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Die Banken und das dreckige Geld

Ein Gastbeitrag von Katrin Ganswindt, Leiterin der Finanzrecherche bei «urgewald»

Die Klimakrise schreitet ungehindert voran und die größten Banken dieser Welt pumpen wieder mehr Geld in fossile Brennstoffe. Wissen sie, was sie tun?

Wir alle spüren es: Das Klimasystem gerät zunehmend aus den Fugen. Das vergangene Jahr war das heißeste in der Geschichte – erstmals wurde im globalen Durchschnitt die 1,5-Grad-Marke der Klimaerhitzung überschritten. Millionen Menschen weltweit erleben die Folgen hautnah: Dürren werden intensiver, Waldbrände gewaltiger, Stürme und Überschwemmungen zerstörerischer. Diese Entwicklungen sind auch die Folge von Geschäftsentscheidungen in Kohle-, Öl- und Gaskonzernen – sowie bei den Banken, die sie finanzieren. Für ihren kurzfristigen Profit verschärfen sie die Krise. Und das auf Kosten von Millionen Menschen, die nichts zur Katastrophe beigetragen haben und meist schutzlos ihren verheerenden Folgen ausgeliefert sind. Ein schreiendes Unrecht.

Die US-amerikanische NGO «Rainforest Action Network» hat 2025 gemeinsam mit «urgewald» und weiteren Partnerorganisationen analysiert, wie stark die 65 größten Geschäftsbanken der Welt für dieses Unrecht mitverantwortlich sind – durch Finanzgeschäfte mit Kohle, Öl oder fossilem Gas. Das Ergebnis ist erschreckend: Die untersuchten Banken haben ihre Finanzierung für diese fossilen Industrien zwischen 2023 und 2024 um 162 Milliarden US-Dollar gesteigert. In den zwei Jahren zuvor waren die jährlich vergebenen Summen noch gesunken. Eine alarmierende Trendumkehr.

Besonders besorgniserregend sind die Mittel, die fossile Unternehmen erhalten, welche ihre klimaschädlichen Geschäfte sogar noch ausweiten. Allein im vergangenen Jahr flossen solchen «Expansionisten» 429 Milliarden US-Dollar von den untersuchten Banken zu – mehr als das Dreifache der jährlichen Investitionen der deutschen Bundesregierung. Das Fatale daran: Wer in fossile Expansion investiert, schreibt den Betrieb von Ölfeldern, Gaspipelines, Kohlekraftwerken oder LNG-Terminals über Jahrzehnte fort, obwohl wir all das schnellstens hinter uns lassen sollten. 

Milliarden für die Klima-Ignoranz

US-Banken geben im Bereich der fossilen Finanzen den Ton an: JPMorgan Chase und andere große US-Banken pumpten im vergangenen Jahr 289 Milliarden US-Dollar in diesen Sektor – ein Drittel der insgesamt von unserem Bericht erfassten fossilen Geldflüsse im Jahr 2024. Aber auch europäische und deutsche Banken mischen mit beim fossilen Finanzwahnsinn. Bei der Deutschen Bank fiel auf, dass ihr fossiles Volumen bereits seit dem Jahr 2022 deutlich angestiegen ist: von 9,7 auf 13,3 und schließlich 14,3 Milliarden US-Dollar im Jahr 2024. Unter den deutschen Banken trägt sie damit finanziell mit Abstand am stärksten zur Klimakrise bei.

 

Eine Gruppe protestiert mit handgeschriebenen Schildern, auf einem ist zu lesen: Stop financing fossil fuels.
Protestaktion vor dem Eingang der Barclays Zentrale bei einer Demonstration gegen fossile Finanzierung im Bankenviertel von London 2023. Barclays ist der größte Finanzierer von fossiler Expansion in Europa. Foto: Vuk Valcic / picture alliance

Deutsche Bank: Fest an der Seite fossiler Riesen

Wie stark die Deutsche Bank klimaschädliche Geschäfte befeuert, zeigt sich bei einem genaueren Blick auf ihre fossile Kundschaft: Im Jahr 2024 war sie mit fast 1,6 Milliarden US-Dollar der weltweit größte Geldgeber des Ölriesen BP, der seine dreckigen Geschäfte massiv ausbaut. Erst kürzlich feierte der Konzern den Fund eines gewaltigen Öl- und Gasfelds vor der Küste Brasiliens, mehrere tausend Meter unter dem Meeresspiegel. Bereits im Jahr 2023 schraubte BP seine ohnehin schwachen CO2-Reduktionsziele deutlich zurück.

Das kanadische Unternehmen Enbridge wurde von der Deutschen Bank im vergangenen Jahr mit 743 Millionen US-Dollar unterstützt. Enbridge plant knapp 1.400 Kilometer an Pipelines, außerdem neue Kapazitäten für Flüssigerdgas im Umfang von sechs Millionen Tonnen pro Jahr. Das US-Unternehmen Energy Transfer erhielt 2024 von der Deutschen Bank knapp 700 Millionen US-Dollar. Der Konzern sorgte jüngst für Schlagzeilen, weil er versucht, Greenpeace USA und Greenpeace International mit einer Millionenklage mundtot zu machen.

Die Deutsche Bank argumentiert gerne, dass sie solche Unternehmen bei der Transformation hin zu CO2-freien Geschäften unterstütze. Wenn man jedoch die Geschäftsberichte der Konzerne analysiert, wird schnell klar, dass dies nur eine Schutzbehauptung sein kann. Wer in Zeiten sich zuspitzender Klimaextreme eine hemmungslose Ausweitung von Kohle-, Öl- und Gasgeschäften finanziert, verschließt die Augen vor der existenziellen Bedrohung durch die Klimakrise. Die fossile Expansion muss eine rote Linie für jede Bank sein – erst recht, wenn sie sich mit Klima-Rhetorik schmückt, wie im Fall der Deutschen Bank.

Bauarbeiter schauen auf eine breite, von Baggern gerodete Schneise, die durch einen dichten Wald verläuft.
Enbridge betreibt in Nordamerika mit 29.104 km das längste Rohöl-Pipeline-System der Welt und plant weitere 1.400 km. Ölkatastrophen sind bei Enbridge an der Tagesordnung. Deutsche Bank und Barclays finanzieren Enbridge in Europa an erster Stelle. Foto: scandamerican / Adobe Stock

UBS: Schwindendes Interesse an fossilen Deals

Es genügt der Blick in die Schweiz, um zu lernen, dass Banken durchaus fossile Geschäfte zurückfahren können, ohne dabei auf Milliardengewinne verzichten zu müssen. Die Großbank UBS unterstützt zwar weiterhin höchst umtriebige Fossilkonzerne wie den Schweizer Rohstoffhändler und Bergbaugiganten Glencore, verzeichnet insgesamt aber einen stetigen Rückgang bei ihren fossilen Finanzen: Von 22 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 sank die Summe deutlich auf 7,8 Milliarden im Jahr 2024 – etwa die Hälfte der Summe, die die Deutsche Bank vergibt.

Damit gehört die UBS zu gerade einmal vier europäischen Banken, die ihre fossile Finanzierung seit 2021 stark reduziert haben. Von einer grundlegenden Klimawende im Bankensektor kann somit keine Rede sein.

 

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Die fünf größten Finanzierer fossiler Expansionen aus Europa im Jahr 2024 waren Barclays und HSBC aus Großbritannien ( Platz 1 und 3 ), die Deutsche Bank ( Platz 2 ), Santander aus Spanien ( Platz 4) und BNP Paribas aus Frankreich ( Platz 5 ). 

Im Vergleich der Jahre 2021–2023 (schwarz) zu 2024 (orange) wird deutlich, in welcher Größe Finanzierungen fossiler Expansionen wieder angewachsen sind (Mauszeiger auf dem Diagrammbalken zeigt die genaue Zahl). Quelle: «Banking on Climate Chaos» 2025

Bankenbündnis: Klimarhetorik statt Klimataten

Dabei hätte alles ganz anders laufen können. Im Jahr 2021 gründete sich das Bankenbündnis «Net-Zero Banking Alliance» (NZBA) – ein Zusammenschluss internationaler Banken, die versprachen, ihr Geschäft an die Anforderungen des Pariser Klimaabkommens anzupassen. Vier Jahre später ist davon kaum noch etwas übrig: Unter US-Präsident Trump und seiner harten Anti-Klima-Agenda zogen sich zunächst die großen US-Banken aus dem Bündnis zurück, später folgten europäische Großbanken wie Barclays, HSBC und UBS. Inzwischen liegen die Aktivitäten der NZBA auf Eis, Ende August gab das Bündnis bekannt, es stehe der Umbau von einer Allianz zu einer reinen «Rahmeninitiative» im Raum.

Hatte Trumps Klima-Exorzismus also Erfolg? Teilweise ja, denn offensichtlich fürchteten zumindest US-Banken die möglichen politischen Folgen ihres Engagements. Fest steht aber auch: Die NZBA konnte bei Weitem nicht das liefern, was sie einst versprochen hat. Die jüngsten Zahlen zeigen, dass ein echter System- und Bewusstseinswandel nach wie vor auf sich warten lässt.

Die Stunde der Regulierer

Doch wie kann die Bankenwelt beim Klimaschutz auf den richtigen Kurs gebracht werden? Bei urgewald haben wir gelernt, dass grundlegende Weichen neu gestellt werden müssen. Hier sind die Zentralbanken, Aufsichtsbehörden und Finanzregulierer gefordert: Sie müssen endlich dafür sorgen, dass die fundamentale Gefahr von Kohle-, Öl- und Gasgeschäften auch im Finanzsystem erkannt wird.

Derzeit ist jedoch oft das Gegenteil der Fall: Klima- und umweltschädliche Unternehmen genießen unangemessene Vorteile, da Zentralbanken wie die EZB ihre Vermögenswerte als Sicherheiten akzeptieren. Das wiederum ermutigt auch andere Banken, in solche Unternehmen zu investieren. Immerhin ist bei der Europäischen Zentralbank – auch infolge zivilgesellschaftlichen Drucks – ein Wandel erkennbar: Ende Juli kündigte sie an, ab Mitte 2026 einen «Klimafaktor» einzuführen. Damit sollen Vermögenswerte aus den klimaschädlichen Bereichen Kohle, Öl und Gas weniger wert sein. Ein wichtiger Fortschritt.

Gefahren für das Finanzsystem

Es liegt auf der Hand, welch fundamentale Bedrohung die fossilen Industrien als größter CO2-Verursacher auch für unsere Finanz- und Volkswirtschaft darstellen: Zunehmende Klimaextreme gefährden schon heute Sicherheit, Leben und Besitz von Millionen Menschen weltweit. Versicherer beginnen, sich aus der Absicherung von Elementarschäden zurückzuziehen – etwa in den waldbrandgefährdeten Regionen in den USA. Zunehmend geraten Staaten auf der ganzen Welt durch klimabedingte Wetterextreme unter finanziellen Druck.

Und je länger klimaschädliche Geldgeschäfte weiterlaufen, desto größer wird das Risiko, dass Banken auch in ihrer eigenen Bilanz von den Folgen der Klimakrise eingeholt werden oder sie diese Bilanz in sehr kurzer Zeit von fossilen Geschäften bereinigen müssen – spätestens, wenn die Politik entschlossen das Ende des fossilen Zeitalters einläutet. Bisher wiegen sich die großen Geschäftsbanken weltweit noch in gefährlicher Sicherheit.

 

Die Luftaufnahme zeigt eine komplett überflutete Kleinstadt. Der ursprüngliche Flussverlauf ist nur noch an den Bäumen entlang des überspülten Ufers zu erahnen.
Die Ahrtal-Katastrophe 2021: Zunehmende klimabedingte Wetterextreme gefährden nicht nur das Überleben von Millionen Menschen. Sie zerstören auch Kapital und könnten so das Geschäftsmodell der Versicherer und damit den Finanzmarkt zum Kippen bringen. Foto: Christian / Abobe Stock

Scheuklappen bei den Banken, Erkenntnisse bei Investoren

Während große Teile der Bankenwelt nach wie vor die Augen vor dem Notwendigen verschließen, wächst in der Welt der institutionellen Investoren die Einsicht, dass ein «Weiter so» keine Option ist. Günther Thallinger, Kapitalanlage-Vorstand beim Versicherungskonzern Allianz, legte im März 2025 in einem Gastbeitrag auf LinkedIn den Finger in die Wunde: Die zunehmenden klimabedingten Wetterextreme würden nicht nur das Überleben von Millionen Menschen gefährden, sondern könnten auch das Geschäftsmodell der Versicherer zum Kippen bringen: «Hitze und Wasser zerstören Kapital. Überflutete Häuser verlieren an Wert. Überhitzte Städte werden unbewohnbar. Ganze Anlageklassen werden in Echtzeit abgewertet», analysierte Thallinger in dem viel beachteten Beitrag.

Auch Henrik Pontzen – Chief Sustainability Officer bei Union Investment (dem Vermögensverwalter der deutschen Genossenschaftsbanken) – betont im Podcast «Nachhaltiges Investieren» der Börsen-Zeitung, dass aus den USA zwar viel «Noise» komme, jedoch weiterhin gelte: «Der Klimawandel ist real, und er ist da.» Die übergroße Mehrheit der professionellen Investoren am Kapitalmarkt werde sich an diesem Fakt orientieren. Zwar belegen Finanzrecherchen von urgewald, dass dieser Optimismus überzeichnet ist, dennoch spricht das wachsende Problembewusstsein für ein Umdenken in der Branche.

Vom Kohle-Rausch zum Kohle-Kater

Welche Wirkung das auch für den Klimaschutz entfalten kann, zeigt das Beispiel Kohle: Nach intensiver urgewald-Kampagne beschloss der mächtige Norwegische Pensionsfonds im Jahr 2015, nicht mehr in große Kohlekonzerne zu investieren. Dass ein weltweit beachteter Fonds einen solchen Schritt tat, entfaltete eine starke Signalwirkung in der Branche. Es folgte eine ganze Kaskade weiterer Entscheidungen zum Ausschluss von Kohle-Geschäften in der europäischen Finanzindustrie – von Investoren, Banken und Versicherern. Für Kohleunternehmen ist es seitdem deutlich schwieriger geworden, frisches Kapital aufzunehmen. Und selbst der Kohle-Fetisch eines Donald Trump wird daran nichts ändern – zu unwirtschaftlich ist der dreckige Brennstoff inzwischen.

Mit dem Ziel, diesen Wandel zu beschleunigen, werden NGOs wie urgewald weiter die fossilen Sünden der Finanzindustrie offenlegen. Weltweit nutzen immer mehr Vermögensverwaltungen, Versicherer, Banken und Regulierer Daten von urgewald, um fossile Finanzflüsse zu begrenzen. Jeder Kredit, der nicht mehr in ein Kohlekraftwerk, ein Ölfeld oder ein Flüssigerdgas-Terminal fließt, ist ein Schritt in die richtige Richtung.

 

Bild oben: Collage von Katrin Schoof, unter Verwendung eines Fotos von Stephanie Eichler (Frankfurt Skyline) und anderen Fotos von Adobe Stock. 

Porträtaufnahme: Eine Frau mittleren Alters hat ihre braunen Haare zum Zopf gebunden und trägt eine Brille mit rechteckigen Gläsern.
Katrin Ganswindt

arbeitet seit 2011 bei «urgewald» und leitet dort den Bereich Finanzrecherchen. Sie ist maßgeblich beteiligt an «Banking on Climate Chaos», dem jährlich erscheinenden NGO-Bericht zur fossilen Bankenfinanzierung. Zudem verantwortet sie den urgewald-Bericht zur Bankenfinanzierung des Kohlesektors. Ganswindt ist diplomierte Ökologin und in der Klima- und Anti-Atom-Bewegung aktiv. / Foto: Andreas Schoelzel 

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07. November 2025 | Energiewende-Magazin