg Böthling / Alamy Photo
Abgestorbene Vegetation: eine Fläche mit verkohlten Pflanzenresten.
Nach der traditionellen «Slash-and-burn»-Methode bleibt nur verbrannter, nährstoffarmer Boden zurück. Foto: Roger Jardine
Ein Weg schlängelt sich durch die Landschaft: auf der einen Seite üppige Vegetation, auf der anderen karger verbrannter Boden.
Jedes Jahr verliert Mosambik eine Waldfläche etwa in der Größe des Saarlands. Rund um die Siedlungen wächst der Kahlschlag. Foto: Roger Jardine

Wie auch anderswo muss in Mosambik ein schrumpfender Anteil an fruchtbaren Böden immer mehr Menschen ernähren und mit Brennholz versorgen. Dabei gilt Mosambik schon heute als eines der ärmsten Länder der Welt. Die große Mehrheit der wachsenden Bevölkerung lebt zudem von kleinbäuerlicher Landwirtschaft. Der Druck auf die Umwelt nimmt so stetig zu, gleichzeitig ist die Ernährungslage prekär: Laut Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen ist etwa die Hälfte der Kinder unter fünf Jahren mangelernährt.

«Natürlich kann man Menschen in einer derart chronischen Notlage nicht einfach sagen, dass sie keine Bäume mehr fällen dürfen», meint Schwarz. Naturschutz könne in Ländern wie Mosambik nur funktionieren, wenn die Bürgerinnen und Bürger direkt davon profitierten. Man müsse ihnen Alternativen bieten, die nicht nur auf dem Papier gut aussehen, sondern auch praktikabel seien und sich positiv auf ihr Leben auswirken. Er hält nichts von vorgefertigten Standardlösungen oder von am Reißbrett entstandenen Projekten. Jede Initiative müsse individuell auf den lokalen Kontext zugeschnitten sein, Herausforderungen vor Ort analysiert und entsprechende Lösungsansätze entwickelt werden – in enger Kooperation mit den dort ansässigen Menschen und unter Berücksichtigung ihrer Bedürfnisse und kulturellen Gepflogenheiten.

Aus anfänglichen Fehlern gelernt

Er selbst habe sein Konzept immer wieder angepasst und das verworfen, was einfach nicht funktionierte, erklärt Schwarz. Auf unserem Weg werden die ausladenden Baumkronen lichter, immer mehr Sonnenstrahlen dringen hindurch, bis wir auf einer Fläche stehen, auf der überwiegend Frauen die Felder bewirtschaften. Sie tragen die landestypischen «Capulanas», bunt gemusterte Tücher, als Röcke um die Hüften gebunden. Einige verteilen Mulch auf den in langen Reihen angeordneten Hügelbeeten, andere zupfen Unkraut, lockern den Boden mit Feldhacken für die Reisaussaat, gießen Maniok oder Grünkohl, die auch jetzt im Hochsommer gedeihen. Die Sorten wechseln von Saison zu Saison nach dem klassischen Prinzip der Fruchtfolge. Zwischen den Beeten wachsen kleine Bäume: Sie dienen als Windschutz, beugen Erosion vor und reichern wie der besonders resistente «Moringa»-Baum den Boden mit Stickstoff an. An anderen Stellen wachsen Niembäume mit ihren gefiederten Blättern, aus deren Samen Öl gewonnen wird, ebenso wie aus dem Grün der an Ginster erinnernden Teebäume.

Dieser Waldfeldbau ist neben der Wiederaufforstung der zweite zentrale Teil des Mezimbite-Gesamtkonzepts. Auf diesen Feldern wachsen Nutzpflanzen, die die Landwirtschaft nachhaltiger machen und dabei zur Ernährungssicherheit beitragen. Aus dem frisch Geernteten kochen die Mitarbeiter jeden Mittag eine gemeinsame Mahlzeit, einen Teil nehmen sie mit nach Hause, ein anderer Teil wird auf dem Markt verkauft – wie auch Honig, Öle und Seifen aus Eigenproduktion. Zum nächstgrößeren Laden fährt Allan Schwarz nur, um Produkte wie Milch, Käse oder Nudeln zu kaufen.

Auf einem kleinen Feld gedeihen unterschiedliche Obst- und Gemüsepflanzen. Drumherum wachsen Bäume und Sträucher.
Waldfeldbau statt Monokultur: In Hügelbeeten wachsen Ananasstauden und Gemüse. Die umstehenden Bäume schützen vor Wind und Erosion, zudem liefern sie Nährstoffe und Mulch. Foto: Roger Jardine
Ein Strauch mit schmalen Zweigen und nadelförmigen Blättern.
Ein Teebaum, aus dessen Grün ätherisches Öl gewonnen wird. Foto: Roger Jardine
Auf länglich aufgehäuften Beeten wachsen Maniokstauden.
Maniok wächst in Hügelbeeten, die Knolle gehört zu den Grundnahrungsmitteln in Mosambik. Foto: Roger Jardine
Eine Frau gräbt einen Acker um. Dabei blickt sie zu Boden, während sie mit einer Feldhacke zum Schlag ausholt.
Ein Feld wird für die Reisaussaat vorbereitet. Foto: Roger Jardine
Eine Frau gräbt einen AckeaZwei unterschiedlich alte Frauen stehen nebeneinander – die Jüngere hält ein Mädchen an der Hand.  r um. Dabei blickt sie zu Boden, während sie mit einer Feldhacke zum Schlag ausholt.
Zwei Generationen auf dem Weg zur Feldarbeit. Die kleinbäuerliche Landwirtschaft bildet die Existenzgrundlage der meisten Familien. Foto: Roger Jardine

Die auf den Feldern arbeitenden Frauen würden für ein Jahr angestellt und absolvieren dabei eine Art Kurs, erklärt Schwarz. «Wir nennen das aber nicht so, viele von ihnen sind nie zur Schule gegangen und wären davon eingeschüchtert.» Mädchen gehen in Mosambik seltener in die Schule als Jungen und werden oft schon vor der Volljährigkeit verheiratet. Es würde nichts bringen, ihnen einen Vortrag über die Vorzüge des Waldfeldbaus zu halten. Deshalb erlernen sie die Methode bei der Arbeit Schritt für Schritt und bemerken selbst, dass etwa die von Mulch und Bäumen geschützten Pflanzen besser gedeihen als die auf ihren eigenen Feldern. «Nach Ablauf des Jahres haben sie etwas Geld verdient und können unser System auch zu Hause anwenden», sagt Schwarz. Etwa ein Drittel von ihnen würde das auch tun, schätzt er. Mit vielen dieser Frauen steht sein Team weiterhin in Kontakt. Als Grundstock erhalten sie von Mezimbite nicht nur die entsprechenden Bäume, sondern auch Saatgut alter, samenfester Gemüsesorten. Darauf besteht Schwarz, weil diese Samen vermehrt und von Saison zu Saison wieder ausgebracht werden können und sich mit den Jahren auch besser an die lokalen Bedingungen anpassen. Hybride oder genmanipulierte Sorten müssen dagegen neu gekauft werden, um gute Erträge zu liefern – und dazu fehlt vielen schlicht das Geld.

Diese Anbaumethode hat uns das Leben gerettet.

Ana Morreira, Mitarbeiterin im «Mezimbite Forest Centre»

In den letzten drei Jahren habe das Interesse an seiner Methode deutlich zugenommen, erzählt Schwarz – nämlich seit im Frühjahr 2019 der Zyklon «Idai» große Teile der Region zerstörte. Auch in Mezimbite richtete er schwere Schäden an: Bäume wurden entwurzelt, Dächer abgedeckt, Felder überflutet. Doch die jahrzehntelange «Investition» in die Fruchtbarkeit der Böden habe sich ausgezahlt, so Schwarz. Schon bald wuchs in Mezimbite neues Gemüse heran – und zwar so viel, dass nicht nur die Angestellten, sondern auch Tausende Schulkinder in der Umgebung monatelang davon ernährt werden konnten. Das hinterließ in der Nachbarschaft einen bleibenden Eindruck. «Diese Anbaumethode hat uns das Leben gerettet», bestätigt Ana Morreira, die wir auf dem Rückweg in einer der kleinen Baumschulen antreffen. Morreira arbeitet schon ein paar Jahre in Mezimbite, ihr eigenes Feld bewirtschaftet sie jedoch erst seit der Krise nach der neuen Methode. «Das Gemüse wächst wirklich gut zwischen den kleinen Bäumen», sagt sie. «Der Ertrag verbessert sich von Saison zu Saison.»

Eine überflutete und zerstörte Stadt: Zwischen eingestürzten Häusern und Trümmern waten Menschen durchs Wasser.
Im März 2019 wütete der tropische Wirbelsturm «Idai»: Nahezu 90 Prozent der zentralen Hafenstadt Beira wurden zerstört. Foto: Denis Onyodi / Picture Alliance
Eine ältere Frau mit Stirntuch und bunter Kleidung steht in der Baumschule – in der Hand hält sie eine Gießkanne.
Anna Morreira kann dem Zyklon immerhin etwas Positives abgewinnen: Die jahrzehntelange «Investition» in die Fruchtbarkeit der Böden hat sich für jeden sichtbar ausgezahlt. Foto: Roger Jardine

Und das, obwohl auf Idai weitere Zyklone folgten. Mosambik gehört zu den Ländern der Welt, die besonders stark unter den Auswirkungen von Klimawandel und Naturkatastrophen leiden – und deren Häufigkeit und Heftigkeit nimmt zu. Daran sei nicht nur der globale CO2-Anstieg schuld, sondern vor allem Brandrodungen und die Abholzung der Wälder, betont Schwarz. «Die Umwelt ist derart zerstört worden, dass die Luftdruckunterschiede zwischen dem Ozean und dem Festland die Stürme direkt in eine Art Korridor lenken, der von Beira bis nach Simbabwe führt.» Vor diesem Hintergrund kritisiert er auch, dass in der Debatte über den Klimawandel Industriestaaten als «Täter» und Entwicklungsländer pauschal als bloße «Opfer» dargestellt werden. «Nur wenn wir anerkennen, dass jeder von uns, wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß, zur Klimakrise beiträgt, können wir aktiv werden. Wir sind keine Opfer, wir können ein Teil der Lösung sein.» Diese Überzeugung gibt ihm Kraft, ungeachtet aller Rückschläge weiterzumachen, trotz der Tropenstürme, der weiterhin brennenden Landschaften und der fortgesetzten Abholzung von Wäldern.

Holzprodukte für den lokalen Markt

Mittlerweile sind wir bei unserem Rundgang wieder am Anfang angelangt: an der Schreinerei. Seine Mitarbeiter produzieren hier unter anderem Möbel, Schalen, Bilderrahmen und Schmuck aus Holz. Sie bilden Lehrlinge in der traditionellen Handwerkskunst aus, die ohne Nägel auskommt und deren Qualität sich an internationalen Designmaßstäben messen lassen kann. Jedes noch so kleine Holzstück wird genutzt, Astlöcher und andere Unvollkommenheiten ersetzt man durch Intarsien. «Seit vielen Jahren wurde dafür kein Baum mehr gefällt», betont Schwarz. Chinesische Holzhändler hätten bergeweise wertvolles Tropenholz als «Abfall» zurückgelassen. Auch Kokospalmen, die den Wirbelstürmen zum Opfer gefallen sind, werden verarbeitet. Für die Angestellten ist die Arbeit durchaus lukrativ: Neben dem gesetzlichen Mindestlohn erhalten sie einen Anteil des Verkaufspreises sowie eine jährliche leistungsabhängige Bonuszahlung. Auch Arztkosten werden von Mezimbite übernommen – und im Alter bekommt man eine landesübliche Rente ausgezahlt. Das ist selten in der mosambikanischen Provinz.

Drei Männer sitzen an einem langen Tischen und bearbeiten runde Holzplatten mit Schleifpapier.
Mit der Idee einer Holzwerkstatt fing alles an. Heute sichern deren Produkte das Einkommen des Projekts. Foto: Roger Jardine
Flache Schalen in unterschiedlichen Größen liegen übereinander gestapelt auf einem Tisch.
Schalen aus dem Holz von Kokospalmen, makelhafte Stellen werden mit kunstvolle Intarsien versehen. Foto: Roger Jardine
Ein Stuhl aus dunklem Holz steht an einem eleganten Holztisch mit gekreuzten Beinen.
Dieser Stuhl ist ein Klassiker der Schreinerei von Mezimbite, passend zum Esstisch des Gründers. Foto: Roger Jardine
Ein Mann mit blau-weiß-grau gestreiftem Poloshirt sitzt lächelnd auf einem Stuhl mit ausgefallenem Design.
Möbeldesign aus «Holzabfällen»: Schreiner Davidson Lukani ist stolz auf seine Handwerkskunst. Foto: Roger Jardine
In der Schreinerei arbeitet einer der Handwerker mit Beiteln und Zirkel an einer aufwendigen Schnitzerei.
Alvaro Mario ist in Mezimbite für die kunstvollen Schnitzarbeiten verantwortlich. Foto: Roger Jardine
Zwei junge Männer unterhalten sich mit Allan Schwarz in der Werkstatt – ein Dritter ist in seine Arbeit vertieft.
Allan Schwarz ist glücklich über seine erfahrenen und engagierten Mitarbeiter, die während der Pandemie den Betrieb auch ohne ihn am Laufen hielten. Foto: Roger Jardine

Das ist hier schließlich kein neokoloniales Projekt.

Allan Schwarz, Gründer des «Mezimbite Forest Centre»

Die Schreinerei stellt die Haupteinkommensquelle des «Mezimbite Forest Centre» dar. Die hergestellten Produkte seien in erster Linie für den lokalen Markt bestimmt, so Schwarz. «Das ist hier schließlich kein neokoloniales Projekt. Was wir hier nicht verkaufen können, geht nach Europa und in die USA. Unsere Exporte sind also die Restbestände aus einem der ärmsten Länder der Welt.» Preiswertere Tische und Bänke aus dem hellen Holz der Kokospalmen sind bei der mosambikanischen Kundschaft besonders beliebt. Teurere Hartholzmöbel mit kunstvollen Schnitzereien werden an Hotels und Gästehäuser in der Region verkauft.

Die letzten Jahre seien jedoch wirtschaftlich schwierig gewesen, räumt Schwarz ein. 2019 hatte der Zyklon Idai auch große Teile der Schreinerei zerstört, die erst wieder aufgebaut werden musste, darauf folgte die Pandemie. Er selbst saß angesichts geschlossener Grenzen fast anderthalb Jahre in Portugal fest. «Doch mein Team ist in dieser Zeit auch ohne mich wunderbar zurechtgekommen», sagt er. Es beseitigte Sturmschäden, setzte die Arbeit in der Schreinerei, in der Baumschule und auf den Gemüsefeldern fort, produzierte weiter Honig und Öle. Eine Anleitung brauchten die Mitarbeiter aufgrund ihrer oft jahrzehntelangen Erfahrung nicht mehr. Sie wissen nun, dass der Wald ihnen mehr bietet als Feuerholz, dass er ihr Überleben sichert und daher geschützt werden muss. Die hartnäckig verfolgte Idee von Allan Schwarz, traditionelles Holzhandwerk mit Aufforstung und nachhaltiger Landwirtschaft zu verbinden, ist nicht nur ökologisch und wirtschaftlich erfolgreich, sondern längst auch in den Köpfen und Herzen der Menschen vor Ort angekommen.

 

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