Plastik im Paradies
Ein Bericht von Judith von Plato
Tonnenweise Plastik landen jährlich in den Ozeanen und gefährden das Leben unter Wasser. Auf den indonesischen Banda-Inseln werden nun Auswege gesucht.
Er wacht über den Garten, der alte Baum in der Mitte des Innenhofs. An seinem Stamm ranken Pflanzen gen Himmel. Um ihn herum wachsen Palmen und Papayas. Ein Steg führt aufs Meer hinaus. Unter einem Vordach trocknen die Tauchausrüstungen des Tages. In der Bucht liegen ein paar Boote und Schiffe. Das Grün dicht bewachsener Hügel geht in das Blau des Wassers über. Am gegenüberliegenden Ufer, gar nicht weit entfernt, ragt der «Gunung Api», übersetzt «Feuerberg», aus dem Wasser. Der Schwefelgeruch, der über dem Krater des Vulkans wabert, gelangt nicht bis zur Tauchbasis herüber.
An diesem Ort, im östlichen Indonesien, verbringt Mareike Huhn gerne ihre Zeit an Land. Mareike Huhn ist promovierte Meeresbiologin von der Ruhr-Universität Bochum – und Umweltaktivistin. Viele Stunden Schiffsreise von der nächstgrößeren Stadt entfernt, lebt und forscht sie einen Großteil des Jahres auf einer der Banda-Inseln. Die Hauptinsel Banda Neira ist ungefähr drei Kilometer lang und etwas mehr als einen Kilometer breit. Etwa 21.000 Menschen, größtenteils muslimischen Glaubens, leben auf den Vulkaninseln. Gesprochen wird ein regionaler Dialekt des Indonesischen.
Klimaanlagen laufen, Ventilatoren brummen. Während es auf den Inseln meist heiß ist, ist es im Wasser angenehm – zumindest für uns Menschen. Für Korallen wird es hingegen immer häufiger gefährlich warm.
Besonders interessieren Mareike Huhn die Einflüsse des Menschen auf das Leben im Meer. Mit ihrem Team sucht sie auf Banda Neira nach Möglichkeiten, kranke Korallenriffe zu restaurieren – so schonend wie möglich, denn bisher werden häufig einfach Korallenstücke abgebrochen und andernorts wieder angepflanzt. Um eine weniger invasive Methode zu erproben, verbringt sie gemeinsam mit Laborkoordinator Rifaldi Kadir und Arin Lakambe, Studentin der lokalen Universität, viel Zeit im Labor. Ihr Ziel: Korallenlarven auf dem Land hochzuziehen und wieder im Meer auszusetzen, wo sie heranwachsen können. «Wenn es dazu kommt, dass hier aufgrund des Klimawandels Korallen absterben, wären wir imstande, schnell zu reagieren», sagt sie.
Lösungen wie diese sind dringend erforderlich, denn Riffe leiden weltweit unter dem Klimawandel und der Umweltverschmutzung. Die Meere erreichen Temperaturen und Säurewerte, denen Korallen nicht lange standhalten können. Zudem nimmt die Verschmutzung durch Plastik und Mikroplastik zu. In der Folge bleichen die Korallenriffe aus – ein Zeichen von Stress und Krankheit – oder sterben ganz ab.
Derzeit experimentieren Mareike Huhn und ihr Team mit unterschiedlichen Gemischen, die den Korallen als Substrat dienen sollen. Dabei wollen sie herausfinden, welche Rolle Lavagestein bei der Ansiedlung von Korallenlarven und ihrem Wachstum in frühen Stadien spielt – und das in einem der artenreichsten Meeresreviere der Welt. Die besondere Lage an den Unterwasserhängen der Tiefsee, gespeist von den nährstoffreichen Böden der Vulkaninseln, trägt dazu bei. Regelmäßig ziehen Schulen von Hammerhaien, Pottwalen oder Blauwalen durch die Bandasee.
Meere von Plastik
Doch so schützenswert die Bandasee ist, so gefährdet ist sie auch – durch Müll und insbesondere durch Kunststoffabfälle. Eine bessere Abfallwirtschaft ist daher ein zentrales Anliegen von Mareike Huhn. Auf den Inseln wurde der Müll bis vor wenigen Jahren verbrannt oder einfach ins Meer geworfen. Damit ist die Inselgruppe nicht allein: Weltweit landen jährlich 20 Millionen Tonnen Kunststoff in Gewässern, so die Vereinten Nationen – das ist mehr als eine Lkw-Ladung pro Minute.
Dort richtet es erheblichen Schaden an – auch an Arten, die besonders dazu beitragen, dass Ozeane eine der wichtigsten Kohlenstoffsenken sind. Laut Schätzungen der «World Ocean Review» enthalten sie 40.000 Gigatonnen Kohlenstoff; durch die Speicherung des Kohlenstoffs verlangsamen sie die Klimaerwärmung. Die Artenvielfalt unter Wasser ist also besonders bedeutsam, um das Klima zu stabilisieren. Doch die Erwärmung, Versauerung und Verschmutzung der Ozeane durch Plastik gefährdet diese Vielfalt. Studien legen nahe, dass Mikroplastik dabei eine der größten Gefahren darstellt. Wie genau es sich auf die Ozeane auswirkt, macht das Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung als eine der drängendsten Fragen der Meeresforschung aus. Experimente des Instituts zeigten: Mikroplastik kann in Korallen eindringen und Teil ihres Kalkskeletts werden, wodurch das Gewebe um die Fremdkörper herum abstirbt.
In der Tauchbasis auf Banda Neira
In der Mittagshitze auf Banda Neira, wenn der Ruf des Imams verklungen ist, wird es auf den Straßen meist etwas stiller. Außer Mareike Huhn und ihrem Mann Guido Weißenfeld, die den Großteil des Jahres hier verbringen, wohnt kaum jemand aus dem Ausland dauerhaft auf dem Archipel. Reisende zieht es vor allem wegen der Riffe und Meerestiere nach Banda Neira – zum Schnorcheln oder Tauchen. Gemeinsam mit einem indonesischen Partner betreibt Guido Weißenfeld dort eine Tauchbasis.
Unter Wasser kommt Mareike Huhn zur Ruhe. Sie hört nur das Blubbern ihrer Luftblasen, ab und zu ein vorbeifahrendes Boot. Was ihr Ohr erreicht, klingt fern und dumpf. Ihr Atem ist ruhig. Die Sauerstoffflasche auf ihrem Rücken fühlt sich leicht an. «Man schwebt dort einfach vor sich hin und lässt den Blick schweifen», schwärmt sie.
An Land, im Innenhof der Tauchbasis, geht es trubeliger zu. Hier finden sich fast immer Menschen, mit denen die Wissenschaftlerin ins Gespräch kommt. Reisende, Mitarbeitende der Tauchbasis, ihre Studierenden aus Bochum und Indonesien oder Freiwillige.
Ab und an treibt eine einzelne Plastiktüte auf der Wasseroberfläche an dem Tauchzentrum vorbei. Es dauert rund 20 Jahre, bis sich so eine Tüte im Meer in Mikroplastik zersetzt hat. Eine Flasche überdauert mehr als vier Jahrhunderte. Genauso lange ist das Massaker der niederländischen Kolonialmacht her: Im Jahr 1621 wurde fast die gesamte bandanesische Bevölkerung umgebracht. Die Kolonialgeschichte ist hier allgegenwärtig. Auf einem Hügel im Zentrum von Banda Neira erinnert die große Festung an diese Zeit, im Innenhof der Tauchbasis eine Kanone – ein Fremdkörper damals wie heute.
Aktiv werden gegen die Verschmutzung
Vor 14 Jahren besuchte Mareike Huhn Banda Neira zum ersten Mal. Damals gab es keine Müllabfuhr. Sie und ihr Mann mussten selbst entscheiden, wie sie ihren Abfall entsorgen. «Vor jedem einzelnen Haus und jedem Vorgarten wurde der Müll verbrannt oder er wurde ins Meer geworfen», erinnert sie sich. Um daran etwas zu ändern, gründete Mareike Huhn den in Bonn ansässigen Verein «BandaSEA» mit und initiierte als Partner vor Ort die Organisation «Luminocean», bestehend aus einem Sozialunternehmen und einer Stiftung.
Die Aktiven rund um Luminocean haben inzwischen erreicht, dass eine kommunale Müllabfuhr die Abfälle abholt – anfangs mit Schubkarren, später mit sogenannten Fukudas, einer Art Pick-up-Moped, und inzwischen auch per Auto. «Endlich wurden dafür die vorgesehenen staatlichen Mittel bereitgestellt. Jetzt wird der Abfall immerhin auf eine Müllkippe gebracht», sagt Mareike Huhn. Der Weg dahin war nicht leicht. Bis 2024 erhielten die Umweltschützer:innen nicht die erhoffte Unterstützung der Lokalregierung. Vorgesehen war die Müllkippe ausschließlich für nicht recycelbare Abfälle. Stattdessen landete unsortiert alles Mögliche auf ihr.
BandaSEA und Luminocean suchten immer wieder das Gespräch und erarbeiteten Vorschläge für Richtlinien zum Umgang mit Müll. Dennoch habe sich wenig bewegt, sagt Huhn. 2024 sei die Halde dann regelrecht übergequollen. Kurzerhand verbot die Lokalregierung der Müllabfuhr, sie weiter anzufahren – ohne für eine Alternativlösung zu sorgen. Das habe dazu geführt, dass die Menschen auf den Inseln ihren Müll wieder verbrannten oder ins Meer warfen. Hoffnungsfroh stimmt die Aktiven allerdings die neue Bürgermeisterin der Region. Sie berief ein Krisentreffen zur Müllsituation ein und plant, Forderungen der Umweltschutzorganisationen umzusetzen: So sollen unter anderem private Haushalte künftig verpflichtet werden, ihren Müll zu sortieren. Außerdem ist eine neue Müllkippe für nicht recycelbaren Abfall geplant.
Die schwimmende Müllabfuhr
«Die Müllsituation auf Banda Neira hat ganz viel mit Ungerechtigkeit zu tun», sagt Mareike Huhn. Staatliche Mittel für eine Abfallinfrastruktur gebe es schon länger. Doch sie vermutet, dass viele Gelder irgendwo versickern: «Nicht alles, was den Leuten hier zusteht, erreicht sie auch.» Zu wenig relevant sei sowohl die Entsorgungsinfrastruktur als auch die Region selbst – zumindest aus Sicht der zig Kilometer weit entfernten Behörden in Ambon, der Hauptstadt der Region, und in der indonesischen Hauptstadt Jakarta.
Es ist schwierig, das Verhalten so zu ändern, dass kein Müll mehr auf den Strand oder ins Meer geworfen wird.
In der Bandasee hilft ein Boot – gefördert vom deutschen Verein und der indonesischen «Tirto Utomo Foundation» – dabei, Plastikmüll auch von den entlegeneren Dörfern der Inseln abzuholen. «Tirta Intan», Diamantwasser, prangt als Name seitlich am Bug des rot-blauen Schiffs: laut Luminocean die erste schwimmende Müllabfuhr Indonesiens. Koordiniert wird das Müllprojekt von Mareike Huhns bandanesischem Kollegen Magafira Ali. Der Umweltaktivist, gelernter Englischlehrer und einer der Vorsitzenden von Luminocean, arbeitet seit Jahren im Meeresschutz. «Es ist wirklich schwierig, das Verhalten der Menschen zu ändern und sie dazu zu bringen, keinen Müll mehr auf den Strand oder ins Meer zu werfen», sagt er. Die Mitarbeit der Regierung ist daher aus seiner Sicht unerlässlich.
Expertise vor Ort schaffen
An vielen Stränden und Ufern der Banda-Inseln sammelt sich Plastik im Wasser, vor allem nach Unwettern wird allerhand angeschwemmt. «Gerade haben wir fast 2.700 Kilo zum Recyceln verschickt», erzählt Mareike Huhn. Allein 2024 transportierten sie alle zwei Monate zweieinhalb bis drei Tonnen Plastik nach Surabaya auf Java, eine der Hauptinseln Indonesiens. Was die schwimmende Müllabfuhr gesammelt hat, wird auf Cargoschiffe verladen. Die bringen regelmäßig Güter auf die Inseln und fahren so oder so zurück.
Langfristigen Naturschutz wird es nur geben können, wenn er von Leuten vor Ort initiiert und getragen wird.
Die eigene Rolle bei ihrem Aktivismus zu hinterfragen ist für Mareike Huhn unabdingbar. «Einen langfristigen Naturschutz wird es nur geben können, wenn er von Leuten vor Ort initiiert und getragen wird, denn sie verfügen über die entsprechende Expertise», sagt sie. Wichtig sei ihr, sich in die Gemeinschaft einzufügen: «Dazu gehört auch, anderen nicht unbedingt den Weg nahezulegen, den wir gelernt haben und für richtig halten.»
Das hätten sie und ihr Mann erst lernen müssen. Sie erinnert sich an ihren ersten Versuch, das balinesische Müllsystem in Banda Neira einzuführen. «Auf Bali werden Bambuskörbe geflochten und als Mülltonnen verwendet», erzählt sie. Überall sehe man die Körbe an der Straße. «Da dachten wir, wenn das in Bali klappt, muss das doch auch hier gehen.» Falsch gedacht: «Zwei Wochen später waren die Müllkörbe alle zu Hühnerkäfigen umfunktioniert», erzählt sie und lacht.
Plastikmüll im Meer
Trotz der negativen Folgen für Mensch und Natur steigt der globale Plastikkonsum unaufhaltsam. Im Jahr 2023 belief sich die Gesamtproduktion auf 414 Millionen Tonnen. Ein Großteil davon wird als Einwegplastik verwendet und landet nach kürzester Zeit im Müll. Das stellt besonders Länder ohne funktionierende Abfallwirtschaft vor wachsende Probleme: Plastikmüll wird dort oft unter freiem Himmel verbrannt oder auf überfüllten Deponien gelagert. Von dort gelangt er in die Umwelt und wird über Flüsse schlimmstenfalls in die Ozeane gespült. Laut einer Untersuchung der University of Leeds landeten im Jahr 2020 rund 52 Millionen Tonnen Kunststoff in der Natur – ein Fünftel des weltweit angefallenen Plastikmülls. Allein auf Indonesien entfielen dabei 3,4 Millionen Tonnen, wovon schätzungsweise 0,5 bis 1,3 Millionen Tonnen im Ozean endeten. Damit ist das Land nach China weltweit der zweitgrößte Verursacher von Plastikmüll im Meer. Mit der viertgrößten Bevölkerung der Welt, die verteilt auf über 17.000 Inseln leben, bestehen in Indonesien enorme logistische Herausforderungen bei der Abfallbehandlung und -entsorgung.
Ein Kletterurlaub gab den Ausschlag
Bevor Mareike Huhn und Guido Weißenfeld auf die Banda-Inseln zogen, hatten sie schon länger in Indonesien gelebt und während ihrer Zeit auf Bali an Meeresschutzprojekten mitgewirkt. Eine Bekannte aus einer einflussreichen bandanesischen Familie fragte sie, ob die beiden sich nicht vorstellen könnten, sich auf den Banda-Inseln für das Meer und die Umwelt einzusetzen. Bei ihrem ersten Besuch verliebten sie sich sofort in den Ort – an Land und unter Wasser.
Eigentlich hatte Mareike Huhn nie geplant, sich auf die Unterwasserwelt zu spezialisieren. Zu Beginn ihres Biologiestudiums interessierte sie sich für den Regenwald und die Insektenwelt. Doch bei einem Kletterurlaub an der Küste Thailands weckte der Blick auf die vielen Taucher:innen im Wasser ihre Neugier. Und so probierte sie es selbst aus. «Dieses andere Ökosystem hat mich sofort fasziniert.» Es dauerte nicht lange, bis sie sich auch für den Meeresschutz einsetzte. Angesichts der Bedrohungen durch den Menschen war für sie die Verbindung von Forschung und Aktivismus eine logische Konsequenz. Sie versucht im Kleinen dazu beizutragen, die maritimen Ökosysteme in der Region zu bewahren – und mit Menschen vor Ort lokalspezifische Meeresschutzmaßnahmen zu entwickeln und umzusetzen.
Seit dem missglückten Versuch mit den Bambuskörben haben sie einiges gelernt. «Es geht darum, dass die Leute die für hier richtigen Wege selbst finden.» Dafür bräuchten sie aber ein gewisses Maß an Vorwissen. Doch der Zugang sowie das Angebot von Bildung variiert von Region zu Region. «Alle haben ein Recht auf Bildung, aber nicht alle bekommen sie», sagt Mareike Huhn. Genau daran arbeitet die Gruppe um Luminocean und den deutschen Partner BandaSEA. Die einheimischen Aktiven gehen an Schulen und initiieren gemeinsame Aufräumaktionen an Stränden. Im Programm «Plastikfreie Schulen» kooperieren sie beispielsweise mit Klassen und Lehrkräften, um von Einwegplastik auf nachhaltigere Alternativen umzusteigen.
Mit Bildung das Bewusstsein schärfen
Außerdem thematisieren sie an den Schulen Nachhaltigkeit und Meeresschutz oder erläutern die Besonderheiten der örtlichen Unterwasserwelt. Sie erzählen von den 300 unterschiedlichen Arten von Steinkorallen, die dort leben, und von den mehr als 500 Arten an Rifffischen. Sie schildern, welch wichtige Rolle intakte Riffe spielen: Für manche Tiere bilden sie die Nahrungsgrundlage oder dienen als Ort der Fortpflanzung und Jungtieraufzucht, für andere sind sie Rastplatz oder Versteck. Weltweit beherbergen Riffe etwa ein Drittel der bekannten Meeresarten viele davon finden sich auch rund um die Banda-Inseln. Sogar Delfine, Rochen, Schildkröten und Wale lassen sich dort blicken.
Die Kinder lernen auch, welchen immensen Schaden Plastik anrichten kann. Lebewesen in Gewässern sind auf verschiedene Weise davon bedroht: Sie verwechseln es mit Nahrung, verheddern und verletzen sich in Schnüren und Netzen oder nehmen Mikroplastik auf. Auch ihre Habitate werden durch die Fremdkörper verändert.
Projekte: von «Müllbank» bis Upcycling
Um die derzeit noch äußerst vielfältige Unterwasserwelt rund um die Banda-Inseln zu erhalten, arbeiten die Ehrenamtlichen und Angestellten von Luminocean und BandaSEA an weiteren Initiativen. Eine davon ist die «Müllbank»: Damit möglichst viele mitmachen, erhalten die Inselbewohner:innen für jedes Kilo ihres sortierten, recycelbaren Kunststoffs, das sie abgeben, ein Geldguthaben auf ihr «Müll-Sparbuch», das monatlich ausbezahlt wird. In der Recyclinghalle wird das Plastik nachsortiert, gesäubert und dann geschreddert.
Weicheres Plastik und aluminiumbeschichtete Verpackungen werden direkt auf den Inseln wiederverwertet. In einem Upcycling-Projekt nähen und häkeln Frauen daraus Gebrauchsgegenstände. Eine von ihnen ist Mama Ena. Vormittags verkauft die 65-Jährige Essen, nachmittags häkelt sie auf einer Terrasse im nordöstlichen Inseldorf Tanah Rata Taschen, Handytaschen, Hüte und andere Accessoires. Die bietet sie Reisenden aus aller Welt zum Kauf an – und sichert sich damit ein zusätzliches Einkommen. «Das sind viele Einzelprojekte», erklärt Mareike Huhn. «Doch sie gehören alle zusammen» – denn jedes von ihnen ziele auf den Meeresschutz ab, und damit auch auf den Klimaschutz.Manchmal, wenn es im Garten der Tauchbasis dunkel wird, steigen Mareike Huhn, die Studentin Arin Lakambe und Laborkoordinator Rifaldi Kadir hinab in die Düsternis des Pazifischen Ozeans. Taschenlampen erhellen ihren Weg im Wasser, sonst ist alles schwarz. Viele der Korallenarten laichen nur zu bestimmten Jahreszeiten und erst nach Sonnenuntergang ab. «Wir sammeln einen winzig kleinen Teil davon, um aus ihm Korallenlarven heranzuziehen», erzählt die Wissenschaftlerin. Mit Trichtern und Plastikflaschen fangen sie im Wasser die Eier und Spermien der Korallen ein. Zurück an Land kommen diese zur Befruchtung in ein kleines Becken, die befruchteten Eizellen danach in große Salzwassertanks. Vier Tage lang wachsen sie zu Larven heran, dann können sie in die Riffe umgesiedelt werden. «An vielen Orten der Welt funktioniert das schon. Wir untersuchen jetzt, wie das mit den Mitteln möglich ist, die uns auf einer kleinen Insel zur Verfügung stehen.»
Unterwegs zur Kreislaufwirtschaft
Der Steg, der ins Meer führt, ist an diesem Abend menschenleer, die Wasseroberfläche glatt. Wahrscheinlich lodert irgendwo auf der Insel auch in diesem Moment ein Müllfeuer. Mareike Huhn bewahrt ihren Optimismus. «Es bringt nichts, zu denken, dass Meeresschutz nicht funktioniert. Dann muss man es gar nicht erst versuchen.» Doch tatenlos zuzusehen, nur weil sich das System nicht ändert, ist für sie und auch für ihren Mann Guido Weißenfeld keine Option – und auch nicht für das Team von Luminocean: Magafira Ali, Rifaldi Kadir, Arin Lakambe und die anderen. Sie werden weiterforschen, um kranke Korallenriffe zu restaurieren, und ihr Wissen weitergeben – ob in der Schule, am Strand, im Labor oder auf der Tauchbasis. Sie werden an Land oder mit der Tirta Intan Müll einsammeln, sortieren, recyceln und aus manchem Abfall etwas Neues entstehen lassen. Sie werden weiter auf eine funktionierende Kreislaufwirtschaft hinarbeiten. Das ist der Plan. Im Kleinen zwar – aber in dem Wissen, dass immer mehr Menschen diesen Weg mit ihnen gehen.
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